Marie Elisabeth Leonie Gertrud Paula Gräfin zu Stolberg-Stolberg (* 12. November 1912 in Ascherode; † 16. November 1944 in Düren) war eine Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus und Judenhelferin.

Familie

Sie war die Tochter von Joseph Oskar Franziskus Antonius Hubertus Maria, Graf zu Stolberg-Stolberg, Herr von Ascherode, Borlinghausen und Puth (Voerendaal) (* 1874 Kasteel Neubourg bei Gulpen, Niederlande; † 1956 Gulpen) und Theresia, Freiin von Ketteler (* 1890 in Thüle; † 1973 Schaan, Liechtenstein). Die Gräfin starb bei dem großen Luftangriff auf Düren.

Judenhilfe

Sie war um 1940 von Thüringen ins Rheinland gezogen und hatte in Düren eine Weberei gegründet. Diese befand sich in den ehemaligen Klosterräumen neben der Kapuzinerkirche auf dem Altenteich. Die Gebäude wurden im Jahr 1944 durch feindliche Bombenabwürfe zerstört, heute steht hier das Stiftische Gymnasium Düren. Von 1940 bis 1944 versteckte die Gräfin bei sich eine Jüdin.

Zeugenschaft von Leonhard Meurer

Über diese Judenhilfe berichtete 1989 der katholische Pfarrer Leonhard Meurer aus Brüggen bei Kerpen:

Auf unsere Anfrage an alle Priester und Pfarrer in der Region, die die Jahre 1933–1945 im aktiven Dienst erlebt haben, ob sie uns von eigenen und fremden, ihnen bekannten, zu Ohren gekommenen Hilfeleistungen berichten können, erhalten wir sehr wenige Antworten. Eine dieser wenigen wird im folgenden dokumentiert:

Kerpen-Brüggen, den 15. September 1989 Sehr geehrter Confrater [gemeint ist der Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit], soeben habe ich Zeit, Ihnen gleich zu antworten: Ich selbst hatte keine Gelegenheit, verfolgten Juden zu helfen. Aber ich möchte Sie hinweisen auf eine mir damals gut bekannte Gräfin (Maria) Stolberg zu Stolberg, etwa geb. 1910. Sie war aus Thüringen von Burg Stolberg in den Westen gekommen und hatte in (meiner Heimatstadt) Düren eine eigene Weberei begonnen in den ehemaligen Klosterräumen neben der Kapuzinerkirche auf dem Altenteich (damals Berufsschule). Gräfin Stolberg hatte von 1940-44 längere Zeit eine Jüdin unter falschen Angaben bei sich aufgenommen – die aber wohl etwas verhaltensgestört war und zu unvorsichtig, so daß mit ihrer Entdeckung gerechnet werden mußte. Ihre (wahrlich kühne) Schirmfrau Gräfin Stolberg fragte mich – wohl 1944 –, ob ich die jüngere Frau eine Zeit bei mir auf dem Dorf Anrath bei Krefeld unterbringen könnte – was ich zusagte. Ich habe sie aber dann nicht mehr gesehen, sie kam nicht. Und die Gräfin blieb am 16.11.1944 unter den (20000?) Toten von Düren.

Ihr Leonhard Meurer Pfr. i. R.

Zeugenschaft von Joseph Emonds

Die Gräfin hat in der NS-Zeit im Rheinland eine Gruppe geleitet, die Juden versteckte. Am 20. Juli 1961 sprach der Pfarrer Joseph Emonds in dem ZDF-Film Der 20. Juli von einem

Ring von Menschen aus der Jugendbewegung, geleitet von der Gräfin Westfalens, die verfolgte jüdische Mitbürger ihren Freunden zuschickte, damit sie versteckt wurden.

Bei der Gräfin Westfalens handelt es sich um Marie Elisabeth Leonie Gertrud Paula Gräfin zu Stolberg-Stolberg.

Zeugenschaft von Anna Schürkes

Frau A. (Anna) Schürkes (1883–1971), die damalige Haushälterin von Pfarrer Emonds berichtete,

daß die gesamte Organisation in den Händen einer Gräfin in Düren oder Jülich gelegen habe, als diese bei einem Bombenangriff umkam, hat Joseph Emonds die Initiative ergriffen.,

Einzelnachweise

  1. http://www.rhein-erft-geschichte.de/totenzettel/bilder/TS27310_b.jpg
  2. 1940 (Memento vom 21. Januar 2015 im Internet Archive)
  3. Das ZDF sendete den Film Der 20. Juli von Alf Werner Apel am 20. Juli 1961 in der Reihe Prisma des Westens. Der Film wurde vom WDR am 20. Juli 1964 unter dem Titel Von der Gestapo gejagt wiederholt.
  4. Günter Goebels: Hilde und Mathias Barz auf der Flucht vor der Gestapo. in http://www.hans-dieter-arntz.de/hilde_und_mathias_barz.html
  5. http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/persoenlichkeiten/E/Seiten/JosephEmonds.aspx
  6. Grabstein Friedhof Venrath
  7. H.-Dieter Arntz: Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet. Euskirchen 1990, S. 714
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