In der sumerischen Mythologie sind die Me (Keilschrift: 𒈹, ME, zu lesen: me, Aussprache: me, Akkadisch: paráčŁu) göttliche Erlasse oder göttliche Anleitungen, gesellschaftliche Institutionen und ÜbereinkĂŒnfte, aber auch Technologien und Verhaltensweisen betreffend. Die Me bilden nach sumerischer Vorstellung die Grundlage der menschlichen Zivilisation.

BegriffsklÀrung

Man kann die Me als Menge von Regeln betrachten, die bestimmten Gottheiten und kulturellen Erscheinungen zugeordnet sind. In der sumerischen Vorstellungen sorgen die Me dafĂŒr, dass diese Erscheinungen fĂŒr alle Zeit nach dem göttlich vorgesehenen Plan ablaufen. Sie sind deshalb auch unverĂ€nderlich. Oft, aber keinesfalls immer, reprĂ€sentieren die Me Errungenschaften, die heute als positiv bewertet sind. Sie sind die "Summe der Zivilisation" und können als eine Art erste Analyse dessen angesehen werden, was die eigene Kultur ausmacht.

WĂ€hrend die Me einerseits abstrakte Konzepte und göttliche Attribute sind, können sie wie konkrete Objekte verliehen werden, die man anziehen kann oder auf die man sich stellen kann. Manche entsprechen physischen GegenstĂ€nden (Zepter, Musikinstrumente), andere sind Fertigkeiten (Schriftkunst, Korbflechten), wieder andere abstrakte Konzepte (Königtum, Prostitution). In einer modernen Tradition werden die Me als auf Tafeln eingeschrieben betrachtet, auch wenn in der Hauptquelle fĂŒr Informationen ĂŒber die Me, dem Mythos von Inanna und Enki, keine solchen Tafeln genannt werden.

Die Me im Mythos von Inanna und Enki

In diesem Mythos verbringt die Göttin Inanna eine Nacht Bier trinkend mit dem Gott Enki. Im betrunkenen Zustand verspricht er ihr die Me. Inanna belÀdt ihr Schiff damit und bringt sie trotz Verfolgung durch Enkis Boten am nÀchsten Tag zu den Menschen in die Stadt Unug (Uruk), deren Stadtgöttin sie ist.

Die Me werden im Mythos von Enki und Inanna viermal aufgezĂ€hlt. Die Keilschrifttafeln sind nicht gut erhalten, und nicht alle Me sind in ihrer Bedeutung klar oder ĂŒberliefert, aber es gibt wohl um die hundert davon. Genaue Zahlen variieren (64 bzw. 94 bzw. bis zu 110).

Zu den Me gehören unter anderem:

  • Heldentum, Kraft, Unehrenhaftigkeit, Rechtschaffenheit, das PlĂŒndern von StĂ€dten, das Klagelieder-Anstimmen, Herzensfreude.
  • LĂŒgenhaftigkeit, das aufstĂ€ndische Land, Frieden, Nomadentum, das Unterwegs-Sein und der feste Wohnsitz.
  • verschiedene Handwerke: des Tischlers, Kupferschmieds, Schreibers, Schmieds, Sattlers, Walkers, Baumeisters, Mattenflechters.
  • Verstand, Wissen, Waschungsriten, KohlenglutanhĂ€ufen, Schafstall, Ehrfurcht, Spannung, Schweigen
  • Feuer entfachen, Feuer löschen, harte Arbeit, Familie
  • Streit, Siegesgeschrei, Ratgeben, Beraten, Rechtsprechung, Entscheidung
  • Schwert, Keule, schwarzes Kleid, buntes Kleid, Nackenfrisur
  • Geschlechtsverkehr, KĂŒssen, Prostitution
  • lautes Rufen, Verleumdung, Schmeichelei

In der PopulÀrkultur

  • Im Roman The Moon's Fire-Eating Daughter von John Myers Myers stiehlt der Protagonist in einer Umdichtung des Mythos von Inanna und Enki zusammen mit Inanna die Me, insbesondere das Me der Schreibkunst, um selbst Dichter werden zu können.
  • Im Science-Fiction-Roman Snow Crash von Neal Stephenson spielen die Me die Rolle einer Art sprachlicher Software, die von den Priestern an die Bevölkerung ausgeteilt wird; in der sumerischen Ursprache werden durch das Anhören Hirnfunktionen umprogrammiert.
  • In Computerspielen wie Civilization (Sid Meier 1991) oder dem Brettspiel Civilization (Francis G. Tresham 1980) wird die Entwicklung frĂŒher Kulturen mit einem Technologiebaum nachvollzogen, dessen Elemente Ă€hnliche kulturelle Errungenschaft wie die Me darstellen.

Siehe auch

Literatur

  • Jeremy Black, Anthony Green: Gods, Demons and Symbols of Ancient Mesopotamia. London 1992.
  • Gertrud Farber-FlĂŒgge: Der Mythos "Inanna und Enki" unter besonderer BerĂŒcksichtigung der Liste der me. Biblical Institute Press. Vol. 10 of Studia Pohl, Dissertationes scientificae de rebus orientis antiqui. Rome 1973.
  • Samuel Noah Kramer: The Sumerians: Their History, Culture, and Character. The University of Chicago Press, Chicago 1963. ISBN 0-226-45238-7
  • Samuel Noah Kramer und John Maier: Myths of Enki, the Crafty God. Oxford University Press, New York 1989.
  • Brigitte Groneberg: Die Götter des Zweistromlandes – Kulte, Mythen, Epen. Stuttgart 2004.
  • Willem H. Ph. Römer: "Mythen und Epen in sumerischer Sprache." In: Willem H. Ph. Römer, Dietz Otto Edzard (Hrsg.): Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Band 3, Lieferung III. GĂŒtersloher Verlagshaus, GĂŒtersloh 1993, ISBN 3-579-00074-8.
  • Inana and Enki Englische Übersetzung der Keilschrift-Quellen am ETCSL (The Electronic Text Corpus of Sumerian Literature, University of Oxford, England)

Einzelnachweise

  1. ↑ Jeremy Black, Anthony Green: Gods, Demons and Symbols of Ancient Mesopotamia. London 1992, S. 130
  2. ↑ Samuel Noah Kramer und John Maier: Myths of Enki, the Crafty God. Oxford University Press, New York 1989, S. 57.
  3. ↑ Brigitte Groneberg: Die Götter des Zweistromlandes – Kulte, Mythen, Epen. Stuttgart 2004, S. 140.
  4. ↑ Samuel Noah Kramer: The Sumerians: Their History, Culture, and Character. The University of Chicago Press, Chicago 1963, S. 116.
  5. ↑ Gertrud Farber-FlĂŒgge: Der Mythos "Inanna und Enki" unter besonderer BerĂŒcksichtigung der Liste der me. Biblical Institute Press. Vol. 10 of Studia Pohl, Dissertationes scientificae de rebus orientis antiqui, Rome 1973; S. 197.
  6. ↑ Willem H. Ph. Römer: "Mythen und Epen in sumerischer Sprache." In: Willem H. Ph. Römer, Dietz Otto Edzard (Hrsg.): Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Band 3, Lieferung III. GĂŒtersloher Verlagshaus, GĂŒtersloh 1993, S. 402.
  7. ↑ Kramer 1963, S. 116.
  8. ↑ Kramer und Maier 1989, S. 67.
  9. ↑ Farber-FlĂŒgge, S. 100.
  10. ↑ Farber-FlĂŒgge, S. 21ff und S. 55ff.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.