MDF-Pulverbeschichtung ist ein Verfahren zur Oberflächenveredelung von MDF-Platten. Obwohl der Anteil des Verfahrens sowohl im Bereich Pulverbeschichtung (< 3 %), als auch im Bereich MDF (2 %) sehr klein ist, wird es als einer der Zukunftsmärkte für die Pulverbeschichtung gesehen. Die Lacke werden wie alle Pulverlacke gänzlich ohne Lösungsmittel hergestellt, weshalb keinerlei Beeinträchtigungen der Umwelt oder Nutzer durch Lösungsmittel bestehen. Das Verfahren wurde deshalb vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in ein Förderprogramm aufgenommen und schließlich als beste verfügbare Technik übernommen.
Entwicklung
Erste Pulverlackformulierungen für die Beschichtung von Holz und Holzwerkstoffen wurden Anfang der 1990er-Jahre entwickelt. Die erste industrielle Anwendung der Technologie erfolgt im Jahr 1994 im Unternehmen Hali Büromöbel in Österreich. In Deutschland wurde von einem süddeutschen Zulieferer und einem namhaften Büromöbelhersteller 2002 erstmals intensiv an der Etablierung pulverbeschichteter MDF-Platten gearbeitet. Neben den Pionieren des Verfahrens sind zwischenzeitlich mehrere Lohnbeschichter mit der Marktdurchdringung befasst. Die Akzeptanz der Oberfläche setzte sich im Markt nur langsam durch. Verantwortlich hierfür war in erster Linie, dass anfänglich nicht alle Schwierigkeiten hinsichtlich des Verfahrens beseitigt waren, insbesondere die Hygroskopie aller Holzwerkstoffe. Seit 2008 werden mehrheitlich Primer-Decklacksysteme zur Verhinderung der quellungsbedingten Kantenrisse eingesetzt. Ein Forschungskonsortium aus Plattenherstellern, Pulverlacklieferanten, Anlagenbauern und Pulverbeschichtungsunternehmen hat in Zusammenarbeit mit einer österreichischen Forschungsanstalt die wesentlichen Einflussfaktoren für die erfolgreiche Beschichtung von Holzwerkstoffen erforscht. Heute findet das Verfahren Anwendung in der Büromöbelindustrie für Bauteile im Laden- und Messebau, in der Küchenmöbelindustrie sowie bei Medizintechnik.
Prozess
Der Beschichtungsprozess ist grundsätzlich mit der klassischen Pulverbeschichtung vergleichbar. Dabei werden die Substratplatten an einem Kreisförderer hängend durch die einzelnen Prozessschritte geführt. Im Gegensatz zur klassischen Pulverbeschichtung verwenden Pulverbeschichtungsanlagen für Holzwerkstoffe eine Vorheizzone, die dem gleichmäßigen Erhitzen der Oberfläche dient.
Da es sich bei MDF um einen elektrischen Nichtleiter handelt, sind die Anforderungen an die Applikation höher als bei metallischen Werkstoffen. Die Leitfähigkeit des Substrates wird neben der Ausrüstung der Platten mit Leitfähigkeitsadditiven auch durch die exakte Einstellung der Plattenfeuchtigkeit gesteuert. Eine kontrollierter Vorheizprozess erhöht die Mobilität der Ladungsträger in der Platte und führt zu einer Reduzierung des elektrischen Widerstandes im Substrat. Die Schichtdicke ist eine weitere Herausforderung während der Applikation, da der thermosensible Holzwerkstoff nur für eine begrenzte Zeit erwärmt werden kann.
Für die Pulverbeschichtung von Holzsubstraten werden üblicherweise Niedertemperaturpulverlacke verwendet, die bei 110 bis etwa 150 Grad Celsius vernetzen. Das Aufschmelzen wird durch elektrisch erzeugteInfrarotstrahlung oder gaskatalytische Öfen bewerkstelligt. Dabei ist insbesondere eine homogene Temperaturverteilung auf der Oberfläche und den Substratkanten erforderlich, damit das Pulver gleichmäßig und möglichst gleichzeitig aufschmilzt. Nach dem thermischen Aufschmelzen erfolgt der Aushärtevorgang. Die Aushärtung des Pulvers wird mit UV-Strahlung oder thermisch durchgeführt. Der Vorteil der Gaskatalysatortechnik liegt in der besseren Beherrschbarkeit des Aushärteprozesses gegenüber UV-Öfen. Der Vorteile der UV-Härtung liegt darin, dass Aufschmelz- und Härtungsvorgang voneinander getrennt ablaufen. Die Verwendung elektrisch betriebener Aushärteöfen ermöglicht eine sehr feingliedrige Steuerung der einzelnen Zonen und einen effizienten Betrieb durch die kurzen Reaktionszeiten der elektrischen Komponenten. Daneben ist eine CO2-Neutralität für den Produktionsprozess einfach realisierbar.
Schwierigkeiten des Verfahrens
Größte Schwierigkeit des Verfahrens war die anfängliche die Gefahr der Rissbildung im Beschichtungsprozess (Produktionsrisse) und während des späteren Gebrauchs (Langzeitrisse). Verursacht wurden diese durch Veränderungen der Plattenfeuchte. Bei Produktionsrissen ist der oberflächlich stärkere Abtrocknungsvorgang im Ofen Grund für einen materialinternen Spannungsaufbau, der bei Platten mit inhomogenen Dichteprofilen zu einem Spannungsriss / Produktionsriss führt. Die Erhöhung des Feuchtegehalts im Werkstoff während der Nutzungsphase verursacht eine Stärkenzunahme, die zu Rissen im Lack führen kann. Seit 2008 wird diesen Effekten durch die Verwendung von Zweischichtsystemen begegnet, bei denen zunächst in einem ersten Auftrag ein flexibler und stabilisierender Primer auf Pulverlackbasis aufgebracht wird. Der Decklack eines Zweischichtsystems stellt dann die robuste Nutzschicht des Aufbaus dar. Einschichtsysteme kommen ebenfalls zur Anwendung und vereinen die Eigenschaften der beiden Schichten eines Zweischichtsystems, was Kompromisse bei den technischen Eigenschaften fordert. Der Auftrag im Einschichtsystem erfordert einen sehr glatten Untergrund, der mit herkömmlichen Methoden wie Sägen oder Fräsen nicht erzielt werden kann und somit einen Schleifprozess oder eine Bearbeitung der Kante mittels Thermoglättverfahren erfordert. Eine weitere Herausforderung stellt die Steuerung der Feuchtigkeit im Material selbst dar. Für die Applikation ist ein Mindestfeuchtegehalt von etwa 6 % erforderlich. Da dieses Wasser bei der Aushärtung wieder entweicht. Abhängig von den Aufheizrampen des Ofens in Zusammenspiel mit den Eigenschaften des Pulverlackes (Gelzeit / Hautbildung) kann es dort zu Oberflächenstörungen wie Kratern kommen. Aus diesem Grund werden derzeit keine Hochglanzsysteme für die Beschichtung von Holzwerkstoffen verwendet.
Eigenschaften
Die Pulverbeschichtung von MDF ermöglicht eine formschlüssige Substratbeschichtung ohne Kantenansätze oder Folien-/Laminatstöße. Insbesondere bei Konstruktionen mit Ausschnitten, Hinterschneidungen oder aufwändigen Kantengeometrien ist die MDF-Pulverbeschichtung dadurch vorteilhaft. Eine deutlich höhere Kratzbeständigkeit und Abriebfestigkeit empfiehlt das Verfahren gegenüber Nasslacksystemen in stark strapazierten Anwendungsbereichen. Der ausschließlich wärmebasierte Prozess verhindert Lösungsmittelemissionen in der Herstellung und der Nutzung pulverbeschichteter Bauteile (geeignet für Allergiker). Elektrisch beheizte Infrarotöfen werden zwischenzeitlich mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben, was das Verfahren CO2-neutral macht.
Literatur
- J. Pietschmann: Industrielle Pulverbeschichtung. 3. Auflage. Vieweg & Sohn Verlag, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-8348-0463-1.
Einzelnachweise
- ↑ Jim Ridge: The European Powder Coating Market. In: European Coatings Directory 2008 - Special Issue: Powder Coatings. Vincentz Network, Hannover 2007, S. 24 f. (englisch).
- ↑ Fördernehmer: Sauter GmbH in Überlingen / Baden-Württemberg – Vorhaben: Einführung eines neuartigen Pulverbeschichtungsverfahrens für temperatursensible Holzwerkstoffe und Kunststoffe. In: bmu.de. Archiviert vom am 9. Oktober 2007; abgerufen am 30. April 2019.
- ↑ Umweltinnovationsprogramm – eine Bilanz der Wirkungen. (Nicht mehr online verfügbar.) In: bmu.de. Oktober 2009, archiviert vom am 1. Dezember 2011; abgerufen am 15. November 2021.
- ↑ Beste verfügbare Techniken für die Oberflächenbehandlung unter Verwendung von organischen Lösemitteln. (PDF; 3,7 MB) Abgerufen am 5. September 2010.
- ↑ Wolfgang Sauter, Matthias Harsch, Lutz Mertins: Demonstrationsanlage zur umweltfreundlichen MDF-Pulverbeschichtung mit hohen Qualitätsanforderungen für die Möbelherstellung. (PDF; 2,1 MB) Umweltbericht der Sauter GmbH im Auftrag des Umweltbundesamtes. In: cleaner-production.de. November 2004, abgerufen am 5. November 2021.