Martin von Troppau O. P. (lateinisch Martinus Oppaviensis, später auch Martinus Polonus; tschechisch Martin z Opavy, auch Martin Opavský; * um 1220/1230, vermutlich in Troppau, Provinz Troppau, Markgrafschaft Mähren; † nach dem 22. Juni 1278 in Bologna), war Dominikaner, apostolischer Pönitentiar sowie als Chronist Verfasser der meistbenutzten lateinischen Chronik des Mittelalters. 1278 war er Elekt von Gnesen.
Leben
Martin, der in einigen Handschriften als „gebürtig aus dem Königreich Böhmen aus dem Land Troppau“ (De regno Boemie oriendus patria Oppaviensis) bezeichnet wird, trat dem Dominikanerkloster St. Clemens in der Prager Altstadt bei. Nach abgeschlossener theologischer Ausbildung wurde er in Prag zum Priester geweiht. Obwohl er erst 1261 urkundlich in Rom belegt ist, hielt er sich dort vermutlich schon während des Pontifikats Alexanders IV. auf. Nach seinem Aufstieg als Beamter der Kurie bezeichnete er sich selbst als „Predigerbruder Martin, päpstlicher Pönitentiar und Kaplan“ (Frater Martinus ordinis Predicatorum, domni pape penitentiarius et capellanus). 1278 wurde Martin von Troppau von Papst Nikolaus III. auf den vakanten Erzbischofstuhl von Gnesen berufen. Allerdings starb er auf der Reise dorthin, noch bevor er Italien verlassen hatte.
Erst im 14. Jahrhundert ist sein latinisierter Beiname Martinus Polonus belegt. Er leitet sich entweder davon ab, dass das Prager Clemenskloster zur polnischen Ordensprovinz gehörte oder aber, weil er Elekt von Gnesen war.
In seiner Papstliste von 1277 erwähnt Martin von Troppau die legendarische „Päpstin Johanna“.
Werke
- Chronicon pontificum et imperatorum; eine Universalgeschichte der Päpste und Kaiser bis Papst Nikolaus III., die fast in alle abendländischen Volkssprachen, aber auch ins Persische und Armenische übersetzt wurde.
- Tabula Martiniana Decreti; eine Sammlung zum Kirchenrecht
- Sermones de tempore, de sanctis; eine Sammlung homiletischer Mustervorlagen
- Sermones de tempore et de sanctis. Johann Grüninger, Strassburg 1488 (Digitalisat)
- Chronicon pontificum et imperatorum Neu-Edition der Papst- und Kaiserchronik bei Monumenta Germaniae Historica (MGH), herausgegeben von Anna-Dorothee von den Brincken; gilt als die einflussreichste Quelle für die Legende um die Päpstin Johanna, die dort zum ersten Mal erwähnt wurde.
- Margarita Decreti seu Tabula Martiniana. Speyer um 1485 (Digitalisat)
- Margarita decreti. Handschrift 15. Jh. (Digitalisat)
Literatur
- Anna-Dorothee von den Brincken: Martin von Troppau O. P. als Graphiker des Geschichtsablaufs. In: Die Anfänge des Schrifttums in Oberschlesien bis zum Frühhumanismus. Hrsg. von Gerhard Kosellek, Frankfurt/Main [u. a.] 1997, ISBN 3-631-32750-1, S. 211–224.
- Dies.: Martin von Troppau (Martinus Polonus). In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 6, 1986, Sp. 158–166.
- Dies.: Studien zur Überlieferung der Chronik des Martin von Troppau – Erfahrungen mit einem massenhaft überlieferten historischen Text. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 41 (1985), S. 460–531.
- Anna-Dorothee von den Brincken: Martin of Opava. In: Graeme Dunphy (Hrsg.): Encyclopedia of the Medieval Chronicle. Band 1. Brill, Leiden / Boston 2010, ISBN 978-90-04-18464-0, S. 1085–1088 (englisch).
- Ludwig Weiland (Hrsg.): Martini Oppaviensis chronicon pontificum et imperatorum. MGH SS 22 (1872), S. 377–475 Faksimile bei Gallica
- H. Daniel Embree (Hrsg.): The Chronicles of Rome. An Edition of the Middle English The Chronicle of Popes and Emperors and The Lollard Chronicle. Woodbridge 1999.
- Wolfgang-Valentin Ikas: Martinus Polonus’ Chronicle of the Popes and Emperors: a Medieval Bestseller and its Neglected Influence on English Medieval Chroniclers. In: The English Historical Review 116 (2001), S. 327–341
- Wolfgang-Valentin Ikas: Neue Handschriftenfunde zum Chronicon pontificum et imperatorum des Martin von Troppau. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 58 (2002), S. 521–537
- Wolfgang-Valentin Ikas: Martin von Troppau (Martinus Polonus), O.P. (gest. 1278) in England. Überlieferungs- und wirkungsgeschichtliche Studien zu dessen Papst- und Kaiserchronik. (Wissensliteratur im Mittelalter 40) Wiesbaden: Verlag Dr. Ludwig Reichert 2002. ISBN 3-89500-313-1 Rezension
- Wolfgang-Valentin Ikas (Hrsg.): Fortsetzungen zur Papst- und Kaiserchronik Martins von Troppau aus England. (Monumenta Germaniae Historica : Scriptores rerum Germanicarum. Nova series ; 19) Hannover: Hahn 2004.
- Birgit Studt: Martin von Troppau. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 16, Duncker & Humblot, Berlin 1990, ISBN 3-428-00197-4, S. 279 f. (Digitalisat).
- Wilhelm Wattenbach: Martin von Troppau. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 20, Duncker & Humblot, Leipzig 1884, S. 483.
- Dieter Berg: Martin von Troppau. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 5, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-043-3, Sp. 923–926.
Weblinks
- Martinus Oppaviensis im Repertorium „Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters“
- Ausgabe dieser Übersetzung, 1858
- Information über eine französische Dissertation zum Promptuarium Exemplorum
- wdr.de/... – WDR ZeitZeichen: Martin von Troppau, Chronist (Todestag 12. Juni 1278) vom 12. Juni 2018 (15 Min. Podcast) [Über mittelalterlichen Schreibstil von Wissenslücken und kreativen füllen von Troppau]
Einzelnachweise
- ↑ Anmerkung: ... trat dem Dominikanerkloster St. Clemens in der Prager Altstadt bei, kann so nicht stimmen, das Clementinum war ein Jesuitenkolleg, Dominikaner waren dort nicht.
- ↑ Heiligenlexikon