Moritz von Lavergne-Peguilhen (* 6. November 1801 in Białystok; † 12. Dezember 1870 in Berlin) war ein preußischer konservativer Politiker, Landrat, Landwirt und Verfasser soziologischer Schriften.
Leben
Moritz von Lavergne-Peguilhen entstammte einer nach Preußen geflüchteten hugenottischen Familie aus dem Languedoc auf dem westlichen Rhoneufer. Sein Vater war der Kriegs- und Domänenrat und spätere (1816) Geheime Oberrechnungrat Ernst-Friedrich von Lavergne-Peguilhen, der als Testamentsvollstrecker von Heinrich von Kleist und Henriette Adolphine Vogel bekannt geworden ist. Seine Mutter war Jeannette Dorothea Lavergne-Peguilhen, geb. Jachmann. Der Familie von Lavergne-Peguilhen wurde 1821 im Königreich Preußen Wappen und Adelsstand „erneuert“, das heißt vom Monarchen anerkannt.
Als ältester Sohn erbte Moritz das Rittergut Kunzkeim (polnisch Droszewo) bei Bischofsburg (Biskupiec), das er 1849 ebenso wie das inzwischen erworbene Gut Bansen (Bęsia) verkaufte. Später besaß er ein Gut in Falmierowo.
1841 war Peguilhen kommissarischer Landrat im Kreis Allenstein der Provinz Preußen. In dieser Zeit verfasste er seine ersten ökonomischen und soziologischen Studien. Er amtierte in derselben Provinz von 1844 bis 1848 als Landrat im Kreis Rößel und von 1849 bis 1861 als Landrat im Kreis Wirsitz. Sein jüngerer Bruder war Alexander von Lavergne-Peguilhen (1803–1867) war ebenfalls Landrat. Er hatte noch zwei Brüder: Franz und Julius, sowie eine Schwester Franziska (* 1797). Sie heiratete zunächst John Stornby und, nach dessen Tod, im Jahr 1822 Ludwig, Graf von Westarp (1791–1850).
Als Landrat bemühte sich Moritz von Lavergne-Peguilhen 1845 um die Ansiedlung hessischer Protestanten in Rothfließ, ein Projekt, das auf weitere ostpreußische Kreise ausgedehnt werden sollte. Dieser Versuch einer Evangelisierung und Germanisierung der polnischstämmigen katholischen Bevölkerung scheiterte an mangelnden landwirtschaftlichen Kenntnissen der vorwiegend zum Handwerkerstand gehörenden Kolonisten.
Lavergne-Peguilhen war von 1843 bis 1845 Mitglied des Provinziallandtages von Preußen und 1847 im Vereinigten Landtag. Er nahm jedoch kaum an den Sitzungen teil; bei fast allen Gelegenheiten wurde sein Fehlen festgestellt.
Zudem wirkte Peguilhen von 1849 bis 1858 in der Ersten Kammer des Preußischen Abgeordnetenhauses.
Peguilhen heiratete am 23. April 1844 die aus Kurland stammende Baronin Lida Wilhelmine Caroline Edle von Simolin (* 19. Januar 1814 in Angern; † 15. August 1895 in Potsdam), eine Tochter von Gustav Nicolai Otto Edler von Simolin und der Wilhelmine Dorothea, geb. von Rahden.
Werke
- Grundzüge der Gesellschaftswissenschaft. Bd. 1: Die Bewegungs- und Productionsgesetze. Ein staatswirthschaftlicher Versuch (Web-Ressource); Bd. 2: Die Kulturgesetze (Web-Ressource); J. H. Bon's Buchhandlung, Königsberg 1838–1841
- Die Landgemeinde in Preußen. Bornträger, Königsberg 1841 (Web-Ressource).
- Darstellung der im Jahre 1845 zu Rothfließ im Kreise Rößel des Königsbergischen Regierungsbezirkes errichteten Kolonie deutscher Ackerwirthe, Königsberg 1846 f. (Verhandlungen des Vereins zur Beförderung der Landwirtschaft zu Königsberg).
- Sozialpolitische Studien. Ferdinand Schneider, Berlin 1863 (Web-Ressource).
- Schleswig-Holstein. Socialpolitische Studien. Friedrich Schulze, Berlin 1866 (Web-Ressource).
- Die conservative Sociallehre. Mittelst Erörterung von Tagesfragen erläutert. Heft 1: Die Concurrenz und die Gliederung der Staaten, (Web-Ressource); Heft 2: Die organische Staatslehre, (Web-Ressource). Friedrich Schulze, Berlin 1868–1870.
Literatur
- Rezension von Grundzüge der Gesellschafts-Wissenschaft in: Allgemeine Preußische Staats-Zeitung Nr. 95, 5. April 1838, S. 382 (Digitalisat).
- Rezension von Die conservative Soziallehre in: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft 25 (1869), S. 412 (Web-Ressource); 27 (1871), S. 114 f. (Web-Ressource).
- Franz Mehring: Über den historischen Materialismus. In ders.: Die Lessing-Legende. J. W. Dietz Nachf., Stuttgart 1893, S. 429–500 (Anhang); dass. in Gesammelte Schriften, Band 13, S. 289–343 (Web-Ressource).
- Bernhard-Maria Rosenberg: Beiträge zur Geschichte des politischen Lebens im Ermland während des Vormärz und der 1848er Revolution. In: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands Bd. 31/32, der ganzen Folge Heft 92/93 /(1967/1968) S. 239–318 (Web-Ressource).
- Bernhard-Maria Rosenberg: Die ostpreussische Vertretung im preussischen Landtag 1842-1862. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Parlamentarismus in Deutschland, Grote, Köln 1979, ISBN 3-7745-6426-4.
- Angela Stender: Durch Gesellschaftswissenschaft zum idealen Staat. Moritz von Lavergne-Peguilhen (1801–1870) Diss., Gießen 2002; Duncker & Humblot, Berlin 2005 (Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Band 29), ISBN 3-428-11231-8.
Einzelnachweise
- ↑ Wappenbuch der Preussischen Monarchie, Band III, Nürnberg 1836, Tafel 81.
- ↑ Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE). Bd. 6, Ausgabe 2, K. G. Saur Verlag, München 2006, ISBN 3-598-25036-3, S. 291.
- ↑ Bernhard-Maria Rosenberg: Die ostpreussische Vertretung im preussischen Landtag 1842–1862. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Parlamentarismus in Deutschland. ISBN 3774564264, 1979, S. 148.
- ↑ Georg Becker: Moritz von Lavergne-Peguilhen. Ein Beitrag zur Staats- und Gesellschaftsauffassung des neunzehnten Jahrhunderts, 1926, S. 44.
- ↑ Ernst Heinrich Kneschke: Deutsche Grafen-Haeuser der Gegenwart in heraldischer, historischer und genealogischer Beziehung, Band 2, 1853, S. 667.
- ↑ Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preussischen Geschichte, Band 29, 2005, S. 28. Leopold von Zedlitz-Neukirch: Neues preussisches Adels-Lexicon, oder, Genealogische und diplomatische Nachrichten: Band A-D Supplement, 1839, S. 302 f.
- ↑ Hessische Colonie Rothfliess. In: Beiträge zur Landes-, Volks- und Staatskunde des Grossherzogthums Hessen. Herausgegeben vom Verein für Erdkunde und verwandte Wissenschaften in Darmstadt, 1 (1850), S. 221 f. (Web-Ressource).
- ↑ Für Auswanderer. In: Der Freund der Wahrheit und des Volkes Nr. 64, 16. Oktober 1848, S. 223 f. (Web-Ressource).
- ↑ Johannes Hassenstein: Die Geschichte der evangelischen Kirchen im Ermland seit 1772 (mit Bildern), Königsberg 1918 (Schriften der Synodalkommission für ostpreußische Kirchengeschichte, Heft 22), S. 41 f. (Web-Ressource).
- ↑ Henning Albrecht: Antiliberalismus und Antisemitismus. Hermann Wagener und die preußischen Sozialkonservativen 1855–1873, Ferdinand Schöningh, Paderborn u. a. 2010, S. 159; (eingeschränkte Vorschau bei Google Book Search).
- ↑ Bernhard-Maria Rosenberg: Beiträge zur Geschichte des politischen Lebens im Ermland während des Vormärz und der 1848er Revolution. In: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands Bd. 31/32, der ganzen Folge Heft 92/93 /(1967/1968) S. 279.
- ↑ Bärbel Holtz (Bearb.): Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817–1934/38. Bd. 4/II. In: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Acta Borussica. Neue Folge. Olms-Weidmann, Hildesheim 2003, ISBN 3-487-11827-0, S. 603, (Online; PDF 1,9 MB).