Großes Mausohr

Großes Mausohr (Myotis myotis) im Quartier in einer Brücke

Systematik
Ordnung: Fledertiere (Chiroptera)
Überfamilie: Glattnasenartige (Vespertilionoidea)
Familie: Glattnasen (Vespertilionidae)
Unterfamilie: Myotinae
Gattung: Mausohren (Myotis)
Art: Großes Mausohr
Wissenschaftlicher Name
Myotis myotis
(Borkhausen, 1797)

Das Große Mausohr oder auch nur Mausohr (Myotis myotis) ist eine Fledermaus-Art aus der Gattung der Mausohren, die 1797 von Borkhausen unter der Bezeichnung Vespertilio myotis erstbeschrieben wurde. Man findet sie auch unter dem Namen Riesenfledermaus. Eine ähnliche Art ist das Kleine Mausohr (Myotis blythii). Das Große Mausohr wurde vom Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher zum Höhlentier des Jahres 2011 gewählt.

Beschreibung und Systematik

Das Große Mausohr ist, mit einer Kopf-Rumpf-Länge zwischen 6,7 und 8,4 Zentimetern sowie einer Flügelspannweite zwischen 35 und 43 Zentimetern, die größte europäische Myotis-Art. Ein ausgewachsenes Exemplar wiegt zwischen 28 und 40 Gramm. Das Große Mausohr hat eine sehr kurze und breite Schnauze, die Ohren sind lang und breit. Das kurze Fell ist bei adulten Tieren an den Haarwurzeln schwarzbraun, an der Oberseite eher hell-braungrau gefärbt. Die Bauchseite ist weißgrau, der Halsbereich manchmal leicht gelblich gefärbt. Jungtiere sind eher grau als bräunlich gefärbt. Die Schnauze, die Ohren und die Flügel sind graubraun. Das Kleine Mausohr ist im Gegensatz zum adulten Großen Mausohr dunkelgrau gefärbt, zudem sind die Körpermaße meistens kleiner als beim Großen Mausohr. Auch die Zahl der Ohrfalten (7–8 beim Großen Mausohr, 5–6 beim Kleinen Mausohr) ist ein Unterscheidungsmerkmal.

Es werden zwei Unterarten unterschieden: Die Nominatform Myotis myotis myotis sowie die in der Osttürkei und dem Nahen Osten vorkommende M. m. macrocephalicus (D. L. Harrison & R. E. Lewis 1961), die in den Körper- und Gewichtsmaßnahmen über denen der Nominatform liegt.

Verbreitungsgebiet, Lebensraum und Lebensweise

Das Große Mausohr ist auf dem mittel-, süd-, südost- und westeuropäischen Kontinent weit verbreitet. Die Verbreitungsgrenze im Osten läuft entlang des Dnepr bis zum Schwarzen Meer. Im Nahen Osten gibt es Vorkommen in Israel, Syrien und dem Libanon. Nördlich reicht die Verbreitung bis in den Norden von Polen, Schleswig-Holstein in Deutschland und den Süden der Niederlande. In Großbritannien wurde die Art bis 1985 vereinzelt nachgewiesen, seit 1990 gilt die dort als ausgestorben. Von anderen Vorkommen isolierte Skelettfunde gibt es von den Azoren. In Nordafrika sowie auf Sizilien, Korsika und Malta fehlt das Große Mausohr, es wird hier durch das Punische Mausohr (Myotis punicus) abgelöst.

Zum Lebensraum des Großen Mausohres gehört vor allem offenes Gelände wie Wiesen, Felder und offenes Waldland, aber auch menschliche Siedlungen. Sommerquartiere liegen in Dachstühlen und Kirchtürmen, auch in Brücken, wo die Tiere frei hängen. Wochenstubenkolonien der Weibchen mit ihrem Nachwuchs umfassen in Mitteleuropa meist 50 bis 1000 Tiere, in einigen Fällen jedoch bis zu 5000. Im Mittelmeerraum sind diese Kolonien noch größer, in Einzelfällen aus etwa 8000 Individuen. Die Männchen des Großen Mausohrs sammeln sich im Sommer in sogenannten Männchenquartieren, isoliert von Weibchen und Nachwuchs. Als Standorte dienen ebenfalls Dachböden oder Widerlager von Brücken, aber auch Vogel- oder Fledermauskästen oder Baumhöhlen. Zwischen Sommer- und Winterquartier liegen Entfernungen von 50 bis 100 km. Als Winterquartiere dienen Höhlen, Stollen, Bunkeranlagen oder Keller. Da es deutliche Unterschiede zwischen der Anzahl der Tiere in Wochenstubenquartieren und den im Winterquartier wieder gefundenen Tieren gibt, wird davon ausgegangen, dass ein Großteil der Tiere in Mitteleuropa in Felsspalten oder ähnlichen Spaltenräumen überwintert, die im Winter nicht eingesehen und somit die Tiere nicht gezählt werden können. In Südeuropa hingegen überwintert ein Großteil der Tiere in Höhlen.

In einem Jahr bekommt jedes Weibchen nur ein Junges, dessen Gewicht zwischen 4 und 6,5 Gramm liegt. Die Tragzeit liegt bei ungefähr 60 Tagen (je nach Ernährung 50 bis 70 Tage). Nach etwa fünf Wochen erfolgen erste Ausflüge der Jungtiere aus der Wochenstubenkolonie.

Bei der Nahrungssuche fliegen die Tiere gerne in niedriger (1 bis 2 m über dem Boden) und mittlerer Flughöhe zwischen Bäumen herum, dabei wird auf die Raschelgeräusche der am Boden laufenden Beute gehört (Passivortung). Vermutlich spielt auch der Geruchssinn beim Auffinden der Beute eine größere Rolle, die Echoortung tritt hierbei in den Hintergrund. Die Tiere sind auch für einen kurzen Zeitraum zum sogenannten Rüttelflug fähig. Zwischen Quartier und Jagdhabitat können 4 bis 17 Kilometer liegen. Hauptnahrung sind bodenlebende Gliedertiere, vor allem Großlaufkäfer (Carabus), Spinnentiere (Arachnida) und Hundertfüßer (Chilopoda).

In Freilandexperimenten wurde nachgewiesen, dass die Tiere über einen Magnetsinn verfügen und ihren „inneren Kompass“ während der Abenddämmerung mit Hilfe von polarisiertem Licht kalibrieren.

Naturschutz

Das Große Mausohr ist nach der Bundesartenschutzverordnung streng geschützt. Nach einer starken Abnahme des Bestandes in der Vergangenheit hat sich seit den 1980/1990er Jahren der Bestand leicht erholt bzw. ist stabil, sodass die IUCN das Große Mausohr auf Grund des großen Verbreitungsgebiets und der Anzahl der Individuen als „nicht gefährdet“ einstuft (least concern).

Das Große Mausohr wird von der Europäischen Union im Anhang II und Anhang IV der FFH-Richtlinie geführt und gilt somit als streng zu schützende Art von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhalt besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. Fledermausarten sind nach Anhang IV der FFH-Richtlinie auch außerhalb von FFH-Gebieten streng geschützt, für Arten des Anhangs II gilt das nicht. Als FFH-Gebiete zum Schutz von Wochenstuben des Großen Mausohrs sind unter anderem folgende Gebäude(teile) ausgewiesen: Haus Düsse, St. Johannis (Rahden), St. Johannis (Salzhausen), Wasserschloss Ulenburg, Evangelische Kirche Ledde, Evangelische Kirche Neidhartshausen, Historisches Rathaus Höxter, Historisches Rathaus Duderstadt und Kirche in Dosdorf (Thüringen). Besonders viele Wochenstuben der Fledermaus befinden sich im FFH-Gebiet Mausohrkolonien im Steigerwaldvorland, das einzelne Standorte in den unterfränkischen Landkreisen Kitzingen und Haßberge umfasst.

Literatur

  • R. Güttinger, A. Zahn, F. Krapp, W. Schober: Myotis myotis (Borkhausen, 1797) – Großes Mausohr, Großmausohr. In: Franz Krapp (Hrsg.): Die Fledermäuse Europas. Ein umfassendes Handbuch zur Biologie, Verbreitung und Bestimmung. Aula Verlag, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-89104-751-4, S. 123–207.
  • C. Dietz, O. Helversen, D. Nill: Handbuch der Fledermäuse Europas und Nordwestafrikas. Biologie, Kennzeichen, Gefährdung. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-440-09693-2, S. 252–259.
Commons: Großes Mausohr (Myotis myotis) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Theodor C.H. Cole: Wörterbuch der Säugetiernamen - Dictionary of Mammal Names. 1. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2015, ISBN 978-3-662-46269-0.
  2. Höhlentier des Jahres 2011 (Memento des Originals vom 29. Januar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  3. Güttinger et al. 2011 S. 123.
  4. 1 2 Klaus Richarz: Fledermäuse beobachten, erkennen und schützen. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-440-09691-8, S. 104.
  5. Dietz et al. 2007 S. 252.
  6. Güttinger et al. 2011 S. 122.
  7. Dietz er al. 2007 S. 253.
  8. Güttinger et al. 2011 S. 130f.
  9. Dietz et al. 2007 S. 252f.
  10. 1 2 Dietz et al. 2007 S. 254.
  11. Güttinger et al. 2011 S. 139f.
  12. Güttinger et al. 2011. S. 140ff.
  13. 1 2 Dietz et al. 2007, S. 255.
  14. 1 2 Dietz et al. 2007, S. 256.
  15. Güttinger et al. 2011 S. 178.
  16. Stefan Greif, Ivailo Borissov, Yossi Yovel und Richard A. Holland: A functional role of the sky’s polarization pattern for orientation in the greater mouse-eared bat. In: Nature Communications. Band 5, Artikel-Nr. 4488, 2014, doi:10.1038/ncomms5488.
  17. Myotis myotis in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2017.1. Eingestellt von: I. Coroiu, J. Juste, M. Paunović, 2016. Abgerufen am 12. September 2017.
  18. DE4315305 Haus Düsse.  (FFH-Gebiet) Steckbriefe der Natura-2000-Gebiete. Herausgegeben vom Bundesamt für Naturschutz. Abgerufen am 12. März 2017. (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Juli 2023. Suche in Webarchiven.) (siehe dazu die Disk "BfN hat umstrukturiert...")
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