Musikarchäologie ist eine wissenschaftliche Disziplin, die Musikwissenschaft mit den Methoden der Archäologie verbindet, um Musik und andere akustische Phänomene früher und generell vergangener Kulturen im Hinblick auf die Erzeugung und Wahrnehmung von Klängen zu erforschen. Zu den untersuchten Fundobjekten gehören Klangerzeuger, ikonographische Repräsentationen von Musik und schriftliche Quellen.
Definition
Die Musikarchäologie beschäftigt sich mit archäologisch gefundenen Musikinstrumenten, die meist jedoch nur in Fragmenten erhalten sind. Sie ist damit formal eine archäologische Teildisziplin, die jedoch auch viele Beziehungen zur Musikgeschichte und Musikethnologie hat.
Musikarchäologen untersuchen zunächst die Teile eines gefundenen Musikinstrumentes und versuchen, dieses zum Klingen zu bringen. Meist ist dieses nur durch Rekonstruktionen möglich. Danach erforschen sie das Umfeld dieses Instrumentes, mit Fragen wie:
- Wie wurde es gespielt?
- Bei welchen Anlässen wurde es möglicherweise gespielt (z. B. bei rituellen Anlässen oder im Alltag)?
- Gibt es verwandte Instrumente bzw. Funde?
- In welchen kulturhistorischen Zusammenhang gehört das Instrument?
Geschichte
Seit den späten 1970er Jahren tauchten vermehrt Fragen zu gefundenen Resten von Musikinstrumenten aus vor- und frühgeschichtlichen Epochen auf, die mit den bisherigen Forschungsmethoden nicht untersucht werden konnten. 1981 gründeten Ellen Hickmann und Cajsa S. Lund die Study Group on Music Archaeology, in der sich Archäologen, Altertumsforscher, Musikwissenschaftler und weitere Experten zusammenschlossen. Diese trafen sich regelmäßig zu Tagungen. 1983 wurde sie vom International Council for Traditional Music als Gruppe aufgenommen. 1998 benannte sie sich in International Study Group on Music Archaeology (ISGMA) um und gliederte sich dem Deutschen Archäologischen Institut in Berlin an. Die Leitung hatten seitdem Ellen Hickmann und Ricardo Eichmann.
Es gibt bisher keinen Lehrstuhl für Musikarchäologie an einer Universität und keine direkte akademische Ausbildung zum Musikarchäologen.
Forschungsschwerpunkte
Die Forschungen widmeten sich bisher vor allem den Instrumenten und der Musikpraxis in den frühen Hochkulturen Mesopotamiens, Altägyptens, der griechischen und römischen Antike, sowie den präkolumbianischen Kulturen Altamerikas. Besonders spektakulär waren die bisher ältesten gefundenen Instrumente, Knochenflötenreste aus der Jungsteinzeit vor etwa 45.000 bzw. 35.000 Jahren in Divje Babe in Slowenien und im Geißenklösterle in der Schwäbischen Alb.
Aus dem europäischen Mittelalter sind für die meisten Instrumente bisher nur sehr wenige Funde bekannt (z. B. Orgelteile um 1320; Tambourin 1589). Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Erforschung der frühen vorschriftlichen Musikgeschichte Nord-, Mittel- und Osteuropas.
Musikarchäologen
Literatur
- Ellen Hickmann und Ricardo Eichmann (Hrsg.): Studien zur Musikarchäologie I–X, Rahden/Westfalen, 2000, Tagungsbände der ISGMA
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Einführung in die Musikarchäologie Archäologie online, mit einigen Darstellungen der inhaltlichen Fragestellungen
- ↑ ISGMA. Abgerufen am 31. August 2022.
- ↑ Musikarchäologie. Schwirrplättchen, Knochenflöten Deutschlandfunk Kultur vom 5. August 2015
- ↑ Kaj van Vliet: Interview met Annemies Tamboer. In: Madoc. 1993. S. 85–88, hier S. 86 (deutsch); über die Seltenheiten von gefundenen mittelalterlichen Musikinstrumenten in Europa mit dem Beispiel Tambourin
- ↑ Annemies Tamboer: Ausgegrabene Klänge. Archäologische Musikinstrumente aus allen Epochen. Ausstellungskatalog Oldenburg 1999, S. 38; über älteste Orgelteile in Europa in Greifswald, die um 1320/80 entsorgt worden waren