Milka Hartman (* 11. Februar 1902 in Loibach/Libuče bei Bleiburg (slow.: Pliberk); † 19. Juni 1997 ebenda) war eine Dichterin der slowenischsprachigen Volksgruppe von Kärnten.

Leben und Wirken

Milka Hartmann wurde am 11. Februar 1902 in Unterloibach als Rosa Ludmilla Schick geboren. Ihre Eltern waren Matthäus Schick und dessen Ehefrau Theresia geb. Kušej. Ihr Vater ließ den Namen der Familie 1918 von Schick zu Hartmann ändern.

Nach dem Besuch der Haushaltsschule in Ljubljana arbeitete Milka Hartman als Hauswirtschaftslehrerin zunächst in Slowenien und war dann ab 1927 als eine Art wandernde Hauswirtschaftslehrerin in verschiedenen Gelegenheitskursen in Kärnten vom Jauntal bis zum Gailtal unterwegs, ehe sie 1956 krankheitshalber in Rente ging. 1927 wurde sie in den Vorstand des Slovenska krščansko-socialna zveza (Slowenischer christlich-sozialer Verband) gewählt, wo sie die Unterorganisation Dekliška zveza (Mädchenverband) leitete. Dieser hatte zum Ziel Mädchen christlich, konservativ und national zu formen.

Zeit ihres Lebens mit Bildungsarbeit beschäftigt, machte sie sich verdient um eine Erweiterung des kulturellen Horizontes der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch ganz auf Kinder, Kirche, Küche beschränkten slowenischen Mädchen und Frauen. So leitete sie zur Zeit des Anschlusses, „gerade in den Märzmonaten, in denen die Deutschen Österreich okkupierten, sodass die Hälfte des Kurses schon unter den Deutschen stattfand“, einen Kochkurs des christlich-nationalslowenischen Kulturverbandes Slovenska prosvetna zveza, welcher für den damaligen diktatorisch regierenden Bundeskanzler Kurt Schuschnigg warb. Obwohl solche Kurse von etlichen Klerikalen angefeindet wurden, da sie in Gasthäusern stattfanden und zu Kursende „so unbäuerliche Produkte wie Torten und Likör verkauft wurden,“ wurde dieser Kochkurs gleichzeitig von deutscher Seite als Medium zur politischen Aufhetzung der Kursteilnehmerinnen verdächtigt, so dass Milka Hartman mit zehn weiteren Vorstandsmitgliedern des Vereins unter polizeiliche Beobachtung gestellt wurde. 1941 kam sie für 2 Monate in Gestapohaft, Vater und Bruder wurden von Nazis ermordet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte sie sich dann intensiv in der kärntner-slowenischen Frauenpolitik und Kulturarbeit und setzte ihre projugoslawische Haltung fort. Einer Gemeinschaft, der man zunächst die Sprache und dann sogar das Existenzrecht überhaupt streitig gemacht hatte, verlieh sie Stimme und Ausdruck mit ihren Texten für szenische Aufführungen und Gedichten in einer „originären, intim poetischen Sprache, in der sich zunehmend ein von Einsamkeit, Zweifeln und manchmal Verzweiflung bedrängtes Ich zu erkennen gibt.

Da sie sowohl im lokalen slowenischen Dialekt als auch in standardisiertem Slowenisch schrieb – es liegen beispielsweise 26 ihrer Mundart-Gedichte von 1977 in beiden Varianten vor – kann Milka Hartman damit als Begründerin der Kärntner slowenischen Dichtung des 20. Jahrhunderts betrachtet werden, wenn auch ihre Art der Poesie in der Tradition der Volkspoeten des 19. Jahrhunderts später von Florjan Lipuš radikal in Frage gestellt wurde. Zahlreiche ihrer volkstümlichem, sehr lyrischen Gedichte, in denen sie das bäuerliche Leben und den Alltag vor der Industrialisierung beschreibt, wurden – zum Teil von ihr selbst – vertont und zählen inzwischen zum festen Bestand des slowenischen Liedguts in Kärnten.

In der Neuen Zürcher Zeitung wird Milka Hartman als "panslawische Patriotin und eine volkstümliche, naive Dichterin" bezeichnet. In Hartmans Leben spiegle sich viel vom Schicksal ihrer Volksgruppe wider. Da sei zum einen die sehr subjektive und schwermütige Lyrik, hinter der man die Sehnsucht einer einsamen Frau nach der heilen bäuerlichen Welt ihrer Kindheit spüre, volksliedhafte Arbeiten von großer Melancholie. Dann gebe es aber noch einen sehr plakativen, mitunter pathetisch anmutenden, politischen Teil, der sich mit dem Schicksal der Slowenen unter den Nazis befasst. Obschon nicht alle ihre Gedichte literarischen Ansprüchen genügen mögen, seien sie als kulturgeschichtliche Dokumente und Spiegelbilder der Schrecken des letzten Jahrhunderts von Bedeutung.

Der Hermagoras Verlag (Franc Kattnig) hat sich um das Werk Milka Hartmans sehr verdient gemacht. Fast alle Bücher seit den pesmi z libuškega puela gehen auf seine Initiative zurück.

Auszeichnungen

Mehrere Literaturpreise und Verleihung des Berufstitels Professor durch Bundespräsident Rudolf Kirchschläger (1983).

Werke

  • Dekliške pesmi. Gedichte. Selbstverlag, Ljubljana 1934.
  • Med cvetjem in v soncu. Dekliške pesmi . Gedichte. Selbstverlag, Ljubljana 1934. (Reprint: Krščanska kulturna zveza, Klagenfurt 1995)
  • Moje grede. Gedichte. Hermagoras, Klagenfurt 1952.
  • Lipov cvet. Gedichte. Hermagoras, Klagenfurt 1972.
  • Pesmi z libuškega puela. Dialektgedichte, Krščanska kulturna zveza/Klub mladje, Klagenfurt 1977.
  • Zivljenje. Poezije. Melodije. Gesammelte Werke in drei Bänden. Hg. von Feliks J. Bister, Klagenfurt-Wien 1982
  • Gedichte aus Kärnten. Gedichte in deutschsprachiger Übersetzung. Hg. von Janko Ferk. Hermagoras, Klagenfurt 1987.
  • Midsummer Night / Kresna noč. Sedemintrideset pesmi. 37 Gedichte, ins Englische übersetzt von Tom Priestly. Hermagoras, Klagenfurt 1992.
  • Zimske rože. Izbrane pesmi. Gedichte. Hg. von Marjan Strojan. Ellerjeva edicija Band 20, Hermagoras, Klagenfurt 1998, ISBN 3-85013-535-7.
  • Store dekve težva = Klage der alten Magd Hg.v. Jozef Strutz und Peter Rust. Hermagoras Klagenfurt/ Ljubljana/ Wien 2000, ISBN 3-85013-718-X.
  • Težka je moja misel od spominov. Izbral, uredil in sklepno besedo napisal Andrej Leben, Hermagoras, Klagenfurt 2007, ISBN 978-3-7086-0293-6. In Übersetzung als:
  • Der Frost verspinnt die Beete mir mit feinen Netzen. Aus dem Slowenischen von Erwin Köstler und Andrej Leben, mit einem Nachwort von Andrej Leben. Drava Verlag, Klagenfurt 2007, ISBN 978-3-85435-507-6.

Literatur

  • Andrea Sturm: Milka Hartman. Materialien zur Biographie und zum literarisch-poetischen Lebenswerk einer slowenischen Dichterin aus Kärnten. Diplomarbeit. Graz 1995
  • Maria Spieler: Milka Hartman. In: Johann Strutz: Profile der neueren slowenischen Literatur in Kärnten. 2. Auflage. Hermagoras, Klagenfurt 1998.
  • Andreas Leben: Vereinnahmt und ausgegrenzt. Die slowenische Literatur in Kärnten. (= Slowenisches Institut zur Alpen-Adria-Forschung Klagenfurt, Dissertationen und Abhandlungen/Dissertacije in razprave Band 34). Drava-Verlag, Klagenfurt 1994, ISBN 3-85435-208-5.
  • Die Kärntner Slowenen. Spurensuche. (= Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten Band 4). Österreichischer Bundesverlag, Wien 1990.
  • Andreas Moritsch: Die Kärntner Slovenen 1900–2000. Bilanz des 20. Jahrhunderts . Hermagoras, Klagenfurt-Wien 2000, ISBN 3-85013-753-8.
  • Karl F. Stock, Rudolf Heilinger, Marylène Stock: Personalbibliographien österreichischer Dichterinnen und Dichter von den Anfängen bis zur Gegenwart. 2. Auflage. Saur, München 2002, ISBN 3-598-11570-9, S. 2341.
  • Helena Verdel: Widerstand der Kärntner Sloweninnen. In: Jahrbuch 2009, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes . Lit Verlag, Berlin/ Hamburg/ Münster 2009, ISBN 978-3-643-50010-6, S. 145–158.
  • Evelyn Steinthaler: Frauen 1938: Verfolgte, Widerständige, Mitläuferinnen. Verlag Milena, 2008, ISBN 978-3-85286-161-6.
  • Peter Turrinin: Mein Österreich. Reden, Polemiken, Aufsätze. (Sammlung Luchterhand 811). Luchterhand Literaturverlag, Darmstadt 1988, ISBN 3-630-61811-1.
  • „Our Dialect Sounds Stupid“: The Importance of Attitudes to So-Called Sub-Standard Language Codes as a Factor in the (Non-)Retention of Slovene in Carinthia, Austria. In: Durk Gorter (Hrsg.): Fourth International Conference on Minority Languages, Leeuwarden 1989. Band 2: Western and Eastern European papers. (= Band 71), Multilingual Matters, Clevedon, Avon, GB/ Bristol, PA 1990, ISBN 1-85359-111-4, S. 135–149.

Einzelnachweise

  1. Geburtsbuch X, Bleiburg, S. 121
  2. Österreichisches Nationalinstitut: Die Republik, Teil 4, Verlag Österreichisches Nationalinstitut, Wien 1979, S. 25.
  3. Hartman, Milka, in: Katja Sturm-Schnabl u. Bojan-Ilija Schnabl, Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/KoroškaVon den Anfängen bis 1942. Band 1: A-I, S. 482
  4. Evelyn Steinthaler: Frauen 1938: Verfolgte, Widerständige, Mitläuferinnen. Verlag Milena 101.
  5. Milena Gröblacher: Aus, windische Ljubica. (Memento vom 20. Januar 2016 im Internet Archive) In: Erzählte Geschichte der Kärntner Slowenen. Band 4: Die Kärntner Slowenen. Spurensuche. Wien 1990.
  6. Helena Verdel: Widerstand der Kärntner Sloweninnen. In: Jahrbuch 2009, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Berlin/ Hamburg/ Münster 2009, S. 153f.
  7. Slovene Studies. In: Journal of the Society for Slovene Studies. Bde. 22–24, S. 102f.
  8. Hartman, Milka, in: Katja Sturm-Schnabl u. Bojan-Ilija Schnabl, Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/KoroškaVon den Anfängen bis 1942. Band 1: A-I, S. 482
  9. Anton Kreuzer: Kärntner 16. – 20. Jahrhundert. Kärntner Druck- und Verlagsgesellschaft, Klagenfurt 1998, ISBN 3-85391-151-X, S. 163.
  10. Stefan Michael Newerkla: Slawistik INFO (Memento vom 6. Juli 2011 im Internet Archive) Publ. NEU Milka Hartman (hrsg. von Andrej Leben), deutsch und slowenisch
  11. Tom Priestly: "Our Dialect Sounds Stupid": The Importance of Attitudes to So-Called Sub-Standard Language Codes as a Factor in the (Non-)Retention of Slovene in Carinthia, Austria. In: Durk Gorter (Hrsg.): Fourth International Conference on Minority Languages, Leeuwarden 1989 Band 2: Western and Eastern European papers. (= Multilingual Matters Band 71), Clevedon u. a. 1990, ISBN 1-85359-111-4, S. 138.
  12. Fabian Prilasnig: Die slowenische Minderheit in Kärnten – von den Anfängen bis zur Gegenwart. Seminararbeit Univ. Graz, Akademische Schriftenreihe GRIN Verlag, Norderstedt 2007, ISBN 978-3-640-17163-7, S. 45.
  13. Klaus Amann (Hrsg.): Worte. Ränder. Übergänge. Veröffentlichung des Musil-Institutes der Universität Klagenfurt, Kärntner Literaturarchiv, Verlag Ritter, Klagenfurt-Wien 2002, ISBN 3-85415-315-5, S. 247.
  14. Peter Turrinin: Mein Österreich. Sammlung Luchterhand 811, Luchterhand Literaturverlag, Darmstadt 1988, ISBN 3-630-61811-1, S. 113.
  15. Neue Zürcher Zeitung vom 14. Juni 2008: Uwe Stolzmanns Rezension von Der Frost verspinnt die Beete mir mit feinen Netzen
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