Die Bezeichnung Mozart-Quinten verweist in der Musiktheorie auf Quintparallelen, die durch die Fortschreitung von einem übermäßigen Quintsextakkord zum Dreiklang der V. Stufe entstehen:
Geprägt wurde der Begriff vermutlich von Wilhelm Tappert:
„Mozart hat mehr als einmal den übermässigen Quint-Sexten-Accord direct aufgelöst und also – Quinten gemacht; er hat das so oft gethan, dass man von „Mozart’schen Quinten“ reden darf.“
In seiner Studie Das Verbot der Quinten-Parallelen (1869) widmet Tappert den „Mozart-Quinten“ einen eigenen Abschnitt. Zuvor hatte bereits Adolph Bernhard Marx ein Beispiel wie das obige in einer Diskussion des übermäßigen Sextakkords mit dem Vermerk „Mozart“ versehen, ohne dies allerdings näher zu kommentieren.
In neuerer Literatur wird hervorgehoben, dass solche Quintparallelen bei Mozart zwar vorkommen, in seinem Œuvre aber insgesamt eine Seltenheit sind. Beispiele sind u. a.:
- Dans un bois solitaire KV 308, T. 54–57
- Sinfonie in D-Dur KV 504, 2. Satz, T. 25–26, Bass/Viola
- Sinfonie in Es-Dur KV 543, 1. Satz, T. 167–168, Bass/Violine II
In manchen der von Tappert genannten Beispiele (u. a. Die Entführung aus dem Serail Nr. 16, T. 96–97) werden die Stimmen so geführt, dass in Wahrheit gar keine Quintparallelen vorkommen.
Kaum eine Seltenheit sind Mozart-Quinten hingegen in Musik des 19. Jahrhunderts, z. B.:
- Frédéric Chopin: Nocturne in cis-Moll, KK IVa Nr. 16 (1827), T. 1.
- Robert Schumann: Album für die Jugend op. 68 (1848), Erster Verlust, T. 21–22.
Schon 1802 gestattet Charles-Simon Catel diese Art von Quintparallele in seinem einflussreichen Traité d’harmonie ausdrücklich, sofern sie nicht zwischen den Außenstimmen stattfindet. In deutschsprachigen Harmonielehren des 20. Jahrhunderts wird sie als „Mozart-Quinten“ ebenfalls ausdrücklich gebilligt.
Quellen (chronologisch)
- Charles-Simon Catel: Traité d’harmonie. Imprimerie du Conservatoire, Paris 1802.
- Adolph Bernhard Marx: Die alte Musiklehre im Streit mit unserer Zeit. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1841 (Digitalisat).
- Wilhelm Tappert: Das Verbot der Quinten-Parallelen. Eine monographische Studie. Matthes, Leipzig 1869 (Digitalisat).
- Rudolf Louis, Ludwig Thuille: Harmonielehre. Klett & Hartmann, Stuttgart 1907 (7. Auflage 1920 auf archive.org).
- Arnold Schönberg: Harmonielehre. Wien 1911; erw. 3. Aufl. Universal Edition, Wien 1922.
Einzelnachweise
- ↑ Tappert 1869, S. 77–82.
- ↑ Marx 1841, S. 127.
- ↑ z. B. Ulrich Konrad: Mozart, (Joannes Chrysostomus) Wolfgang. Abschnitt II.5.c. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 12 (Mercadante – Paix). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2004, ISBN 3-7618-1122-5 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
- ↑ Catel 1802, S. 61: „Les deux quintes de suite que renferme ce passage sont tolérées, pourvu qu’elles ne soient pas placés dans les parties extrêmes, c’est-à-dire entre la partie la plus aigue et la plus grave.“
- ↑ z. B. Louis, Thuille 1907, S. 380: „Die sogenannten Mozartquinten dürfte heute wohl niemand mehr beanstanden“; Schönberg 1922, S. 296 f.