g-Kräfte werden Belastungen genannt, die aufgrund starker Änderung von Größe und/oder Richtung der Geschwindigkeit auf den menschlichen Körper, einen Gebrauchsgegenstand oder ein Fahrzeug einwirken. Bei Belastungen technischer Geräte wie Flugzeugen oder der Angabe von Belastungsgrenzen wird auch der Begriff Lastvielfache verwendet. Die g-Kraft ist die Trägheitskraft pro Masse, sie hat daher die Dimension einer Beschleunigung. Sie wird meistens in der Einheit g (Fallbeschleunigung) angegeben, so dass ihr Zahlenwert direkt die Trägheitskraft in Einheiten des Gewichts des betreffenden Körpers angibt. Hohe g-Kräfte treten beispielsweise bei Fahrten mit einer Achterbahn, bei Raketenstarts, in der Waschmaschine beim Schleudern oder bei Zusammenstößen von Gegenständen auf.

Physikalische Grundlagen

Ein Rennfahrer spürt beim Start eine Kraft, die ihn – entgegen der Beschleunigungsrichtung  nach hinten in seinen Sitz presst. Diese Kraft kommt dadurch zustande, dass der Rennwagen nach vorne beschleunigt wird. Der Körper des Fahrers würde wegen seiner Trägheit gegenüber dieser Beschleunigung zurückbleiben, wenn er nicht durch den Sitz mitgerissen würde. Was der Fahrer also fühlt, ist keine tatsächliche äußere Kraft, die ihn stärker nach hinten in den Sitz drückt, sondern seine eigene Trägheit, die sich hier in Form einer Trägheitskraft bemerkbar macht. Der Fahrer wird vom Sitz nach vorne beschleunigt.

g als Maßeinheit

Nach der Grundgleichung der Mechanik erfährt der Körper des Fahrers (Masse ) die Beschleunigung , wenn auf ihn eine Kraft wirkt. Dabei kann der physikalische Begriff Beschleunigung je nach Richtung der Kraft umgangssprachlich auch Abbremsung oder Richtungsänderung bedeuten. Der Fahrer ist relativ zu seinem Fahrzeug in Ruhe. Es handelt sich um ein beschleunigtes Bezugssystem. Für ihn herrscht ein Kräftegleichgewicht zwischen der beschleunigenden Kraft und der Trägheitskraft . Die Trägheitskraft ist also entgegengesetzt gleich groß wie die äußere Kraft. Daher eignet sich die Beschleunigung dazu, die auf die Masse bezogene Trägheitskraft zu quantifizieren.

Die Beschleunigung wird oft als Vielfaches der Erdbeschleunigung

angegeben, weil dies mit der Alltagserfahrung leicht zu vergleichen ist. Als Standardwert für Präzisionsmessungen wurde gn = 9,80665 m/s2 (Normfallbeschleunigung) festgelegt.

1g bedeutet also, dass die erfahrene Beschleunigung gleich groß wie die Erdbeschleunigung ist und dass folglich die Trägheitskraft gleich groß wie die Gewichtskraft auf der Erde ist.

Die Maßeinheit g wird zur Unterscheidung vom Gramm g kursiv und ohne Abstand (Leerzeichen) zur Maßzahl geschrieben.

Spezialfälle

Gleichmäßige geradlinige Beschleunigung

Wenn ein Körper auf der Strecke von der Ruhe gleichmäßig auf die Geschwindigkeit beschleunigt wird, dann beträgt seine Beschleunigung:

Dieselbe Formel gilt für den Betrag der Beschleunigung bei einem Körper, der innerhalb der Strecke von der Geschwindigkeit gleichmäßig bis auf Null abbremst (Siehe auch Bremsverzögerung).

Beispiele
Ein Auto fährt mit 30 km/h (8,33 m/s) gegen eine feste Wand, dabei werde die Knautschzone mit konstanter Kraft um 50 cm gestaucht. Die g-Kraft beträgt 7g. Bei 50 km/h (13,9 m/s) und gleichem Verformungsweg betrüge die g-Kraft fast 20g.
Ein Körper fällt aus 1 m Höhe auf den Boden. Je starrer Körper und Boden sind, desto höher ist die g-Kraft. Gibt der Boden nicht nach und der Körper verformt sich um 0,1 mm und bleibt dann liegen, dann wurde er im Mittel mit 10.000g abgebremst. Würde ein Teppich den Bremsweg auf 5 mm vergrößern, könnte der Stoß auf 200g verringert werden.

Kurvenfahrt

Wenn ein Körper mit der Geschwindigkeit eine Kreisbahn durchläuft, die den Radius hat, dann erfährt er die Beschleunigung

Beispiel
Ein Rennwagen durchfährt mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h (55,6 m/s) eine Kurve mit einem Radius von 160 m, dann beträgt die Zentripetalbeschleunigung ca. 19,3 m/s2, was etwa 2g entspricht. Insassen werden daher durch die Zentrifugalkraft mit dem Doppelten ihres Gewichts nach außen gedrückt.

Beispiele von g-Werten in Natur, Technik und Alltag

Maschine oder Ereignis g-Faktor
Typischer Maximalwert bei einer Kinderschaukel 2,5
Maximalwert bei der Achterbahn Silver Star 4
Maximalwert bei einer Apollo-Kapsel während des Wiedereintritts in die Erdatmosphäre nach einem Mondflug 7,19
Durchschnittliche Maximalwerte bei Kunstflugmanövern (Belastungsdauer zwischen 1,5 und 3 Sekunden) 8
Maximalwert für von Menschen ohne schwere Verletzungen überlebbare g-Kraft bei günstiger Wirkrichtung der Beschleunigung und kurzer Beschleunigungsdauer (Sekundenbruchteile) 100
Laut Guinness-Buch der Rekorde höchste gemessene g-Kraft, die von einem Menschen (David Purley, 1977) überlebt wurde 180
IndyCar von Kenny Bräck beim Crash auf dem Texas Motor Speedway im Jahre 2003 (der Fahrer überlebte) 214
Größenordnung beim Aufprall eines Kugelschreibers, der aus 1 m Höhe auf harten Boden fällt und liegen bleibt 1.000

Auswirkungen von g-Kräften auf den menschlichen Körper

Einflussfaktoren

Die Auswirkung von g-Kräften auf den menschlichen Körper hängen stark von der Richtung der Einwirkung ab. Üblicherweise wird ein Koordinatensystem wie im Bild rechts verwendet. Positive g-Kräfte in z-Richtung erfährt ein Organismus beispielsweise, wenn er bei einem Innenlooping auf einer Achterbahn in den Sitz gedrückt wird; negative, wenn er bei einem Außenlooping aus dem Sitz herausgehoben wird.

Außer der Stärke und der Richtung der Kräfte ist auch von großer Bedeutung, wie lange sie wirken. Kurzzeitig kann der menschliche Körper relativ hohen Belastungen standhalten (wobei mit „kurzen“ Zeiträumen Sekundenbruchteile gemeint sind). Bei länger anhaltenden Kräften besteht bereits ab einer vergleichsweise geringen Stärke die Gefahr von Durchblutungsstörungen.

Richtungsabhängigkeit der Symptome

Bei positiven g-Kräften in z-Richtung (ausgeübt durch den Sitz und Boden, den sitzenden Menschen nach oben beschleunigend) besteht die Gefahr, dass das Blut in die Beine versackt. Dadurch kann es zu Sehstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit infolge eingeschränkter Hirndurchblutung kommen (Bewusstseinsstörungen). Dieses Phänomen wird auch als g-LOC (Loss Of Consciousness) bezeichnet. Der Bewusstlosigkeit voraus geht der sogenannte Greyout und später Blackout, der durch die ungenügende Blutversorgung der Netzhaut (Retina) des Auges zustande kommt. Um die in Kampfflugzeugen auftretende Belastung besser ertragen zu können, werden deren Besatzungen Anti-g-Anzüge angepasst, die die Effekte der g-Kräfte beschränken sollen, indem der Anzug bei hohen Beschleunigungen die Beine komprimiert. Sobald die Beschleunigungskräfte nicht mehr einwirken, ist die Hirn- und Augendurchblutung wieder normal, und die Bewusstlosigkeit endet. In der nachstehenden Tabelle sind die Reaktionen des untrainierten menschlichen Körpers auf verschiedene (mehrere Minuten andauernde) positive g-Kräfte in z-Richtung aufgeführt.

Belastung Symptome
1g–2g uneingeschränkt ertragbar
2g–3g beginnende Einengung des Gesichtsfeldes
3g–4g röhrenförmiges Gesichtsfeld, Greyout
4g–5g Blackout
5g–6g Bewusstlosigkeit

Negative g-Kräfte in z-Richtung (Gurtzeug zieht den Menschen nach unten) bewirken einen Blutfluss zum Kopf hin. Sie können vom Menschen erheblich schlechter ertragen werden. Bereits zwei bis drei g können zum Redout führen.

In x-Richtung (Beschleunigung des sitzenden Menschen nach vorne durch Druckkraft der Sessellehne) werden g-Kräfte von Menschen besser ertragen, führen aber ab einer Stärke von 20g zu Atemproblemen. In y-Richtung – quer zum Körper – ist dagegen häufig, wenn der Kopf seitlich nicht gestützt wird, die Überlastung der Nackenmuskulatur das Hauptproblem.

Historische Entwicklung

Die Auswirkungen hoher g-Werte wurden erstmals ausführlich 1946–1948 durch den US-amerikanischen Mediziner John Paul Stapp im Dienst der US-Armee untersucht. Im Rahmen des Projekts wurden dabei auch er selbst und andere Freiwillige auf schienengeführten Schlitten mittels Raketenantrieben auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt und mit speziellen Bremsvorrichtungen abgebremst. Die Ergebnisse dieser Forschungen trugen viel zur Entwicklung von effektiven Rückhalte- und Rettungssystemen bei.

g-Kräfte in der Luftfahrt

Bei g-Kräften, die auf Flugzeuge im Flug wirken, wird zwischen Manöverlasten und Böenlasten unterschieden. Unter Böenlasten versteht man g-Kräfte, die durch Böen, also durch Luftbewegungen, die eine kurzzeitige Änderung der Anströmung hervorrufen, entstehen. Manöverlasten entstehen durch Flugmanöver. Um Belastungsgrenzen von Flugzeugen zu definieren, wird die Bezeichnung „Lastvielfache“ verwendet. Das Lastvielfache ist als dimensionslose Zahl definiert durch das Verhältnis von Auftriebskraft zu Gewichtskraft :

Wenn man davon ausgeht, dass keine zusätzlichen Kräfte wirken, etwa durch Änderung der Triebwerksleistung oder Geschwindigkeitsänderung der Umgebungsluft, dann entspricht das Lastvielfache n der g-Kraft, die auf die Menschen an Bord des Flugzeugs wirkt. Das Lastvielfache ist der Faktor, um den die scheinbare Gewichtskraft auf Gegenstände im Flugzeug durch zusätzliche Trägheitskräfte zunimmt. Um die entsprechende g-Kraft zu erhalten, muss das Lastvielfache n daher mit der Fallbeschleunigung g multipliziert werden. Für einen normalen Reiseflug ergibt sich ein Lastvielfaches von , entsprechend einer g-Kraft von 1g. Im Kurvenflug ist das Lastvielfach , wobei die Querneigung ist.

Die Angabe von maximalen Lastvielfachen wird benutzt, um die Strukturfestigkeit eines Flugzeugs und damit zulässige Flugmanöver festzulegen. Beispiel: Eine Beechcraft Bonanza A36 darf bei eingefahrenen Landeklappen und bei Höchstabfluggewicht mit einem g-Faktor von höchstens 4,4 belastet werden. Dieses Lastvielfach wird bei einer Querneigung von 77° erreicht.

Stoßresistenz

Die Widerstandsfähigkeit eines Gebrauchsgegenstands gegenüber kurz andauernden g-Kräften durch Stöße und Vibrationen (Erschütterungen) wird als Stoßresistenz bezeichnet. Angaben über Stoßresistenz findet man zum Beispiel häufig in Datenblättern von Festplatten. Die g-Kräfte werden meist nur sehr kurz ausgehalten (Größenordnung 1 ms), angegebene Grenzwerte gelten oft nur bei einer bestimmten Form der Belastung.

Siehe auch

Commons: G-Kraft – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Diagramme zur Abhängigkeit der Lastvielfachen und sicheren Lastvielfachen von den jeweiligen Flugzuständen
  2. Maßeinheiten der Beschleunigung, Mitteilung von Horst Sedlak nach: Horst Stöcker (Hrsg.): Taschenbuch der Physik. Formeln – Tabellen – Übersichten. Harri Deutsch, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1994, S. 13.
  3. Die Zentrifugalbeschleunigung, die zusätzlich zur Erdbeschleunigung wirkt, lässt sich für einen anfänglichen Auslenkungswinkel durch berechnen.
  4. nanotribo Kurs zu Beschleunigung. (PDF; 260 kB) Archiviert vom Original am 21. Juli 2016; abgerufen am 5. Februar 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  5. freizeitpark-infos. Abgerufen am 13. März 2013.
  6. NASA: SP-368 Biomedical Results of Apollo, Chapter 5: Environmental Factors, Table 2: Apollo Manned Space Flight Reentry G Levels. Abgerufen am 28. März 2017 (englisch).
  7. Jeffrey R. Davis, Robert Johnson, Jan Stepanek: Fundamentals of Aerospace Medicine. Lippincott Williams & Wilkins, 2008, ISBN 0-7817-7466-7, S. 656. GoogleBooks.
  8. Dennis F. Shanahan, M.D., M.P.H.: „Human Tolerance and Crash Survivability, citing Society of Automotive Engineers. Indy racecar crash analysis. Automotive Engineering International, June 1999, 87–90. And National Highway Traffic Safety Administration: Recording Automotive Crash Event Data
  9. Craig Glenday: Guinness World Records 2008. Random House Digital, Inc., 2008, ISBN 0-553-58995-4, S. 133 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. „The impact was enormous, but leaving the cockpit intact. It recorded a record 214g impact and left me seriously injured.“ (Memento vom 19. Oktober 2014 im Internet Archive).
  11. Feel the G’s: The Science of Gravity and G-Forces – by Suzanne Slade (page 37).
  12. Durchschnittliche Verzögerung, wenn der Boden oder Kugelschreiber beim Aufprall um 1 mm nachgibt. Der Wert lässt sich durch Erdbeschleunigung·Höhe/Verzögerungsstrecke berechnen.
  13. 1 2 3 4 5 PDF (Memento vom 19. August 2014 im Internet Archive) bei csel.eng.ohio-state.edu.
  14. Eckhart Schröter: DHV Gleitschirm und Drachen fliegen. Abgerufen am 8. Februar 2013.
  15. Joachim Scheiderer: Angewandte Flugleistung. Springer, 2008, ISBN 3-540-72722-1, S. 51 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  16. Niels Klußmann, Arnim Malik: Lexikon Der Luftfahrt. Springer DE, 2012, ISBN 3-642-22500-4, S. 158 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  17. Airplane Flight Manual der Beechcraft Bonanza A36, Seite 2–11, abgerufen am 30. Januar 2019.
  18. Z. B. in diesem Datenblatt (Memento des Originals vom 18. Juli 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 196 kB) nur bei einer halben Sinuswelle. Bei dauerhafter Belastung wird nur ein Bruchteil davon ausgehalten: 0,67G „operating“ statt 400G und 3,01G „non-operating“ statt 2000G.
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