Das Leaky-Gut-Syndrom (deutsch Syndrom des durchlässigen Darms) ist ein alternativmedizinisches, nicht einheitlich definiertes Konzept, für dessen Richtigkeit es keine wissenschaftlichen Beweise gibt. Beim Leaky-Gut-Syndrom soll die Barrierefunktion der Darmschleimhaut im Bereich des Dünndarms gestört sein, sodass Krankheitserreger (wie z. B. Bakterien), Pilze, Toxine und unvollständig verdaute Partikel aus dem Darm in den Blutkreislauf gelangen und diverse Erkrankungen auslösen.
Abzugrenzen ist das postulierte Leaky-Gut-Syndrom von der Tatsache, dass z. B. bei entzündlichen Darmkrankheiten wie Morbus Crohn oder Zöliakie, entzündungshemmende Schmerzmittel oder Alkoholismus die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut erhöht sein kann; dies wird in der englischsprachigen Fachliteratur u. a. als „leaky gut“ (Permeabilitätsstörung, Barrierestörung, Tight Junction-Störung) bezeichnet. Grund hierfür sind Änderungen bzw. Störungen der Tight Junctions des Darmepithel durch körpereigene Botenstoffe. Eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut (intestinale Permeabilität) hat unter Umständen nützliche Effekte, wie eine verbesserte Aufnahme von Wasser und Nahrungsstoffen sowie immunsystemaktivierende Eigenschaften. Ein schädlicher Effekt wurde bisher nicht nachgewiesen, eine erhöhte Durchlässigkeit kann allenfalls zu einer milden, lokalen Reaktion in entsprechenden Darmabschnitt führen. Ob diese erhöhte Durchlässigkeit Folge, Ursache oder Begleiterscheinung ist, ist Gegenstand von Untersuchungen.
Ursachen
Zahlreiche Ursachen sollen das Leaky-Gut-Syndrom begünstigen, beispielsweise Hefepilze, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Erkrankungen des Verdauungstraktes, Viren, Bakterien, Parasiten, Stress, Medikamente oder Alkoholkonsum. Diese Faktoren sollen unter anderem zu einem Ungleichgewicht in der Darmflora und einer Erhöhung der Durchlässigkeit bzw. „Löchern“ der Darmschleimhaut führen. Stoffe könnten in den Blutkreislauf eintreten, die sonst über den Stuhlgang ausgeschieden würden. Beispiele hierfür sind Giftstoffe, Pilze oder unverdaute Partikel. Eine Immunreaktion sei die Folge. Antikörper und Entzündungsstoffe würden gebildet, um die eintretenden Fremdkörper unschädlich zu machen. Es sei dann möglich, dass diese Antikörper auch die körpereigenen Zellen befallen.
Keine dieser Behauptungen konnte je wissenschaftlich nachgewiesen werden.
Symptome
Das Leaky-Gut-Syndrom soll eine Reihe verschiedener Erkrankungen zur Folge haben: Diabetes, Allergien, Autismus, Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, Multiple Sklerose, Lupus erythematodes oder Chronisches Erschöpfungssyndrom. Des Weiteren sollen auch Asthma, Migräne oder Stimmungsschwankungen bis hin zur Depression auftreten können.
Der Zusammenhang dieser Symptome mit dem sogenannten Leaky-Gut-Syndrom ist jedoch rein spekulativ und konnte nie wissenschaftlich nachgewiesen werden.
Therapie
Zur Behandlung des angeblichen Leaky-Gut-Syndroms werden diverse Nahrungsergänzungsmittel oder Phytotherapien, Einläufe, die Einnahme von Probiotika oder spezielle Diäten angeboten. Da jedoch nicht klar ist, wie das Leaky-Gut-Syndrom überhaupt zuverlässig diagnostiziert werden kann, kann eine Aussage über die Wirkung der angebotenen Therapien nicht getroffen werden.
Diagnostik
Alternativmediziner bieten zur Diagnose des Leaky-Gut-Syndroms Blut- und Urinuntersuchungen an. Beim Lactulose-Mannitol-Test nimmt der Patient eine Lösung ein, die den Zweifachzucker Lactulose und den Zuckeralkohol Mannitol enthält. Nach einer bestimmten Zeit wird der Urin hinsichtlich dieser Bestandteile untersucht. Eine unübliche Menge der beiden Stoffe weise auf das Vorhandensein eines Leaky-Gut-Syndroms hin. Dieser Test wird von Ärzten in der Regel nicht verwendet und seine Zuverlässigkeit über die Aussage einer etwaigen intestinalen Permeabilität wurde wissenschaftlich als unzureichend eingestuft.
Eine weitere Möglichkeit, das sogenannte Leaky-Gut-Syndrom zu diagnostizieren, sei der Zonulin-Test. Zonulin ist ein Protein, das bei bestimmten Reizen von der Darmschleimhaut abgesondert wird und ihre Durchlässigkeit erhöht. Durch einen Serumtest wird die Menge des Zonulins im Blut bestimmt. Ein erhöhter Wert könne laut einiger Alternativmediziner auf ein Leaky-Gut-Syndrom hinweisen.
Literatur
- M. A. Odenwald, J. R. Turner: Intestinal permeability defects: is it time to treat? In: Clinical Gastroenterology and Hepatology. Band 11, Nummer 9, September 2013, S. 1075–1083, doi:10.1016/j.cgh.2013.07.001, PMID 23851019, PMC 3758766 (freier Volltext) (Review).
- Obrenovich, M.E.M.: Leaky Gut, Leaky Brain? In: Microorganisms. Band 6, Nummer 4, Dezember 2018, Article Number: 107, doi:10.3390/microorganisms6040107 (freier Volltext) (Review).
- Tim Vanuytsel, Jan Tack, Ricard Farré: The Role of Intestinal Permeability in Gastrointestinal Disorders and Current Methods of Evaluation. In: Frontiers in Nutrition. Band 8, 26. August 2021, doi:10.3389/fnut.2021.717925 (englisch, review).
Weblinks
- Health A-Z: "Leaky gut syndrome". National Health Service (9. März 2018), zuletzt abgerufen am 30. September 2018
- Medizin-Transparent: "Leaky Gut Syndrom: Mythos löchriger Darm". Cochrane (Organisation) (5. Dezember 2017), zuletzt abgerufen am 2. Januar 2021
Einzelnachweise
- 1 2 3 4 Bernd Kerschner: Leaky Gut Syndrom: Mythos löchriger Darm. In: Medizin transparent. 5. Dezember 2017, abgerufen am 2. Oktober 2021.
- ↑ Seth C. Kalichman: Denying AIDS: Conspiracy Theories, Pseudoscience, and Human Tragedy. Springer Science & Business Media, 2009, ISBN 978-0-387-79476-1, S. 167 (google.com).
- 1 2 3 4 5 6 "Leaky gut syndrome". In: National Health Service. 18. Oktober 2017, archiviert vom ; abgerufen am 28. Juli 2021 (englisch).
- 1 2 3 4 5 Debunking the Myth of ‘Leaky Gut Syndrome’. (en) In: badgut.org. Gastrointestinal Society, abgerufen am 4. Dezember 2020.
- ↑ Günther Heepen: Hilfe aus der Natur bei Leaky-Gut-Syndrom, Darmpilzen, Reizmagen, Allergien und Verstopfung. Gräfe und Unzer Verlag, 2017, ISBN 978-3-8338-6294-6, S. 107 (google.de).
- ↑ T. Vanuytsel, S. Vermeire, I. Cleynen: The role of Haptoglobin and its related protein, Zonulin, in inflammatory bowel disease. In: Tissue barriers. Band 1, Nummer 5, Dezember 2013, S. e27321, doi:10.4161/tisb.27321, PMID 24868498, PMC 3943850 (freier Volltext) (Review).