Maria Francesca Rossetti (* 17. Februar 1827 in London; † 24. November 1876 ebenda) war eine britische Autorin im viktorianischen Zeitalter und Ordensschwester des von Harriet Brownlow Byron 1851 in London gegründeten ersten anglikanischen Ordens der „All Saints Sisters of the Poor“.

Leben

Ihr Vater, Gabriele Rossetti, war ein Flüchtling aus Neapel, der in England politisches Asyl gefunden hatte, und ihre Mutter, Frances Mary Lavinia Polidori, war die Tochter von Gaetano Polidori. Maria war die Älteste den von vier Geschwistern Dante Gabriel (1828–1882), William Michael (1829–1919) und Christina Georgina (1830–1894). In einem Haushalt von außergewöhnlich begabten Kindern, alle innerhalb von vier Jahren geboren, wurde Maria immer von ihren Eltern und Geschwistern als „der hellste Funke“ angesehen. Doch sie ist die am wenigsten bekannte der Rossettis, obwohl sie wie ihre Schwester und ihre Brüder eine veröffentlichte Autorin zu mehreren ganz unterschiedlichen Themen war.

Maria war ein unscheinbares Kind mit rundem Gesicht und erhielt von ihrer hübschen, jüngeren Schwester Christina den eher unfreundlichen Spitznamen „Mondgesicht“ (Moony). Ihr Vater nannte sie gewöhnlich „ingegnosa Maria“, die „kluge Maria“. Als sie zehn Jahre alt war, hatte sie bereits eine Leidenschaft zu den Werken von Homer entwickelt und dürstete nach mehr Wissen. Obwohl ihre Mutter viel besser als die meisten Frauen ihrer Generation erzogen worden und eine erfahrenere Lehrerin war, die ihre Töchter zu Hause unterrichtete, hatte sie keinen Zugang zu Latein und Griechisch. Maria war jedoch in der Lage Italienisch zu studieren, das sie später auf einem hohen Niveau unterrichtete, unter der Aufsicht von ihrem Großvater Gaetano Polidori. Für eine Weile versuchte sie im Alleingang, die Klassiker durch einen improvisierten Fernkurs mit Hilfe ihrer Brüder zu meistern, die die Schule besuchten. Sie konnte dies über ihre Jugendzeit hinaus nicht durchhalten und widmete sich mit ihrer beachtlichen intellektuellen Energie religiöser Hingabe.

Mit ihrer Mutter und Christina entdeckte Maria um 1843 eine neue Bewegung in der Anglikanischen Kirche. Durch die Teilnahme an Gottesdiensten der Christus-Kirche in der Albany Street, wo der charismatische Pfarrer William Dodsworth amtierte, der in der am Anfang stehenden Oxford-Bewegung sehr beliebt war, fanden Maria und Christina ihre Aufgabe für den Rest ihres Lebens.

Als 1848 die Präraffaelitesche Brüderschaft unter der Führung von Dante Gabriel Rossetti entstanden war, kam Maria in regelmäßigem Kontakt mit den „Brüdern“, die sich oft in einem der oberen Zimmer in der Charlotte Street trafen. Wie ihre Mutter und Christina war auch Maria von all dem amüsiert. Obwohl sie kurzes Interesse zunächst an Charles Allston Collins, dem Bruder von Wilkie Collins, dem Romancier, und danach an John Ruskin zeigte, nach der Aufhebung von dessen Ehe, entwickelte sich daraus keine Beziehung und Maria blieb ledig.

Mit siebzehn trat Maria eine Stelle als Erzieherin bei Gertrude Thynne, einer Nichte von Lady Bath, an. Durch die Krankheit des Vaters musste auch sie zum Unterhalt der Familie beitragen. Sie war nicht gern von zu Hause fort. Ein Jahr später nahm sie einen ähnlichen Stelle bei der Familie Read an. Am 26. April 1854 verstarb der Vater Gabriele.

Über viele Jahre gab sie zu Hause privaten italienischen und anderen Unterricht. Dabei entwickelte ihr eigenes System für das Erlernen der italienischen Sprache. Ihre beiden Lehrbücher Exercises in Idiomatic Italian und Aneddoti italiani wurden im Jahre 1866 veröffentlicht.

Sie war fast vollständig verantwortlich für die Ausbildung der damals zehnjährigen Lucy Brown, der Tochter des Künstlers Ford Madox Brown. Lucy heiratete 1874 Marias Bruder William. Nach Williams Schätzung, verdiente Maria in der Mitte der 1860er Jahre über £ 100 pro Jahr durch ihren Unterricht.

Im Jahr 1860 wurde sie Novizin der „All Saints Sisterhood“, Margaret Street, dem ersten anglikanischen Orden, der 1851 von Pfarrer Upton Richards und Harriet Brownlow Byron gegründeten worden war. Als Novizin konnte sie weiterhin bei ihrer Familie wohnen.

Immer talentiert und glücklich in der praktischen Anwendung ihres unerschütterlichen Glauben, nahm sie eine aktive Rolle in der Seelsorge ein. Maria gab Bibelstunden in der Christ Church, und die „Society for Promoting Christian Knowledge“ (Gesellschaft zur Verbreitung christl. Glaubens) SPCK veröffentlichte ihre „Briefe an meine Bibel Klasse“ im Jahre 1872, obwohl sie früher geschrieben wurden.

Als Gelehrte veröffentlichte Maria 1871 ihr Buch A Shadow of Dante, einen Ratgeber zum Studium von Dante Alighieris Werke, der für die breite Öffentlichkeit vorgesehen war. Sie widmete es ihrem Vater Gabriele. Das Buch enthält einführende Kapitel, um die Struktur des Gedichts und auch der einzelnen Lobgesänge zu erklären, gefolgt von einer kommentierten Anthologie, die größere Auszüge der Verse enthält. Die Göttliche Komödie schildert Dantes Reise durch die Hölle (Inferno), zum Läuterungsberg (Purgatorio), bis hin ins Paradies (Paradiso). Maria zog es vor, die Passagen aus der Vita nuova selbst zu übersetzen als auf Dante Gabriels freiere und bereits berühmte Übersetzung zurückzugreifen. In einem Brief beschrieb Dante Gabriel Marias Buch als „ein zusammengefasster und am gründlichsten ausgeführter Überblick“. Sogar der amerikanische Herausgeber James Russell Lowell (1819–1891) lobte ihr Buch als „bei weitem der besten Kommentar, der in englischer Sprache erschienen ist“. Es wird auch heute noch als eine der besten verfügbaren Einführungen in Dantes Werke angesehen.

Beide agnostischen Brüder bedauerten die Verschwendung von Marias beeindruckendem akademischen Talent, das sie nun guten Werken und der Religion widmete. Dante Gabriel behauptete später einmal, dass „sie vielleicht uns alle übertroffen hätte“. Für seine Übersetzungen holte er gerne Marias Rat in stilistischen Fragen ein.

Maria übte einen starken Einfluss mit ihrer unerschütterlichen Kraft, die sie aus der Religion schöpfte, auf Christina aus, so dass die jüngere Schwester sich oft schwach und unzulänglich fühlte. Christina schien nie die Lebensfreude im Glauben erreichen, von der Maria sprudelte. Es war eine halb zweifelnde, halb amüsierte Christina, die in einer quasi-komischen Anekdote erzählte, dass Maria Angst hatte den Mumie Raum im British Museum zu besuchen, falls der Tag des Jüngsten Gerichts unerwartet kommen sollte und bewirken könnte, dass die Mumien zum Leben zu erwachten.

Die herzliche Beziehung zwischen den beiden Schwestern Lizzie und Laura in Christinas berühmtem Gedicht Goblin Market (1862) wird als Darstellung der Nähe von Christina und Maria interpretiert. Sie hatte es Maria gewidmet.

Im Juli 1873 Maria gab ihre lange verzögerte Entscheidung, der „All Saints Sisterhood“ als Vollmitglied beizutreten. Williams Eheschließung stand unmittelbar bevor, so waren häusliche Veränderungen unvermeidlich. Auch waren bei Maria die ersten Symptome von Krebs bereits bekannt: wenn sie nicht jetzt diesen Schritt macht, würde es bald zu spät sein. 1875 bis 1876 verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand und sie hielt sich mehrmals im Krankenhaus der Schwesternschaft in Eastbourne auf.

Maria Rossetti starb am 24. November 1876 im Haus Schwesternschaft in der Margaret Street und wurde auf für das Kloster reservierten Teil des Brompton Friedhofs bestattet.

Veröffentlichungen

Literatur

  • The family letters of Christina Georgina Rossetti. Edited by William M. Rossetti. Publisher: Brown, Langham & Co., London 1908
  • “Some Reminiscences” of William Michael Rossetti. Vol. II. Publisher: Charles Scribner’s & Son, New York 1906

Quellenangabe

Einzelnachweise

  1. J. R. Howard Roberts, Walter H. Godfrey (Hrsg.): Christchurch, Albany Street. In: Survey of London: volume 21: The parish of St Pancras part 3: Tottenham Court Road & neighbourhood. London, 1949, S. 150–152, abgerufen am 29. Dezember 2019 (englisch).
  2. Religious Orders: All Saints Sisters of the Poor. In: Ss Mary & John Churchyard. Abgerufen am 29. Dezember 2019 (englisch).
  3. Poems and Translations by Dante Gabriel Rossetti: Including Dante’s La Vita Nuova and the Early Italian Poets. Kessinger Pub Co, 2006, ISBN 978-1-4286-1875-6.
  4. Christina Rossetti’s “Goblin Market”. In: Victorian Web. 8. Mai 2009, abgerufen am 29. Dezember 2019 (englisch).
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