Beim Mordfall im Frankfurter Niddapark wurde in der Nacht zum 9. Mai 2018 eine 29-jährige Frau durch massive Gewalteinwirkung getötet. Der Mord im Niddapark in Frankfurt am Main ist außergewöhnlich, da das Opfer Irina A. und der rechtskräftig verurteilte Mörder Jan M. knapp 15 Monate vor der Tat gemeinsam durch einen ausgedachten „Sex-Mob in der Frankfurter Freßgass“ in die Schlagzeilen geraten waren.

Tatgeschehen im Niddapark

Am 9. Mai 2018 fand ein Spaziergänger gegen 6:30 Uhr auf einer Wiese im Frankfurter Niddapark eine weibliche Leiche, welche als die 29-jährige Irina A. identifiziert wurde. Das Opfer starb durch eine Vielzahl von Messerstichen in Arme, Oberkörper und Kopf. Das Opfer war vollständig bekleidet, am Tatort wurden jedoch weder Handy noch Ausweisdokumente der Getöteten gefunden. Zudem stellten Ermittler fest, dass die Frau auf dem Gehweg in der Nähe einer Parkbank attackiert und die Leiche später auf eine Wiese mit hohem Gras geschleift wurde.

Die Polizei gab zwar zunächst an, in alle Richtungen zu ermitteln, doch mit dem 50-jährigen Jan M., einem Geschäftspartner von Irina A., hatte sie bereits frühzeitig einen Hauptverdächtigen im Visier, der aber zunächst von seiner Lebensgefährtin S. ein Alibi ausgestellt bekommen hatte. Die FAZ korrigierte am 15. Mai ihren ursprünglichen Bericht, das Alibi stamme von seiner Ehefrau. Die Lebensgefährtin S. zog das Alibi später jedoch zurück und erklärte, sie habe die Tage verwechselt. Deswegen wurde gegen sie wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung ermittelt. Nachdem Blutspuren und DNA, die mit der von Jan M. übereinstimmt, am Tatort gefunden worden waren, wurde er unter dringendem Tatverdacht festgenommen. Die Polizei ging anfänglich davon aus, dass sich die beiden zu einem Spaziergang verabredet hatten, in dessen Verlauf es zu einem Streit kam, der mit dem tödlichen Angriff auf Irina A. endete.

Prozess und Urteil

Am 27. August 2019 begann der Strafprozess gegen Jan M. vor dem Landgericht Frankfurt am Main. Die Anklage lautete auf Mord, Raub mit Todesfolge und Betrug. Am 16. März 2020 wurde Jan M. von der Schwurgerichtskammer (21. Große Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main) wegen Mordes, Verstößen gegen das Waffengesetz, Betrugs und der Urkundenfälschung in zwei Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Als Motiv nahm das Gericht Habgier an, weil Jan M. Schulden bei dem Opfer hatte, welche er nicht zurückzahlen konnte. Jan M. leugnete die Tat bis zuletzt. Wie das Landgericht Frankfurt am Main am 8. Juni 2021 mitteilte, ist das Urteil vom 16. März 2020 rechtskräftig. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision Jan M.s einstimmig im Beschlusswege als unbegründet verworfen.

Vor der Tat

Erfundener „Sex-Mob“ in Frankfurter Freßgass

Die im Niddapark getötete Irina A. und ihr Mörder Jan M. gerieten knapp 15 Monate vor der Tat bundesweit in die Schlagzeilen. Irina A. arbeitete als Kellnerin in der Bar von Jan M., zeitweise war sie sogar Teilhaberin des Geschäfts. Im Februar 2017 behaupteten die beiden, in der Frankfurter Freßgass sei es in der Silvesternacht 2016/17 durch eine größere Gruppe von Nordafrikanern zu Belästigungen und sexuellen Übergriffen auf Frauen gekommen. Diese Behauptungen stellten sich später als gelogen heraus.

Verbreitung der Geschichte

Großen Anteil an der Verbreitung der Geschichte hatte die Bild-Zeitung, welche am 6. Februar 2017 von einem „Sex-Mob“ schrieb, der in der Frankfurter Freßgass „getobt“ haben soll. Irina A. gab in der Zeitung zu Protokoll: „Sie fassten mir unter den Rock, zwischen die Beine, an meine Brüste, überall hin.“ Bild bezeichnete sie als „Opfer“, das sein „Schweigen bricht“. Jan M. wird im Blatt zitiert, dass es „Araber gewesen seien“. Am Tag darauf, am 7. Februar 2017 drehte das Sat.1-Frühstücksfernsehen einen Beitrag zum Thema mit den beiden im Lokal von Jan M. Den Kontakt zur Bild stellte der Amerikaner Kerry Reddington her, der Mitglied und Stellvertretender Vorsitzender der Kommunalen Ausländervertretung ist. Reddington soll laut Zapp vom 22. Februar 2017 auch den AfD-Politiker und das Stadtverordneten-Mitglied Rainer Rahn über den angeblichen Sexmob informiert haben. Reddington ist laut der Website des Vereins auch Vorstandsvorsitzender von Republicans Overseas Germany e. V. Die Geschichte wurde weltweit von Medien aufgegriffen.

Ermittlungen wegen Vortäuschung einer Straftat

Die Polizei Frankfurt teilte aufgrund dieser Berichte mit, es lägen keine Hinweise darauf vor, dass es in der Silvesternacht zu vielen Übergriffen auf Frauen durch Migranten gekommen sei. Im Bereich der Freßgass sei es in der Silvesternacht lediglich zu zwei Anzeigen wegen Körperverletzung und zwei Festnahmen (ein Georgier und ein Deutscher) gekommen. Andere Frankfurter Gastronomen teilten diese Einschätzung, es habe „keine Zwischenfälle gegeben“. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb daher von einem „Sex-Mob, den keiner gesehen hat“ und hinterfragte die Glaubwürdigkeit von Jan M., der sich nach Recherchen der Zeitung in sozialen Medien mit Videos u. a. von Rechtsextremen wie Ignaz Bearth beschäftigt und Filme teilt, die eine sich Nationaler Widerstand nennende Gruppierung durch Berlin laufend zeigt. Ferner wird Jan M. als AfD-Sympathisant beschrieben, der die derzeitige Migrationspolitik ablehne.

Am 14. Februar 2017 teilte die Polizei Frankfurt mit, dass es den geschilderten Übergriff auf das Paar wohl gar nicht gegeben habe. Bei Vernehmungen von vermeintlichen Zeugen hätten sich erhebliche Zweifel ergeben. Darüber hinaus sei Irina A. in der Silvesternacht gar nicht in Deutschland gewesen, sondern in Belgrad, was von der Polizei sichergestellte Flugtickets nahelegen. Aufgrund dieser Erkenntnisse leitete die Staatsanwaltschaft Frankfurt ein Ermittlungsverfahren wegen Vortäuschens einer Straftat ein. Am 24. November 2017 wurde Anklage gegen Irina A. und Jan M. erhoben, der Prozess sollte am 8. Juni 2018 beginnen. Das genaue Motiv für das Verbreiten der erfundenen Geschichte ist nicht bekannt. Am plausibelsten erscheint der Wunsch, das Lokal von Jan M. bekannter zu machen.

Medienberichterstattung

Aufgrund zahlreicher Faktoren wie der Vorgeschichte, der Brutalität, der Bekanntheit des Mörders etc. wurde der Fall von regionalen und überregionalen Medien umfangreich begleitet. Insbesondere die lokalen Medien in Frankfurt und Hessen berichteten lange intensiv über den Prozess. Im Jahr 2023, also fünf Jahre nach der Tat, hat die ARD in ihrer Serie „Crime Time“ den Fall in einem Dreiteiler aufgearbeitet.

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 5 Streit um Geld offenbar Motiv für Mord an Irina A., auf faz.net, abgerufen am 13. Mai 2018.
  2. Alibi von Jan M. geplatzt, auf fr.de, abgerufen am 13. Mai 2018.
  3. Katharina Iskandar: Mordfall Irina A.: „Die Ermittler müssen ihre Arbeit tun“. In: FAZ.NET. 15. Mai 2018, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 20. Mai 2018]).
  4. , auf FAZ.net
  5. 1 2 Tote aus dem Niddapark offenbar bei Spaziergang erstochen (Memento des Originals vom 13. Mai 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., auf hessenschau.de, abgerufen am 13. Mai 2018.
  6. Frankfurt: Gemeinsame Pressemeldung der Staatsanwaltschaft Frankfurt und der Frankfurter Polizei: Schneller Ermittlungserfolg der Frankfurter Polizei - Tatverdächtiger festgenommen!, auf presseportal.de, abgerufen am 13. Mai 2018.
  7. Prozessauftakt im Mordfall Irina A., auf spiegel.de
  8. LG Frankfurt/Main, Urteil vom 16. März 2020, Az. 5-21 Ks 5/19.
  9. Lebenslange Haft für Jan M. 16. März 2020, abgerufen am 2. Oktober 2020.
  10. Der Gefallene. 16. März 2020, abgerufen am 2. Oktober 2020.
  11. Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe nach heimtückischer Tötung einer Geschäftspartnerin aus Habgier rechtskräftig. Pressemitteilung Nr. 105/2021. Bundesgerichtshof, 9. Juni 2021, abgerufen am 21. August 2023.
  12. 1 2 „Bild“ füttert rechte Hetzer mit „Sex-Mob“-Gerücht, auf bildblog.de, abgerufen am 13. Mai 2018.
  13. Frankfurter Rundschau: Silvester in Frankfurt: Einsturz eines Lügengebäudes. In: Frankfurter Rundschau. (fr.de [abgerufen am 18. Mai 2018]).
  14. Vegan-Opa 1965: "BILD" LÜGT: SEX-MOB (900 FLÜCHTLINGE) IN FRANKFURT - MASSIVE SEXUELLE BELÄSTIGUNGEN!? Irina A. tot! 23. Februar 2017, abgerufen am 18. Mai 2018.
  15. Impressum – Republicans Overseas Germany. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 20. Mai 2018; abgerufen am 20. Mai 2018 (deutsch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  16. The Frankfurt "sex mob" and why Germany has taken the most aggressive stance against fake news. In: Newsweek. 30. Mai 2017 (newsweek.com [abgerufen am 23. Mai 2018]).
  17. Ryan Gaydos: Woman who helped concoct fake story about Muslim men groping women at German bar found dead. In: Fox News. 21. Mai 2018 (foxnews.com [abgerufen am 23. Mai 2018]).
  18. Woman who made up sex stories about Muslim men found dead. In: NewsComAu. (com.au [abgerufen am 23. Mai 2018]).
  19. How Muslim refugee ‘sex mob’ hoax led to ‘stabbing murder of young mum whose face was mutilated beyond recognition’. In: The Sun. 21. Mai 2018 (thesun.co.uk [abgerufen am 23. Mai 2018]).
  20. Bar owner who lied about Asian sex mob arrested for murdering woman. In: Mail Online. (dailymail.co.uk [abgerufen am 23. Mai 2018]).
  21. Neil Murphy: Young mum 'mutilated beyond recognition' after lies about 'Muslim sex mob'. In: mirror. 21. Mai 2018 (mirror.co.uk [abgerufen am 23. Mai 2018]).
  22. Murder probe as woman who wrongly claimed Muslim sex gang groped her found dead. In: Dailystar.co.uk. 21. Mai 2018 (dailystar.co.uk [abgerufen am 23. Mai 2018]).
  23. Jewish woman found stabbed to death in Frankfurt park. (timesofisrael.com [abgerufen am 23. Mai 2018]).
  24. Jewish woman found stabbed to death in Germany | Jewish Telegraphic Agency. Abgerufen am 23. Mai 2018 (amerikanisches Englisch).
  25. Duitse man vermoordt vrouw waarmee hij verkrachtingshoax door moslims bedacht - DutchTurks.nl | Nieuws & Opinie. Abgerufen am 23. Mai 2018 (niederländisch).
  26. Gastronom unter Verdacht – Entschuldigung von „Bild“, auf faz.net, abgerufen am 13. Mai 2018.
  27. Ein Sex-Mob, den keiner gesehen hat, auf faz.net, abgerufen am 13. Mai 2018.
  28. 1 2 Frankfurt-Innenstadt: Mutmaßliche "Vorfälle in der Freßgass" aus der Silvesternacht von der Polizei aufgeklärt, auf presseportal.de, abgerufen am 13. Mai 2018.
  29. Anklage wegen falscher Sex-Mob-Geschichte, auf faz.net, abgerufen am 13. Mai 2018.
  30. , auf ARD Mediathek, abgerufen am 22. März 2023.
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