Michael Gaismair (auch Michael Gaismayr, * 1490 in Tschöfs bei Sterzing; † 15. April 1532 in Padua) war Bauernführer in Tirol und Salzburg in der Zeit des Deutschen Bauernkriegs.

Leben

Geboren wurde Michael Gaismair als Sohn eines Bergwerksunternehmers und Landwirts. Er war verheiratet mit Magdalena Gaismair geb. Ganner aus Feldthurns und hatte mit ihr vier Kinder. Er arbeitete zunächst als Schreiber in Bergbau und Landesverwaltung, ab 1524 als Sekretär des Fürstbischofs von Brixen. Nachdem Gaismair am 13. Mai zum Feldobristen der aufständischen Bauern gewählt worden war, erreichte er eine Einberufung des Landtags in Innsbruck im Juni 1525. Dort forderte er vom Tiroler Regenten Erzherzog Ferdinand I. unter anderem:

  • Gleichheit vor dem Gesetz und die Erstellung eines Gesetzbuches
  • Privilegienabbau der Adligen
  • Wahl der Richter und eine Besoldung, die sie von Strafeinnahmen unabhängig macht
  • die Abschaffung der weltlichen Macht der Kirche
    • Wahl der Pfarrer durch das Volk
    • Abgaben an die Kirche nur für soziale Einrichtungen

Zwar endete der Landtag mit einem Kompromiss, doch im August 1525 ließ Ferdinand I. Gaismair in Innsbruck festnehmen, machte seine Zusagen rückgängig und ging mit Söldnern gegen die aufständischen Bauern vor.

Nach mehreren Wochen in Gefangenschaft gelang Gaismair die Flucht. Er setzte sich in die Schweiz ab und nahm Kontakt mit dem Reformator Ulrich Zwingli auf, mit dem Plan einer demokratischen Neuordnung Tirols und Salzburgs am Beispiel Graubündens und Venedigs. U. a. durch die enttäuschenden Erfahrungen der Landtagsverhandlungen entwickelte sich Gaismair vom Reformer (Sommer 1525) zum Sozialrebell und Revolutionär (1526) (nach Jürgen Bücking). In seinem Entwurf einer neuen Tiroler Landesordnung vom 9. Mai 1526 konzipierte Gaismair einen egalitären, christlich-demokratischen Knappen- und Bauernstaat.

Er sammelte erneut Getreue um sich und unterstützte im Frühjahr 1526 den Aufstand der Bauern in Salzburg. Zwar gelangen Gaismair in Mai und Juni erfolgreiche Gefechte gegen mehrere heranrückende Heere, während er Radstadt belagerte, schließlich wurde er aber am 2. Juli 1526 in der Schlacht bei Radstadt vernichtend geschlagen.

Gaismair entkam über die Alpen nach Venetien und versuchte in den nächsten Jahren noch mehrmals vergeblich von Graubünden, der Toskana und Venedig aus erneut Aufstände anzuzetteln. Als Venedig 1529 Frieden mit den Habsburgern schloss, zog sich Gaismair endgültig auf ein Landgut in Padua zurück.

Nach mehreren fehlgeschlagenen Attentaten wurde Gaismair am Morgen des 15. April 1532 auf den Stufen der Freitreppe seines Anwesens am Prato della Valle (heute Hausnummer 21; ehemaliger Casinetto Palla Strozzi, heute Palazzo Fiocco) in Padua von Straßenräubern, die seine Goldkette und seinen silbernen Dolch an sich rissen, überfallen und erstochen.

Historische Betrachtung

Wegen seines Kampfes gegen herrschende Monarchie und Kirche wurde Gaismair von der Geschichtsschreibung seiner Zeit weitgehend ignoriert. Jahrhunderte später instrumentalisierten die Nationalsozialisten seine Geschichte für ihre Zwecke und zwar aufgrund Gaismairs Kampf gegen den vermeintlichen Juden Graf Salamanca, Berater von Ferdinand I. Mittlerweile ist nachgewiesen, dass Graf Salamanca kein religiöser Jude war, bereits in seiner Kindheit war die Familie zum Katholizismus konvertiert.

Die marxistische Forschung bezeichnet Gaismair als Frühsozialisten, vor allem in Friedrich Engels’ Werk Der deutsche Bauernkrieg. Seit den 1950er Jahren wurde versucht, seine Geschichte objektiver zu beleuchten, in Folge wurde 1976 die Michael-Gaismair-Gesellschaft gegründet.

Besondere Verdienste um die Erforschung des Wirkens Gaismairs erwarb sich der tschechische Historiker Josef Macek. 1965 erschien sein Werk Der Tiroler Bauernkrieg und Michael Gaismair, 1988 die österreichische Kurzfassung dieses Werkes Michael Gaismair. Vergessener Held des Tiroler Bauernkrieges.

Aldo Stella trug als erster 1984 die These vor, bei dem Mord an Gaismair habe es sich um ein Staatsdelikt der Republik Venedig gehandelt, der Gaismair lästig geworden sei und die Maßnahmen zu seinem Schutz unterlassen habe. Doch er selbst verwarf diese Annahme im Jahr 1999.

Bereits 1899 widmete sich der heimatverbundene Autor Franz Kranewitter der Tiroler Vergangenheit: Das Drama über Michael Gaismair unter dem Titel Michel Gaissmayr entstand. Im Sommer 2001 wurde anlässlich der Tiroler Volksschauspiele in Telfs ein vom österreichischen Autor Felix Mitterer geschriebenes Stück über den Aufstieg und Fall Gaismairs uraufgeführt.

In Bregenz am Bodensee gibt es in der Südtirolersiedlung eine Gedenkstätte.

Im Jahr 1930 wurde in Wien-Favoriten (10. Bezirk) die Gaißmayrgasse nach ihm benannt, ebenso in Bozen in den 1970er-Jahren eine Michael-Gaismair-Straße im Stadtviertel Gries-Quirein. Auch in Innsbruck gibt es eine Straße und eine Volksschule, die nach ihm benannt wurden. Die Piazzetta Gaismayr befindet sich in der Trientner Altstadt.

Literatur

  • Hans Benedikter: Rebell im Land Tirol. Europa Verlag, Wien 1970.
  • Angelika Bischoff-Urack: Michael Gaismair. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte des Bauernkrieges. Inn-Verlag, Innsbruck 1983.
  • Jürgen Bücking: Michael Gaismair, Reformer, Sozialrebell, Revolutionär. Seine Rolle im Tiroler „Bauernkrieg“ (1525/32). Klett-Cotta, Stuttgart 1978, ISBN 3-12-911520-X.
  • Fridolin Dörrer (Hrsg.): Die Bauernkriege und Michael Gaismair. Protokoll des internationalen Symposions vom 15.–19. November 1976 in Innsbruck-Vill. Tiroler Landesarchiv, Innsbruck 1982.
  • Michael Forcher: Michael Gaismair: das Leben des Tiroler Bauernführers (1490–1532) und sein revolutionäres Gesellschaftsmodell. Haymon, Innsbruck 2020 (Haymon Taschenbuch, Bd. 275), ISBN 978-3-7099-7895-5.
  • Dieter Girgensohn: Die „Landesordnung“ von 1526 und ihr wahrscheinlicher Urheber Michael Gaismair. In: Geschichte und Region/Storia e regione, Jg. 5 (1996), S. 367–379 (Digitalisat).
  • Albert Hollaender: Michael Gaismairs Landesordnung von 1526. In: Der Schlern, Jg. 13 (1932), S. 425–429.(Digitalisat).
  • Ralf Höller: Eine Leiche in Habsburgs Keller – Der Rebell Michael Gaismair und sein Kampf für eine gerechtere Welt. Otto-Müller-Verlag. Salzburg-Wien 2011.
  • Walter Klaassen: Michael Gaismair: Revolutionary and Reformer (= Studies in Medieval and Reformation Traditions, Bd. 23). Brill, Leiden 1978, ISBN 978-90-04-47780-3.
  • Werner Legère: Der gefürchtete Gaismair. Union Verlag Berlin, Berlin, 2. Aufl. 1981.
  • Josef Macek: Der Tiroler Bauernkrieg und Michael Gaismair. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1965.
  • Hannes Obermair: Logiche sociali della rivolta tradizionalista. Bolzano e l’impatto della “Guerra dei contadini” del 1525. In: Studi Trentini. Storia, Jg. 92, 2013, Nr. 1, S. 185–194.
  • Giorgio Politi: Oltre il documento. L’assassinio di Michael Gaismair e le fantasie degli storici, in: Claudio Azzara, Ermanno Orlando Marco Pozza, Alessandra Rizzi (Hrsg.): Historiae. Scritti per Gherardo Ortalli, Venedig 2013, S. 209–217.
  • Karl Springenschmid: Die Gaismair Saga – Lebensbild eines Revolutionärs. Graz 1980.
  • Philipp Tolloi: Rediscovering Gaismair. Neue Quellen zum Revolutionär von 1525/32. In: Geschichte und Region/Storia e regione, Jg. 31 (2022), Nr. 2, S. 185–194.
  • Philipp Tolloi: „Ein Tiroler Vorkämpfer für Großdeutschland“. Zur Konstruktion des Gaismair-Mythos zwischen 1938 und 1945. In: Der Schlern, Jg. 97 (2023), Nr. 4, S. 4–17.
  • Oskar Vasella: Gaismair, Michael. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 40 (Digitalisat).
  • Hermann Wopfner (Hrsg.): Quellen zur Geschichte des Bauernkrieges in Deutschtirol 1525, Teil 1: Quellen zur Vorgeschichte des Bauernkrieges. Wagner, Innsbruck 1908 (Nachdruck: Scientia-Verlag, Aalen 1973).
  • Heinrich von Zeißberg: Gaismair, Michael. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 8, Duncker & Humblot, Leipzig 1878, S. 313 f.

Anmerkungen

  1. Aldo Stella: Die Staaträson und der Mord an Michael Gaismair. In: Der Schlern, Jg. 58 (1984), S. 307–313.
  2. Aldo Stella: Il «Bauernführer» Michael Gaismair e l’utopia d’un repubblicanesimo popolare, Il Mulino, Bologna 1999, S. 212ff.
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