Misanthropie (von altgriechisch μισεῖν miseín „hassen, ablehnen“ und ἄνθρωπος ánthrōpos „Mensch“) oder Menschenfeindlichkeit ist die Sichtweise einer Person, die Menschen hasst oder deren Nähe ablehnt. Eine solche Person wird Misanthrop („Menschenhasser, Menschenfeind“) genannt.
Begriffliche Abgrenzung
Misanthropie charakterisiert eine Geisteshaltung, keine Handlungsweise. Ein Misanthrop muss weder gewalttätig, aggressiv noch arrogant sein, altruistisches Handeln ist bei ihm nicht ausgeschlossen. Die Misanthropie steht, trotz des etymologischen Anscheins, begrifflich nicht im Gegensatz zum verwandten Begriff der Philanthropie, mit dem im Allgemeinen eher die Handlungsweise als die Einstellung eines Menschen bezeichnet wird. Bei extremen Fällen von Abscheu dem Menschen gegenüber sondert sich der Misanthrop ab und führt ein Einsiedlerdasein. Diese selbst gewählte Isolation ist von pathologischer Menschenscheu zu unterscheiden, bei der trotz des Wunsches danach keine Nähe zur umgebenden menschlichen Gemeinschaft erreicht werden kann.
Philosophie
Immanuel Kant verurteilte in seiner Allgemeinen Anmerkung zur Exposition der ästhetischen reflektierenden Urteile die Misanthropie:
„Dagegen ist Menschen zu fliehen, aus Misanthropie, weil man sie anfeindet, oder aus Anthropophobie (Menschenscheu), weil man sie als seine Feinde fürchtet, teils hässlich, teils verächtlich.“
Arthur Schopenhauer äußerte sich häufiger in misanthropischer Weise, etwa im Stachelschwein-Gleichnis:
„So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab.“
Kunst
In der Literatur wurde Misanthropie unter anderem von den Dramatikern Menandros (Dyskolos, deutsch Der Griesgram oder Der Menschenfeind), Shakespeare (Timon of Athens, deutsch Timon von Athen), Molière (Le Misanthrope, deutsch Der Menschenfeind) und Schiller (Der versöhnte Menschenfeind) behandelt, ebenso etwa von dem Satiriker Lukian von Samosata (Timon). Auch die ersten Romane Thomas Bernhards, vor allem Frost und Verstörung, sind in ihren Grundzügen und Betrachtungen der Umwelt tief misanthropisch. Der norwegische Autor Matias Faldbakken veröffentlichte mit seinen Werken Cocka Hola Company, Macht und Rebel und Unfun seine Skandinavische Misantrophie-Trilogie.
Siehe auch
Literatur
- Übersichtsdarstellungen
- René Bloch: Misanthropia. In: Reallexikon für Antike und Christentum. Band 24, Hiersemann, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-7772-1222-7, Sp. 828–845
- Hanns Huning: Misanthropie. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 5, Schwabe, Basel 1980, Sp. 1402–1408
- Untersuchungen
- Karim Akerma: Verebben der Menschheit? Neganthropie und Anthropodizee. Alber, Freiburg im Breisgau/München 2000, ISBN 978-3495479124.
- Matt Cartmill: Das Bambi-Syndrom. Jagdleidenschaft und Misanthropie in der Kulturgeschichte. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1995, ISBN 3-499-55566-2.
- Friedrich-Karl Praetorius: Reisebuch für den Menschenfeind. Die Freuden der Misanthropie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-518-38703-0.
- Wendelin Schmidt-Dengler, Martin Huber (Hrsg.): Statt Bernhard. Über Misanthropie im Werk Thomas Bernhards. Österreichische Staatsdruckerei, Wien 1987, ISBN 3-7046-0082-2.
- Bernhard Sorg: Der Künstler als Misanthrop. Zur Genealogie einer Vorstellung (= Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte, Band 51). Niemeyer, Tübingen 1989, ISBN 3-484-32051-6 (zur Misanthropie als Motiv bei Shakespeare, Molière, Thomas Bernhard, Friedrich Schiller und Arno Schmidt).
- Friederike Wursthorn: Der Misanthrop in der Literatur der Aufklärung. Rombach, Freiburg im Breisgau/Berlin/Wien 2013, ISBN 978-3-7930-9733-4 (zugleich Dissertation, Universität Freiburg im Breisgau)