Klassifikation nach ICD-10
D72.0 Genetisch bedingte Leukozytenanomalien
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die May-Hegglin-Anomalie (MHA) ist eine sehr seltene autosomal-dominante Erbkrankheit, bei der die Blutplättchen verändert sind. Sie wird durch eine Mutation des MYH9-Gens verursacht. Die May-Heggelin-Anomalie gehört zusammen mit dem Sebastian-Syndrom, dem Fechtner-Syndrom und dem Epstein-Syndrom zur Gruppe der MYH9-assoziierten Erkrankungen. Die MHA ist von diesen ausgesprochen seltenen Erkrankungen die häufigste Form.

Ursache und Genetik

Die Ursache der MHA ist eine Punktmutation des MYH9-Gens, das sich beim Menschen auf Chromosom 22 Genlocus q11.2 befindet.

Das Gen kodiert für die schwere Kette eines Nicht-Muskel-Myosins Typ IIA (NMMHC-IIA). Dieses Protein wird in einigen Blutzellen, unter anderem in Granulozyten und Thrombozyten, in der Hörschnecke (Cochlea) und in den Nieren exprimiert. Die Mutation bewirkt offensichtlich eine Konformationsänderung im Kopf des NMMHC-IIA-Proteins. Die Folge davon ist eine Störung der Aggregation des Proteins zu Döhle-Körperchen, was eine fehlerhafte Organisation des Zytoskeletts in den Megakaryozyten, den Vorläuferzellen der Thrombozyten bewirkt. Dies ist die Ursache für die Makrothrombozytopenie, die sich durch einen Mangel an Thrombozyten (eine sogenannte Thrombozytopenie) und übergroßen Thrombozyten mit Leukozyteneinschlüssen manifestiert. Die Größe der Thrombozyten kann dabei die von Erythrozyten sogar übertreffen.

Symptome und Diagnose

MHA-Patienten weisen einen Mangel an Thrombozyten (Thrombozytopenie), sowie zusätzlich eine Funktionsstörung der Thrombozyten (Thrombozytopathie) auf. Die vorhandenen Thrombozyten sind erheblich größer als bei nicht betroffenen Menschen (Makrothrombozytopenie).

Im Gegensatz zum Epstein- und Fechtner-Syndrom entwickeln die Patienten keinen Hörverlust und keine Glomerulonephritis.

Therapie

Die Therapie erfolgt im Wesentlichen symptomatisch. Vor Operationen ist unter Umständen eine Thrombozytentransfusion notwendig.

Epidemiologie und Prävalenz

Aufgrund der Seltenheit der May-Hegglin-Anomalie sind keine gesicherten Daten bezüglich der Epidemiologie und der Prävalenz verfügbar. Die Prävalenz wird auf 1:500.000 geschätzt.

Prognose

Die meisten Patienten haben eine normale Lebenserwartung.

Entdeckung

Die May-Heggelin-Anomalie wurde erstmals 1909 von dem Münchner Internist Richard May (1863–1937) bei einer 24 Jahre alten Patientin beschrieben. Er fand in ihrem peripheren Blut Einschlüsse in den Leukozyten. 1945 berichtete der Schweizer Internist Robert Hegglin (1907–1969) von Riesenthrombozyten mit Thrombozytopenie und Einschlüssen in Leukozyten bei zwei Generationen einer Familie.

Einzelnachweise

  1. ICD-Code: D70-D77 Sonstige Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe.
  2. M. Picu u. a.: An 8-Year-Old Girl With Thrombocytopenia. In: Archives of Pathology & Laboratory Medicine. Band 129, 2005, S. 214–217. PMID 16329740.
  3. UCSC Genome Browser on Human Mar. 2006 Assembly: chr22:35,007,273-35,113,958
  4. genome.ucsc.edu: Human Gene MYH9 (uc003apg.1) Description and Page Index
  5. J. A. Martignetti u. a.: The gene for May-Hegglin anomaly localizes to a <1-Mb region on chromosome 22q12.3-13.1. In: Am J Hum Genet. 66/2000, S. 1449–1454. PMID 10739770
  6. C. Trichet: Thrombozytopenie May-Hegglin Oktober 2006.
  7. R. E. Scharf: Angeborene und erworbene Thrombozytopenien. In: Hämostaseologie. 23/2003, S. 159–169.
  8. K. E. Heath u. a.: Nonmuscle myosin heavy chain IIA mutations define a spectrum of autosomal dominant macrothrombocytopenias: May-Hegglin anomaly and Fechtner, Sebastian, Epstein, and Alport-like syndromes. In: Am J Hum Genet. 69/2001, S. 1033–1045. PMID 11590545
  9. 1 2 3 National Organization for Rare Disorders: NORD Guide to Rare Disorders. Lippincott Williams & Wilkins, 2003, ISBN 0-7817-3063-5, S. 403.
  10. R. May: Leukozyteneinschlüsse. In: Dtsch. Arch. Klin. Med. 96/1909, S. 1–6.
  11. R. Hegglin: Gleichzeitige konstitutionelle Veränderungen an Neutrophilen und Thrombocyten. In: Helv. Med. Acta. 12/1945, S. 439–440. PMID 21009925.

Literatur

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