Mainzer Eisenbahntunnel
Die beiden Tunnelröhren von Mainz Hbf aus gesehen
links: Tunnel Mainz Hauptbahnhof
rechts: Neuer Mainzer Tunnel
Maximale Neigung: 3,6 
seit September 2010
0,0 Mainz Hauptbahnhof
Tunnel Mainz Hauptbahnhof (655 m)
Neuer Mainzer Tunnel (1297 m)
Tunnel Mainz Süd (240 m)
1,8 Bahnhof Mainz Römisches Theater
seit 1935
0,0 Mainz Hauptbahnhof
nördlicher Tunnelteil (655 m) Kupferbergterrasse
ehem. Tunnelabschnitt ehem. Eisgrub
südlicher Tunnelteil (240 m) Zitadelle Mainz
1,8 Mainz Südbahnhof
seit 1884
0,0 Mainz Centralbahnhof
nördliches Portal
Alter Mainzer Tunnel (1196 m)
südliches Portal
1,8 Bahnhof Mainz-Neuthor

Die Mainzer Eisenbahntunnel ermöglichen die Einfahrt in den Mainzer Hauptbahnhof von Süden her unter dem Kästrich.

Beschreibung und Eisenbahntechnik

Die Mainzer Tunnel sind seit September 2010 eine viergleisige, elektrifizierte Anlage, sie bestehen aus insgesamt drei Einzeltunneln:

  • Tunnel Mainz Hauptbahnhof: 655 Meter
  • Tunnel Mainz Süd: 240 Meter
  • Neuer Mainzer Tunnel: 1297 Meter

Der Tunnel Mainz Hauptbahnhof (Nordportal bei 49° 59′ 53″ N,  15′ 41″ O) und der Tunnel Mainz Süd (Westportal bei 49° 59′ 39″ N,  16′ 18″ O) folgen aufeinander und befinden sich östlich bzw. nördlich vom parallel verlaufenden Neuen Mainzer Tunnel (Nordportal bei 49° 59′ 53″ N,  15′ 40″ O).

Die Tunnel Mainz Hauptbahnhof und Mainz Süd sowie der Neue Mainzer Tunnel führen die beiden zweigleisigen Strecken zwischen dem Bahnhof Mainz Römisches Theater (bis Dezember 2006: Mainz Süd) und dem Bahnhof Mainz Hbf: Die Rhein-Main-Bahn Richtung Frankfurt am Main (Streckennummer: 3520) als innere Gleise und die Bahnstrecke nach Ludwigshafen (Streckennummer: 3522) als äußere Gleise. Im Bahnhof Mainz Römisches Theater ist in beiden Fahrtrichtungen noch ein Wechsel zwischen den Strecken möglich.

Am südöstlichen Portal des Neuen Mainzer Tunnels befindet sich an beiden Gleisen ein Kilometrierungssprung zum Ausgleichen der unterschiedlichen Streckenlänge. Am inneren Gleis entspricht Kilometer 1,6+209,4 Kilometer 1,7+73,8 (Überlänge von 35,6 m), am äußeren Kilometer 1,6+211,8 Kilometer 1,7+73,9 (Überlänge von 37,9 m).

Im Neuen Mainzer Tunnel besteht ein Begegnungsverbot von Reise- und Güterzügen, das auch für Parallelfahrten gilt. In den alten Tunneln sind derartige Begegnungen nur fahrplanmäßig auszuschließen.

Im Mainzer Tunnel gibt es vier Gleise, die für den Richtungsbetrieb angeordnet sind. Die beiden äußeren Gleise werden als Rheinstrecke bezeichnet, das innere Gleispaar als Mainstrecke. Alle vier Gleise können im Gleiswechselbetrieb befahren werden.

Geschichte

Die ursprünglichen Mainzer Eisenbahnanlagen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts befanden sich am Rheinufer, eingezwängt zwischen Stadt und Fluss. Der Raum am Rheinufer war sehr begrenzt und ließ eine Erweiterung nicht zu. Im Laufe des 19. Jahrhunderts erhöhte sich das Fahrgastaufkommen ständig.

Die Interessen der Entwicklung von Bahn, Stadt und Uferbereich erforderten eine Verlegung der Anlagen. Stadtbaumeister Eduard Kreyßig schlug 1873 vor, den Bahnhof auf die Westseite der Stadt zu verlegen.

Bau des alten Mainzer Tunnels

Um das Projekt am vorgesehenen Ort zu realisieren, mussten die Zufahrtsgleise in einem großen Bogen westlich um die Stadt geführt werden. Dazu war auch ein 1196 Meter langer Tunnel unter der Zitadelle erforderlich. Er wurde 1876 begonnen und 1884 zusammen mit dem neuen Centralbahnhof in Betrieb genommen. Diese ursprüngliche Anlage wurde über fünf Rauchschächte entlüftet.

Teilung des alten Mainzer Tunnels

Der Tunnel Mainz Hauptbahnhof und der Tunnel Mainz Süd sind die Reste des 1876–1884 gebauten durchgehenden Tunnels, der 1932 bis 1935 im Bereich Eisgrub auf einer Länge von 300 Metern „geschlitzt“, also zur Oberfläche hin geöffnet wurde. Aus dem knapp 1,2 Kilometer langen Tunnel wurden zwei kurze Tunnel.

Möglich wurde das, weil die Festung Mainz am 18. März 1904 durch eine Kaiserliche Kabinettsordre aufgelassen worden war und in der Folge die militärischen Anlagen, die sich über dem Tunnel befanden und in den 1880er Jahren eine entsprechende bauliche Lösung verhindert hatten, aufgegeben worden waren.

Erforderlich erschien die Maßnahme, weil bei einer Frequenz von etwa 240 Durchfahrten von Dampflokomotiven pro Tag das ursprüngliche Entlüftungssystem nicht mehr ausreichte. Diese Rauchgasbelastung war nicht nur für Reisende und Personal äußerst lästig, sondern schädigte auch Oberbau und Mauerwerk des Tunnels erheblich. Das Problem spielte auch bei dem Eisenbahnunfall von Mainz 1924 eine Rolle.

Am 19. Juli 1932 wurde mit den Arbeiten begonnen. Ab 2. Oktober 1932 fand eine nächtliche Teilsperrung mit umfangreichen Umleitungen im Zugverkehr statt. Die Baugrube war 29 Meter tief. 350.000 Kubikmeter Aushub wurden entnommen. Der Aushub der Schlitzung wurde zum Rodelberg bei der heutigen Berliner Siedlung in Mainz-Oberstadt. Auch die alten Entlüftungsschächte konnten nun aufgegeben werden. Bei den Arbeiten wurde ein römisches Militärbad aus der Zeit von 70 n. Chr. entdeckt. Des Weiteren wurde an dem Einschnitt eine Bergungszufahrt für die Feuerwehr und eine Treppenanlage für die Selbstrettung eingerichtet. Das Projekt kostete 2 Mio. Reichsmark. Im April 1934 waren die Arbeiten beendet.

1934 wurde angeordnet, dass bei der Tunneldurchfahrt von Schnell- und Eilzügen, die mit elektrischer Beleuchtung ausgestattet waren, diese auch einzuschalten sei.

Bau des neuen Mainzer Tunnels

Das bereits in den 1980er Jahren geplante Vorhaben war Teil der im Bundesverkehrswegeplan 1985 vorgesehenen Ausbaustrecke Mainz–Mannheim, mit der unter im Zuge der Anbindung Wiesbadens an die Neubaustrecke Köln–Rhein/Main erwarteten Mehrverkehr abgefahren werden sollten. Um 1990 wurde mit der Fertigstellung des Neuen Mainzer Tunnels für 1996 gerechnet.

Der Neue Mainzer Tunnel wurde ab 1998 parallel zu den bestehenden Tunneln angelegt, um den betrieblichen Engpass zwischen Mainz Süd und Mainz Hauptbahnhof zu beseitigen, der darin bestand, dass sich bis dahin die beiden aus südlicher und östlicher Richtung auf das südliche Tunnelportal zuführenden zweigleisigen Hauptstrecken am westlichen Bahnhofsende von Mainz Süd auf zwei Gleise beschränken mussten.

Die im Sommer 1998 begonnenen Bauarbeiten sollten 2001 abgeschlossen und 85 Millionen DM kosten (nach heutigem Geldwert etwa 63 Millionen Euro), die vom Bund getragen werden sollten. Aufgrund der Lage im Stadtgebiet wurden die rund 170.000 Kubikmeter Ausbruchsmassen im Baggervortrieb, ohne Sprengungen, ausgebrochen. Der Tunnelanschlag war am 7. Juli 1998 gefeiert worden. Die Tunnelpatenschaft hatte Gudrun Beutel, die Ehefrau von Jens Beutel, damals Mainzer Oberbürgermeister, übernommen. Während der Bauphase trug die Röhre dementsprechend den Namen Gudrun-Tunnel.

Am 25. Mai 2000 wurde der Durchschlag gefeiert. Insgesamt 75 Mineure trieben den Tunnel in Spritzbetonbauweise vor. Rund 170.000 Kubikmeter Überschussmassen wurden auf der Schiene abtransportiert. Der Innenausbau (Feste Fahrbahn, Schienen, Oberleitung, Leit- und Sicherheitstechnik u. a.) fertiggestellten Röhre erfolgte 2002. Der Tunnel wurde 2004 in Betrieb genommen. In Höhe des Eisgrubdurchbruchs für den Alten Mainzer Tunnel befindet sich ein Notausgang bzw. ein Rettungszugang Lage.

Die erhöhte Leistungsfähigkeit wurde unter anderem auch daher benötigt, da 2016 der Gotthard-Basistunnel in der Schweiz eröffnet wurde und sich der Güterverkehr zwischen Nordsee und Mittelmeer auf 40 Millionen Tonnen nahezu verdoppeln soll.

Sanierung der alten Tunnel

Seit dem Frühjahr 2007 waren die Gleisanlagen für den alleinigen Betrieb des Neuen Mainzer Tunnels umgebaut, da der Tunnel Mainz Hauptbahnhof und der Tunnel Mainz Süd sowie das verbindende Zwischenstück saniert werden mussten. Die zeitweilige Außerbetriebnahme der Tunnel Mainz Hauptbahnhof und Tunnel Mainz Süd fand Mitte April 2007 statt.

Im Zuge der Arbeiten wurde der Querschnitt von 42 auf 74 Quadratmeter aufgeweitet.

Im Frühjahr 2009 waren die beiden Tunnel im Rohbau fertiggestellt, danach begann der Einbau der Gleise sowie der Signal- und Sicherungseinrichtungen. Die beiden alten Mainzer Tunnel verfügen nun über eine feste Fahrbahn, und zwischen den Gleisen Platten, um die Tunnel auch mit Straßenfahrzeugen, zu Revisions- und Rettungszwecken, befahren zu können.

Am 30. August 2010 wurde der Tunnel, zunächst mit einem Gleis, in Betrieb genommen. Das zweite Gleis folgte am 6. September 2010. Der sanierte alte Tunnel wird nun als Tunnel Mainz Hauptbahnhof bezeichnet, der neue Tunnel unverändert als Neuer Mainzer Tunnel. Insgesamt wurden rund 70 Millionen Euro investiert.

Die nun viergleisige Streckenführung führt für die linke Rheinstrecke auch zu einer Entlastung des Güterverkehrs auf der Umgehungsbahn Mainz, da die meisten Güterzüge bisher den Tunnel meiden mussten. Die Güterzüge können jetzt direkt von der linken Rheinstrecke (später auch höhenfrei von der rechten Rheinstrecke) auf die Bahnstrecke Mainz–Ludwigshafen wechseln.

Besonderheiten

Bei den Baumaßnahmen zur Sicherung des Berges vor dem Ausbruch des größeren Profiles wurde in der Außenmauer der Zitadelle ein zugemauerter Gang entdeckt, der bislang unbekannt war. Dort sollte ein Anker zur Sicherung eingebracht werden, stattdessen tat sich ein Hohlraum auf. Während des Ausbruches des Tunnels wurde dieser Gang komplett mit Material verfüllt, damit durch das Auspressen des Gebirges zur Stabilisierung hier keine Schäden entstehen konnten. Nachdem der Tunnel im Rohbau fertiggestellt war, wurde die Füllung aus den Gängen wieder entfernt, um diese weiter untersuchen zu können.

In der damals für den Fahrzeugverkehr gesperrten Windmühlenstraße oberhalb des Tunnels beträgt die Überdeckung weniger als zwei Meter, dort konnte man in der aufgebrochenen Straße noch die Reste der Bewehrung erkennen, die im Zuge des Ausbruchs des Tunnels zur Sicherung des Gebirges im oberen Bereich des Tunnelsquerschnittes eingebracht wurde. Auf Grund dieser geringen Überdeckung waren auch besondere Überwachungsmaßnahmen für die Häuser, die sich unmittelbar über oder neben dem Tunnel befanden, notwendig.

Bau zweier Rettungsstollen

Im September 2015 wurde mit dem Bau zweier Rettungsstollen begonnen, die 14 Monate später in Betrieb genommen wurden. In die Maßnahme wurden rund fünf Millionen Euro investiert.

Unfälle

Am 1. Oktober 1924 hatte der Schnellzug D 670 im Tunnel eine Zwangsbremsung erhalten. Der nachfolgende P 682 fuhr auf den stehenden Zug auf. 14 Menschen starben, weitere wurden verletzt. Ursache für den Unfall war die Betriebsabwicklung durch den Regiebetrieb, der Streckenblock war nicht in Betrieb, und es wurde kein Rückmeldeverfahren durchgeführt.

Literatur

  • NN: Längsschnitt durch den Tunnel. [Kolorierte Tuschezeichnung, 139 × 41,5 cm, Maßstab 1:1000 (Länge), (Höhe) 1:100, mit geologischer Profilaufnahme des Tunnelschnitts]. Stadtarchiv Mainz, Signatur: BPSP / 3114 D.
  • Otto Westermann: Junge Eisenbahn im 2000-jährigen goldenen Mainz. Aus guten und bösen Tagen der Mainzer Eisenbahn. Bundesbahndirektion Mainz, Mainz o. J. [nach 1962].
Commons: Mainzer Eisenbahntunnel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. NN: Längsschnitt durch den Tunnel.
  2. Michael Claus: Regionale Zusätze der Betriebszentralen der DB Netz AG zur Richtlinienfamilie 420. (PDF) In: fahrweg.dbnetze.com. DB Netz, 12. Dezember 2021, S. 61 (PDF), abgerufen am 10. Dezember 2021.
  3. NN: Längsschnitt durch den Tunnel.
  4. Heinrich Gassner: Zur Geschichte der Festung Mainz. 1904, S. 20.
  5. Westermann, S. 53.
  6. Westermann, S. 53.
  7. Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Hrsg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion Mainz vom 1. Oktober 1932, Nr. 40. Bekanntmachung Nr. 628, S. 250.
  8. Westermann, S. 53.
  9. Rosel Spaniol: Frühe Eisenbahnanlagen in Mainz (einst und jetzt). Ein Beitrag zur Stadtgeschichte und -archäologie. In: Eisenbahnen und Museen. 2. Auflage. Band 24. Karlsruhe 1981, ISBN 3-921700-37-X, S. 40 f.
  10. Westermann, S. 53.
  11. Westermann, S. 53.
  12. Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Hrsg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion Mainz vom 7. April 1934, Nr. 17. Bekanntmachung Nr. 207, S. 70.
  13. Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Hrsg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion Mainz vom 24. März 1934, Nr. 15. Bekanntmachung Nr. 168, S. 60.
  14. Jürgen Grübmeier, Helmut Wegel: Bundesverkehrswegeplan 1985. In: Eisenbahntechnische Rundschau. Nr. 1/2, 1986, ISSN 0013-2845, S. 45–55.
  15. Rüdiger Block: ICE-Rennbahn: Die Neubaustrecken. In: Eisenbahn-Kurier Special. Hochgeschwindigkeitsverkehr. Nr. 21, 1991, S. 36–45.
  16. Meldung Neuer Tunnel für Mainz. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 9, 1998, ISSN 1421-2811, S. 343.
  17. Tunneldurchstich in Mainz. In: Eisenbahn-Revue International. Heft 7/2000, Juli 2000, ISSN 1421-2811, S. 290.
  18. Michael Erfurth: FH-Professor: Fertigstellung des Gotthard-Basistunnels hat Konsequenzen für Bahnlärm in Mainz. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Allgemeine Zeitung. 16. Juli 2012, archiviert vom Original am 11. November 2012; abgerufen am 20. Dezember 2017.
  19. 1 2 Alter Mainzer Tunnel fast fertig - Der erste Zug fährt am 30. August durch. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Allgemeine Zeitung. 19. August 2010, archiviert vom Original am 22. August 2010; abgerufen am 20. Dezember 2017.
  20. DB Netze: Alte Mainzer Tunnel – Historische Bauwerke komplett erneuert, Stand: August 2010.
  21. Gleise am Nordkopf sollen umgebaut werden. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Allgemeine Zeitung. 16. November 2009, ehemals im Original; abgerufen am 16. November 2009. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven.)
  22. Broschüre "Neuer Mainzer Tunnel" von KuK (Memento vom 29. September 2011 im Internet Archive) (PDF; 7,4 MiB).
  23. René Hallbauer, Theresa Jansen: Zwei neue Rettungsstollen für den Mainzer Tunnel. In: DB Netz AG (Hrsg.): Infrastrukturprojekte 2018. Bauen bei der Deutschen Bahn. PMC Media House, Hamburg 2018, ISBN 978-3-96245-163-9, S. 184–189.
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