Mukai Genshō (jap. 向井 元升; * 7. März 1609 in Sakimura, Bezirk Kanzaki, Provinz Hizen (heute Stadt Kanzaki, Präfektur Saga), Japan; † 25. November 1677 in Kyōto; jap. Kalender: Keichō 14/2/2-Enpō 5/11/1) war ein Neo-Konfuzianer, der auch in der Astronomie, Medizin und Heilmittelkunde einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Entwicklung des 17. Jahrhunderts leistete.

Leben

Mukai Genshō wurde im Dorf Saki (酒村 bzw. 崎村) geboren, das im Bezirk Kanzaki (神崎郡) der Provinz Hizen lag. Im Alter von neun Jahren siedelte der Vater nach Nagasaki über, wo die Familie im Stadtviertel Kōzen lebte. Kurz darauf wurde die Handelsniederlassung der Niederländischen Ostindien-Kompanie von Hirado nach Nagasaki auf das nur etwa 300 m von Mukais Haus entfernt aufgeschüttete Inselchen Dejima verlegt.

Zum Bildungsgang ist kaum etwas bekannt. Dem von Kaibara Ekiken 1694 verfassten Epitaph zufolge erwarb Mukai sein enormes Wissen in unermüdlichem Selbststudium. Dies gilt auch für die Medizin. Kaibara bezeichnet ihn als einen der herausragenden Ärzte seiner Zeit.

Mukai genoss das Vertrauen der Behörden in Nagasaki, das unter der direkten Kontrolle der Tokugawa-Regierung stand. 1639 wurde er mit der Zensur der angelandeten chinesischen Bücher beauftragt. 1647 übernahm er einen im Stadtteil Kōzen errichteten Konfuziustempel, im folgenden Jahr etablierte er die Privatschule Honindō (輔仁堂) im Stadtteil Imakago. Dass er in der 1655 verfassten Schrift ‚Was sich gehört’ (知耻篇, Chichi-hen) das Christentum wie auch die durch den 1654 ins Land gekommenen Mönch Ingen Ryūki (chin. Yǐnyuán Lóngqí) propagierten Lehren der Obaku-Schule kritisierte, dürfte sein Ansehen im Gouvernement von Nagasaki wie auch am Hofe in Edo weiter gefestigt haben.

In jenen Jahren oblag die innere Sicherheit des Landes dem Reichsinspekteur Inoue Masashige (井上 政重), der – teils aus persönlichem Interesse, teils zur Stabilisierung des Herrschaftssystems – intensiv die Übernahme westlicher Technik, Chirurgie, Astronomie und anderer nützlicher Dinge vorantrieb. Anfang der fünfziger Jahre beauftragte er Mukai mit der Bearbeitung eines Textes zur Astronomie, den der vom Christentum abgefallene Jesuitenpater Christovão Ferreira (alias Sawano Chūan) auf japanisch, aber in lateinischen Buchstaben verfasst hatte. Die 1656 von Mukai ins japanische Schriftsystem übertragene und mit Kommentaren versehene ‚Kritische Erklärung von Himmel und Erde’ (乾坤弁説, Kenkon bensetsu) war die erste Abhandlung zur europäischen Astronomie in Japan.

Nach dem zehnmonatigen Aufenthalt des Leipziger Chirurgen Caspar Schamberger im Jahre 1650 war am Hofe in Edo das Interesse an westlicher Medizin, insbesondere an der Chirurgie gewachsen. Die ersten Berichte wurden durch Dolmetscher verfasst, die von Medizin wenig verstanden. 1656 erging daher eine Anweisung des Reichsinspekteurs Inoue an Mukai, dass dieser sich bei dem auf Dejima stationierten Breslauer Chirurgen Hans Juriaen Hancke kundig machen und einen Bericht über westliche Heilmittel und chirurgische Therapien zusammenstellen solle. Die 1657 abgeschlossene Schrift kombinierte westliche Therapien mit den ätiologischen Konzepten der traditionellen chinesisch-japanischen Medizin. Das Manuskript wurde bis weit ins 18. Jh. in handschriftlichen Kopien verbreitet. Teile davon finden sich in den von Yamawaki Dōen (山脇 道円) im Jahre 1670 publizierten ‚Guten Rezepten der Holland-Chirurgie’ (阿蘭陀外科良方, Oranda geka ryōhō), dem ersten japanischen Druckwerk zur sogenannten ‚Chirurgie der Holländer’.

1658 siedelte Mukai nach Kyōto über. Im folgenden Jahr erschien Kaibara Ekiken in Kyōto, und die Begegnung beider führte zu einer lebenslangen freundschaftlichen Beziehung. 1671 entstand auf Bitte des Landesherren (Daimyō) von Kaga, Maeda Takasada (前田 孝行, 1628–1707) unter dem Titel Hōchū biyō wamyō honzō (庖厨備用倭名本草) ein noch heute nützliches Werk über gesunde und lebensverlängernde Nahrungsmittel. Mukai wählte hierzu aus dem Speisekräuter-Buch Shíwù běncǎo (食物本草) des Chinesen Li Dōngyuán (李東垣) und anderen Schriften etwa 460 Nutzpflanzen und Kräuter und beschreibt deren Eigenschaften und Wirkungen.

Mukai Genshō starb 1677 in Kyōto. Sein Grab findet sich zusammen mit den Gräbern seiner Nachfahren auf dem Friedhof des Shinshō-Gokuraku-Tempels (Shinshō-Gokuraku-ji 真正極楽寺, auch Shinnyo-dō 真如堂 genannt).

Unter seinen Kindern machte sich der zweite Sohn Mukai Kyorai (1651–1704) als Haiku-Dichter einen Namen.

Einer der Schüler Mukais, Iwanaga Sōko (岩永宗古, 1634–1705), unterstützte später den niederländischen Arzt Willem ten Rhijne, als dieser auf Dejima versuchte, hinter die Geheimnisse der Akupunktur und Moxibustion zu kommen. Sein Name wird in Ten Rhijnes „Dissertatio de Arthritide: Mantissa Schematica: De Acupunctura: Et Orationes Tres“ (1683) genannt, die den Begriff Akupunktur in Europa einführte.

Literatur

  • Hubert Cieslik: The Case of Christovao Ferreira. In: Monumenta Nipponica, No. 29 (1973), pp. 1–54
  • Hiraoka Ryūji: The Manuscripts of Kenkon bensetsu. In: Bulletin of Nagasaki Museum of History and Culture, Vol. 1, (2006), pp. 51–63. (平岡 隆二「乾坤弁説」諸写本の研究『長崎歴史文化博物館研究紀要』) (Digitalisat)
  • Ryuji Hiraoka: The Transmission of Western Cosmology to Sixteenth century Japan. In: Luis Saraiva and Catherine Jami (eds.): The Jesuits, the Padroado and East Asian Science (1552-1773): History of Mathematical Sciences - Portugal and East Asia III. Singapore: World Scientific, 2008, pp. 81–98.
  • Ryuji Hiraoka: Clavius and His Astronomical Data during the 'Christian Century' in Japan. In: Historia scientiarum. Second series : International Journal of the History of Science Society of Japan, Vol. 18(3), 2009,pp. 213–236. (Digitalisat)
  • Hiraoka Ryūji: Nanban-kei uchūron no gententeki kenkyū (Quellenkritische Untersuchungen zur Kosmologie der Südbarbaren). Fukuoka: Hanashoin, 2013, pp. 131–133, 134-140, 148-155.
  • Kokushi daijiten [Großes Lexikon der japanischen Geschichte]. Tokyo: Yoshikawa kōbunkan, 1979. (『国史大辞典』吉川弘文館)
  • Komoguchi Isao: A Sketch of Mukai Gensho's Zhi Chi Pian: His Views of Shintoism, Buddhism and Early Christianity in Japan. In: Studies in Chinese Philosophy, Vol. 19 (1993), pp. 54–69. (菰口 治「向井元升の『知恥篇』素描 ー 神道・仏教・キリシタン観」『中国哲学論集』) (Digitalisat)
  • Wolfgang Michel: On Early Red-head-style External Medicine and the Confucian Physician Mukai Gensho. Journal of the Japan Society for Medical History, Vol. 56 (2010), No. 3, pp. 367–385. (ヴォルフガング・ミヒェル「初期紅毛流外科と儒医向井元升について」『日本医史学雑誌』) (Digitalisat)
  • Wolfgang Michel: Hans Jurian Hancke, Mukai Genshô und Zacharias Wagener - Aspekte einer 'lehrreichen' Begegnung im 17. Jahrhundert. In: Bulletin of the Graduate School of Social and Cultural Studies, Kyushu University No. 1 (1995), pp. 109–114. (Digitalisat)
  • Wolfgang Michel: On the Confucianist Physician Mukai Genshō and the Introduction of Western Medicine and Herbs into Japan. In: Wakaki Tai'ichi (ed.): Nagasaki as a Stage of Cultural Exchange between the East and the West. Tokyo: Bensei Shuppan, 2013, pp. 161–186. ISBN 978-4-585-22058-9 (ミヒェル「儒医向井元升と西洋医学・本草学の受容について」。若木太一編『長崎・東西文化交渉史の舞台』)
  • Wakaki Taiichi: On the Tombstones of the Mukai Family in Shinnyodō, Kyōto - Genealogy of the Literary Man Mukai Genshō. In: Bulletin of Faculty of Liberal Arts, Nagasaki University. Vol. 33(1993), No. 2, pp. 1–15 (若木 太一「京都向井家墓碑考 ー 文人向井元升の家系」『長崎大学教養部紀要 人文科学篇』) (Digitalisat)
  • Watanabe Kurasuke: Kyorai no chichi Mukai Genshō. In: Mukai Kyorai. Nagasaki; Kyorai Kenshōkai, 1954, pp. 354–415, 705-708 (渡辺庫輔「去来の父向井元升」.毎日新聞社図書編集部編『向井去来』 長崎: 去来顕彰会)

Anmerkungen

  1. Mehr zur Grabstätte und dem Epitaph bei Watanabe (1954) und Wakaki (1993).
  2. Japans Machthaber suchten mit allen Mitteln das einheimische Christentum auszumerzen. Dazu gehörte u. a. ein Importverbot für Bücher christlichen Inhalts. Da man wusste, dass am Hofe in Peking Jesuiten wirkten und chinesische Werke schrieben, wurden alle nach Nagasaki, dem einzigen Anlaufhafen Japans, gebrachten Druckwerke überprüft.
  3. Mehr hierzu bei Komoguchi (1993).
  4. Mehr hierzu bei Cieslik (1973), Hiraoka (2006, 2008, 2009).
  5. Mehr hierzu bei Michel (1995, 2010).
  6. Mehr hierzu bei Wakaki (1993).
  7. Mehr hierzu bei Watanabe (1954).

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