Das Lateinersegel ist ein Schratsegel bestehend aus einem Tuch in der Form eines Dreiecks, das mit dem Rutenliek an der Rute oder lateinische Rah genannten Spiere angeschlagen ist. Die Rute ist zumeist annähernd mittig am Mast befestigt. Zum Segeln wird die Rute schräg gestellt, etwa so, dass eine Seite des Segels horizontal verläuft und mit dem Tau an der Spitze gespannt wird. Je nach Windrichtung kann das Segel auf beide Seiten geschwenkt werden, wozu die gesamte Rute neu ausgerichtet werden muss.

Herkunft des Namens

Die Herkunft des Namens Lateinersegel ist nicht genau geklärt. Eine Deutung besagt, dass die nordeuropäischen Seefahrer den Namen nach den Lateinern, die es benutzten, vergaben. Eine andere Deutung verweist auf den Ausdruck alla trina (dreieckig) für das Segel. Das Rahsegel hieß analog alla quadrata.

Geschichte und Gebrauch

Das Lateinersegel kam im 2.–4. Jahrhundert n. Chr. in der römischen Mittelmeerschifffahrt auf, zunächst vor allem auf kleineren und Küstenfahrzeugen. Dem belgischen Marinehistoriker Lucien Basch zufolge lassen sich in der hellenistischen Seefahrt echte Lateinersegel sogar bis in das erste vorchristliche Jahrhundert zurückverfolgen. Die Hochzeit des Lateinersegels lag im Mittelalter. Ab dem 6. Jahrhundert dominierte es die Segelschifffahrt im Mittelmeerraum derart, dass das bis dahin vorherrschende Rahsegel erst im Spätmittelalter wieder wirklich greifbar wird. Das Lateinersegel erlaubte, höher am Wind zu segeln, wodurch das Kreuzen vereinfacht und die Fahrtzeit gegen den Wind erheblich verkürzt wurden.

Die Schiffe im Zeitalter der Entdeckung, Karavellen, Karacken und Galeonen, benutzten Rahsegel auf den vorderen und Lateinersegel auf den hinteren Masten. Bei sehr großen Schiffen dieser Zeit wurden gelegentlich zwei Lateinersegel übereinander gefahren, was aber sehr schlecht zu bedienen war.

Das eng mit dem Setteesegel verwandte Lateinersegel wurde im 17. Jahrhundert zum Luggersegel und zum Gaffelsegel weiterentwickelt; die Spieren zum Aufspannen des Gaffelsegels, Baum und Gaffel genannt, sind mit einem Ende am Mast angeschlagen und damit bei Manövern erheblich einfacher zu handhaben.

Anmerkungen

  1. Gleichwohl wird von der fortgesetzten Existenz des Rahsegels im Mittelmeer ausgegangen (F. Castro, N. Fonseca, T. Vacas, F. Ciciliot: A Quantitative Look at Mediterranean Lateen- and Square-Rigged Ships (Part 1). In: The International Journal of Nautical Archaeology. Band 37, Nr. 2, 2008, S. 347–359 (2))

Einzelnachweise

  1. Lionel Casson: Ships and Seamanship in the Ancient World. Johns Hopkins University Press, 1995, ISBN 0-8018-5130-0, S. 243–245.
  2. Lionel Casson: The Sails of the Ancient Mariner. In: Archaeology. Band 7, Nr. 4, 1954, S. 214–219.
  3. Lynn White: The Diffusion of the Lateen Sail. Medieval Religion and Technology. Collected Essays. University of California Press, 1978, ISBN 0-520-03566-6, S. 255–260 (255)
  4. I. C. Campbell: The Lateen Sail in World History. (Memento des Originals vom 4. August 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 192 kB). In: Journal of World History. Band 6, Nr. 1, 1995, S. 1–23 (8–11)
  5. George Makris: Ships. In: Angeliki E. Laiou (Hrsg.): The Economic History of Byzantium. From the Seventh through the Fifteenth Century. Band 1, Dumbarton Oaks, 2002, ISBN 0-88402-288-9, S. 89–99 (96)
  6. Zaraza Friedman, Levent Zoroglu: Kelenderis Ship—Square or Lateen Sail? In: The International Journal of Nautical Archaeology. Band 35, Nr. 1, 2006, S. 108–116 (113–114)
  7. John H. Pryor, Elizabeth M. Jeffreys: The Age of the ΔΡΟΜΩΝ. The Byzantine Navy ca. 500–1204. (= The Medieval Mediterranean. Peoples, Economies and Cultures, 400–1500. Band 62). Brill Academic Publishers, 2006, ISBN 90-04-15197-4, S. 153–161.
  8. F. Castro, N. Fonseca, T. Vacas, F. Ciciliot: A Quantitative Look at Mediterranean Lateen- and Square-Rigged Ships (Part 1). In: The International Journal of Nautical Archaeology. Band 37, Nr. 2, 2008, S. 347–359 (1–2)
  9. Julian Whitewright: The Mediterranean Lateen Sail in Late Antiquity. In: The International Journal of Nautical Archaeology. Band 38, Nr. 1, 2009, S. 97–104.
  10. Basch, Lucien: La voile latine, son origine, son évolution et ses parentés arabes. In: Harry Tzalas (Hrsg.): Tropis VI, 6th International Symposium on Ship Construction in Antiquity, Lamia 1996 proceedings. Hellenic Institute for the Preservation of Nautical Tradition, 2001, S. 55–85 (63–64)
  11. Lionel Casson: Ships and Seamanship in the Ancient World. Johns Hopkins University Press, 1995, ISBN 0-8018-5130-0, S. 243–245.
  12. John H. Pryor, Elizabeth M. Jeffreys: The Age of the ΔΡΟΜΩΝ. The Byzantine Navy ca. 500–1204. (= The Medieval Mediterranean. Peoples, Economies and Cultures, 400–1500. Band 62). Brill Academic Publishers, 2006, ISBN 90-04-15197-4, S. 153–161.

Siehe auch

Commons: Lateinersegel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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