Der Militärputsch in Simbabwe 2017 führte zur Absetzung des bis dahin rund 37 Jahre regierenden Ministerpräsidenten und späteren Staatspräsidenten SimbabwesRobert Mugabe – und zur Einsetzung seines Nachfolgers Emmerson Mnangagwa in dieses Amt.

Verlauf

Zuspitzung

In den Tagen vor dem Militärputsch waren zunehmende Differenzen zwischen der ZANU-PF, der regierenden Partei des 93-jährigen Präsidenten Robert Mugabe, und der Führung der simbabwischen Militärs deutlich geworden. Unmittelbarer Anlass hierfür war die Entlassung des Vizepräsidenten Emmerson Mnangagwa durch Präsident Mugabein eine Woche zuvor. Der Vizepräsident war vor seiner Entlassung als der aussichtsreichste Kandidat für die Nachfolge im Präsidentenamt angesehen worden, noch vor Grace Mugabe, der Ehefrau Mugabes, der von politischen Beobachtern schon seit längerem unterstellt worden war, machtpolitische Ambitionen zu haben und die Fäden der Politik im Hintergrund zu ziehen. Die Entlassung Mnangagwas wurde öffentlich durch den Armeechef General Constantino Chiwenga kritisiert, der davor warnte, dass die Armee bereit sei, den innerparteilichen Säuberungen in Mugabes ZANU-PF ein Ende zu setzen, wenn diese nicht aufhörten. ZANU-PF-Politiker warfen dem Armeechef daraufhin „verräterisches Verhalten“ vor.

Militärputsch

In der Nacht vom 14. auf den 15. November 2017 verschafften sich Armeeangehörige Zugang zum staatlichen Rundfunk ZBC. Am 15. November 2017 wurde eine Ansprache von Generalmajor Sibusiso Moyo ausgestrahlt, in der dieser betonte, dass sich Präsident Mugabe in Sicherheit befände. Moyo bestritt, dass es sich bei der Militäraktion um einen Putsch handle. Ziel der Militärs sei es, „kriminelle Elemente“ aus der Umgebung des Präsidenten zu entfernen. Im Übrigen würde weder das Kriegsrecht ausgerufen, die Verfassung außer Kraft gesetzt noch Staatspräsident Mugabe für abgesetzt erklärt.

Am 15. November wurden das Parlamentsgebäude sowie der Amtssitz des Präsidenten in der Hauptstadt Harare von Soldaten abgeriegelt und auch zahlreiche Verkehrsknotenpunkte vom Militär kontrolliert, ansonsten blieb die Lage ruhig. Gleiches galt für den Rest des Landes. In einem Telefonat mit dem südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma teilte Mugabe mit, er stünde unter Hausarrest. Nach Augenzeugenberichten wurde Finanzminister Ignatius Chombo verhaftet, die Festsetzung weiterer Minister blieb zunächst unbestätigt. Chombo gilt als führendes Mitglied der sogenannten G40-Faktion innerhalb der Regierungspartei, die sich für Grace Mugabe als Nachfolgerin an der Spitze des Landes eingesetzt hatte. Der Verbleib der Präsidentengattin ist ungeklärt: Die Aussage des MDC-T-Abgeordneten Eddie Cross, sie habe sich bereits in der Nacht vom 14. auf den 15. November nach Namibia absetzen können, blieb zunächst unbestätigt. Ein Vertreter der ZANU sprach ebenfalls davon, Grace Mugabe habe das Land verlassen. Demgegenüber stehen Zeugenaussagen, sie sei gemeinsam mit ihrem Ehemann unter Hausarrest gestellt worden.

Am 16. November trafen Oppositionsführer Morgan Tsvangirai (MDC-T) und der Veteranenführer Christopher Mutsvangwa aus Südafrika kommend in Harare zu Verhandlungen ein. An diesen waren, im Auftrag der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC), auch zwei Vertreter der südafrikanischen Regierung beteiligt: Verteidigungsministerin Nosiviwe Mapisa-Nqakula und Staatssicherheitsminister Bongani Bongo. Strittig waren unter anderem die zukünftige Rolle Mnangagwas sowie Sicherheitsgarantien für Mugabe und seine Familie. Der Vorsitzende der Afrikanischen Union, Guineas Staatspräsident Alpha Condé, wies darauf hin, dass die AU eine Militärherrschaft nicht akzeptieren werde. Er rief die Armee dazu auf, in ihre Kasernen zurückzukehren und die verfassungsmäßige Ordnung zu akzeptieren. Demgegenüber unterstützte der Generalsekretär der oppositionellen MDC-T, Douglas Mwonzora, das Vorgehen des Militärs. Für das weitere Vorgehen halte er die Bildung einer Übergangsregierung für den besten Weg.

Absetzung Mugabes

Am Nachmittag des 17. November hatten alle zehn Provinzverbände der ZANU-PF Mugabe das Misstrauen ausgesprochen. Rund zwölf Anhänger Grace Mugabes waren festgenommen worden. Am 19. November verkündete die ZANU-PF die Absetzung Mugabes als Parteivorsitzenden, Nachfolger wurde der vom Militär favorisierte Emmerson Mnangagwa. Grace Mugabe wurde aus der Partei ausgeschlossen. Am Abend desselben Tages weigerte sich Robert Mugabe in einer Fernsehansprache, als Präsident zurückzutreten. Auch ein Ultimatum für den Folgetag, 12 Uhr, ließ er verstreichen. Am 21. November trat Mugabe als Präsident zurück, nachdem das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet hatte.

Einsetzung Mnangagwas

Drei Tage später wurde Mnangagwa als Präsident vereidigt. Weitere drei Tage später löste Mnangagwa das Kabinett Mugabes auf und leitete die Bildung eines neuen Kabinetts ein.

Hintergrund

Zum Zeitpunkt der Intervention des simbabwischen Militärs hatte sich der Kampf um die Nachfolge des mit 93 Jahren weltweit ältesten Staatschefs Robert Mugabe zugespitzt. Er regierte das Land im südlichen Afrika seit 1980 zunächst als Ministerpräsident und seit 1987 als Staatspräsident.

Die Bevölkerung in Simbabwe leidet unter Armut und hoher Arbeitslosigkeit. Diese Not und politische Repressionen ließen Millionen Simbabwer aus ihrem Land fliehen. Eine chaotisch umgesetzte Landreform führte zur – teils gewaltsamen – Enteignung von etwa 4000 weißen Farmern und schürte weitere Konflikte. Seitdem ist das Land auf den Import von Nahrungsmitteln angewiesen. Nach einer Hyperinflation wurde 2009 der Simbabwe-Dollar durch ausländische Währungen wie US-Dollar und südafrikanischer Rand als Zahlungsmittel ersetzt.

Die Ehefrau Mugabes, Grace Mugabe, gewann im Laufe der Zeit mehr und mehr Einfluss in der Regierungspartei ZANU-PF; dort war sie Vorsitzende der Frauen-Liga. Aus dieser Position heraus bekämpfte sie Mitbewerber um die Nachfolge ihres Mannes. Ihr Hauptgegner und aussichtsreichster Mitbewerber auf Mugabes Nachfolge war Vizepräsident Emmerson Mnangagwa, ein langjähriger Weggefährte Robert Mugabes und ehemaliger Vize-Vorsitzender der ZANU-PF. Grace Mugabe und er überwarfen sich im Oktober 2017. Zunächst wurde Mnangagwa vom Justizministerium ins Tourismusministerium versetzt und schließlich am 8. November 2017 unter dem Vorwurf des Landesverrats aus dem Kabinett entlassen.

Mnangagwa, selbst Veteran des Unabhängigkeitskampfes Simbabwes, besitzt enge Kontakte zur Führung der Streitkräfte. Er floh nach seiner Entmachtung nach China, kündigte aber an, zurückzukommen und das Land führen zu wollen.

Constantino Chiwenga war eine Woche vor dem Putsch im chinesischen Verteidigungsministerium in Peking zu Gast und traf sich mit dem chinesischen Verteidigungsminister Chang Wanquan. China dementierte eine Verbindung zum späteren Einschreiten der Armee. Seit dem Unabhängigkeitskampf des Landes in den 1970er-Jahren unterstützt China Mugabe. Besonders nach dem Boykott Simbabwes durch westliche Länder ab 2002 engagierte sich China in Simbabwe. Mehrfach verhinderte China im Weltsicherheitsrat Sanktionen gegen das Land und simbabwische Spitzenpolitiker.

Internationale Reaktionen

  • Die US-Botschaft in Harare warnte US-Bürger und Mitarbeiter vor der unsicheren Lage in dem Land und riet ihnen, ihr Haus nicht zu verlassen.
  • Der Präsident der Afrikanischen Union Alpha Condé erklärte kurz nach dem Bekanntwerden der Ereignisse, dass die simbabwischen Militärs „offensichtlich versuchten, die Macht zu übernehmen“. Er äußerte im Namen der Afrikanischen Union (AU) „ernsthafte Besorgnis“ und betonte die volle Unterstützung der AU gegenüber den gesetzlichen Institutionen Simbabwes. Ausländische Berichterstatter vermuteten, dass das simbabwische Militär deswegen bemüht sei, die Ereignisse nicht als Putsch beschrieben zu sehen, da dem Land andernfalls der Ausschluss aus der Afrikanischen Union drohe, wie das mit Ägypten nach dem Militärputsch 2013 geschehen war.
  • Im benachbarten Südafrika gab es zunächst gemischte Reaktionen. Mmusi Maimane, Parteiführer der oppositionellen Democratic Alliance, erklärte, dass die Ereignisse die Chance zu einem Politikwechsel in Simbabwe böten. Die oppositionellen Economic Freedom Fighters forderten Mugabe auf, die politische Führung in die Hände der jüngeren Generation zu legen. Präsident Jacob Zuma vom regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) warnte vor nicht verfassungsgemäßen Änderungen und kündigte die Entsendung von zwei Sondergesandten nach Harare an.
  • Maria Adebahr, stellvertretende Sprecherin des deutschen Auswärtigen Amtes, erklärte am 22. November 2017 – nach dem Sturz Mugabes – im Rahmen der Bundespressekonferenz, dass die Bundesregierung „die weitere Entwicklung in Simbabwe mit großer Anteilnahme und mit Sympathie verfolgen“ werde. Die Bundesregierung stünde „bereit, gemeinsam mit unseren europäischen, afrikanischen und internationalen Partnern Simbabwes Weg in eine neue Zukunft zu unterstützen“.

Einzelnachweise

  1. 1 2 Aus dem Amt geputscht: Der Abgang von Simbabwes starkem Mann. In: Westdeutsche Zeitung. 15. November 2017, abgerufen am 24. November 2017.
  2. 1 2 Mugabes Ende: Mnangagwa als Simbabwes neuer Staatschef vereidigt. In: Der Spiegel. 24. November 2017, abgerufen am 24. November 2017.
  3. 1 2 Zimbabwe politics: Mugabe sacks 'disloyal' Mnangagwa. In: BBC News. 6. November 2017, abgerufen am 24. November 2017 (englisch).
  4. 1 2 Christian Putsch: „Gucci-Grace“ drängt an die Spitze der Dynastie. In: Die Welt. 9. Dezember 2014, abgerufen am 24. November 2017.
  5. Zimbabwe military chief Chiwenga in Zanu-PF purge warning. In: BBC News. 13. November 2017, abgerufen am 15. November 2017 (englisch).
  6. 1 2 Zimbabwe: What's happening? In: aljazeera.com. Abgerufen am 15. November 2017.
  7. Zimbabwe: Army chief accused of 'treasonable conduct'. In: BBC News. 14. November 2017, abgerufen am 15. November 2017 (englisch).
  8. Der Anfang vom Ende der Ära Mugabe. Der Standard, 15. November 2017, abgerufen am selben Tage.
  9. Zimbabwe Military Assures Nation of President's Safety After State Take Over auf YouTube
  10. 1 2 Robert Mugabe's grip on Zimbabwe ebbing away after military takes control. The Guardian, 15. November 2017, abgerufen am Tage darauf. (englisch)
  11. Mugabes unter Hausarrest. Spiegel Online, 15. November 2017, abgerufen am selben Tage.
  12. Zimbabwe latest: Finance Minister Ignatius Chombo detained by military as 'criminals' rounded up. The Independent, 15. November 2017, abgerufen am selben Tage. (englisch)
  13. Zimbabwe latest: How can you tell if a coup is happening? BBC, 15. November 2017, abgerufen am Tage darauf. (englisch)
  14. Robert Mugabe unter Hausarrest. ORF, 15. November 2017, abgerufen am Tage darauf.
  15. Tsvangirai and war vets leader return to Zimbabwe for negotiations. thesouthafrican.com vom 16. November 2017 (englisch), abgerufen am 16. November 2017
  16. Zimbabwe crisis: Mugabe in crunch talks over future. BBC News, 16. August 2017, abgerufen am selben Tage. (englisch)
  17. Simbabwes Opposition fordert Übergangsregierung. Der Standard, 16. November 2017, abgerufen am selben Tage.
  18. Zimbabwe: huge protests called as Mugabe runsout of options. thezimbabwemail.com vom 17. November 2017 (englisch), abgerufen am 18. November 2017
  19. Mugabe defies resignation expectations in TV speech. news24.com vom 19. November 2017 (englisch), abgerufen am 19. November 2017
  20. Zimbabwe’s Mugabe Full Speech: Mugabe vows to stay on. BBC News auf YouTube
  21. Noon deadline for defiant Mugabe passes as Zimbabwe’s crisis deepens. news24.com vom 20. November 2017 (englisch), abgerufen am 20. November 2017
  22. Parlamentspräsident verkündet Rücktritt von Robert Mugabe. In: Die Zeit. 21. November 2017, abgerufen am 28. November 2017.
  23. Robert Mugabe: Simbabwes Präsident tritt zurück. In: Stuttgarter Zeitung. 21. November 2017, abgerufen am 28. November 2017.
  24. Zimbabwe’s new president dissolves Robert Mugabe’s Cabinet. In: Daily Nation. 28. November 2017, abgerufen am 28. November 2017 (englisch).
  25. Bartholomäus Grill: Simbabwe: Afrikas wunde Stelle. In: Die Zeit. 8. Mai 2008, abgerufen am 24. November 2017.
  26. Nach der Wahl in Simbabwe: Mugabe geht gegen weiße Farmer vor. In: Süddeutsche.de. 17. Mai 2010, abgerufen am 24. November 2017.
  27. Christian Steiner: Wie Simbabwe abgewirtschaftet wurde. In: Neue Zürcher Zeitung. 20. November 2017, abgerufen am 24. November 2017.
  28. Dominic Frisby: Zimbabwe’s trillion-dollar note from worthless to hot investment. The Guardian vom 14. Mai 2016 (englisch), abgerufen am 16. November 2017
  29. Zimbabwe VP Mnangagwa told to prepare for the worst – report. In: News24.com. Abgerufen am 15. November 2017.
  30. admin: Former Zimbabwe VP Mnangagwa Begins Exile In China After Mugabe Accused Him Of Witchcraft. (Nicht mehr online verfügbar.) In: The Zambian Observer. 8. November 2017, archiviert vom Original am 15. November 2017; abgerufen am 15. November 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  31. 1 2 Simbabwe: Präsident Mugabe steht unter Hausarrest. In: Die Zeit. 15. November 2017, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 15. November 2017]).
  32. Simon Tisdall: Zimbabwe: was Mugabe’s fall a result of China flexing its muscle? The Guardian vom 17. November 2017 (englisch), abgerufen am 17. November 2017
  33. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH: Putsch in Harare?: Militär erklärt Machtübernahme in Zimbabwe. 15. November 2017, abgerufen am 15. November 2017.
  34. Zimbabwe takeover seems like a coup, African Union says. BBC News, 15. November 2017, abgerufen am 15. November 2017 (englisch).
  35. Lizeka Tandwa, Amanda Khoza: Mixed feelings about Zimbabwean 'coup'. news24.xom, 15. November 2017, abgerufen am 16. November 2017 (englisch).
  36. Simon Osborne: Zimbabwe: South Africa rushes to Robert Mugabe’s aid as Zuma reveals inside information. Express, 15. November 2017, abgerufen am 16. November 2017 (englisch).
  37. Im Wortlaut: Regierungspressekonferenz vom 22. November 2017. In: Bundespressekonferenz. 22. November 2017, abgerufen am 26. November 2017.
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