Ein Nanomaterial ist im Prinzip ein Material, dessen einzelne Einheiten in einer Größe zwischen 1 und 1000 Nanometer (10−9 Meter, Milliardstel Meter) liegen. Üblicherweise werden Stoffe im Nanoscale-Bereich (1 nm – 100 nm) als Nanomaterialien angesehen.
Natürliche Nanomaterialien
Einige Beispiele aus der belebten Natur: Die Feinstruktur von Foraminiferen und Viren (Kapsid), die Wachskristalle auf der Oberseite eines Lotos- oder Brunnenkresseblattes, Seide (wie Raupen-, Spinnen-, Spinnmilbenseide und Byssus), das Exoskelett der Gliederfüßer (mit Füßen, Antennen und Mundwerkzeugen), die blaue Färbung von Vogelspinnen, die Hafthärchen an Geckofüßen, Schmetterlingsschuppen, Kollagenfibrillen, natürliche Kolloide (wie Milch, Blut), verhornte Gewebe (wie Haut, Krallen, Schnäbel, Federn, Hörner, Haare), Leitbündel, Xylem, Baumwolle, Perlmutt, Korallen und unsere Knochenmatrix sind natürliche organische Nanomaterialien.
Natürliche anorganische Nanomaterialien sind das Produkt natürlicher Erosion (Tonminerale) und/oder vulkanischer Aktivität (Opal), aber auch Waldbrände. Durch gezieltes Brennen entstehen mineralische Pigmente, Zement, pyrogene Kieselsäuren etc.
- Schema eines ikosaedrischen Kapsids (Die Kugeln entsprechen den einzelnen Kapsomeren.)
- Lotuseffekt, wasserabweisender Effekt mit Selbstreinigungsfähigkeit
- Nahaufnahme der Unterseite eines Geckofußes, der auf einer Glaswand läuft (Hafthärchen: 200 × 10-15 nm).
- Pfauenfeder (Ausschnitt)
- Brasilianischer Opal. Das Opalisieren entsteht durch Reflexion und Interferenz des Lichtes zwischen Kieselgelkügelchen (150 bis 400 nm).
- Becher des Lykurgus, Glas, 4. Jhd., römisch. Gold- und Silber-Nanopartikel (70 nm) dispergiert in Kolloidform sorgen für die Zweifarbigkeit (Dichroismus, rot/grün).
Synthetische Nanomaterialien
Materialien, die aus Fullerenen (Kohlenstoff-„Fußbällen“ oder Nanoröhrchen), Industrierußen oder Nanoteilchen (Nanopartikel, Metallen, Metall- und Halbmetalloxiden, Metallsulfiden, Halbleitern oder Polymeren) zusammengesetzt sind.
Marktgröße
Der Weltmarkt für (vorwiegend synthetische) Nanomaterialien wird für 2011 auf 11 Millionen Tonnen mit einem Wert von 20 Milliarden Euro geschätzt.
Rechtliche Definition
Die Definition von „Nanomaterial“ variiert stark zwischen verschiedenen Institutionen.
Als Nanomaterialien werden nach der Europäischen Kommission seit dem 18. Oktober 2011 Materialien bezeichnet, welche sich aus Nanoobjekten (1 nm bis 100 nm) im ungebundenen Zustand, d. h. aus Aggregaten oder Agglomeraten, zusammensetzen und mehr als 50 Prozent an Nanoobjekten in der anzahlgewichteten Partikelgrößenverteilung aufweisen. Erfasst werden damit alle natürlichen, bei Prozessen anfallenden und hergestellten Materialien. Bis Dezember 2014 soll diese Definition im Lichte der gewonnenen Erfahrungen und der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen überprüft werden. Dafür wurde im Auftrag der EU-Kommission in einem ersten Schritt eine Informationssammlung zu Erfahrungen mit der Definition erstellt und veröffentlicht.
Frankreich hat die Registrierung von Nanomaterialien auf Basis der EU Definition vor dem Import gesetzlich geregelt. Belgien und Dänemark planen eigene Datenbanken zur Registrierung von Nanomaterial mit deutlich veränderten Definitionen.
Dagegen schlägt das Umweltbundesamt (Deutschland) eine einheitliche europaweite Regelung und Registrierung aller Produkte vor, die Nanomaterial enthalten.
International sind die Begriffe und Definitionen der Nanotechnologie in der Norm ISO/TS 80004-1:2015 festgelegt.
Kritik
Kritisiert wird an der Definition, dass sie zu breit gefasst sei und damit auch jahrhundertealte Materialien wie mineralische Pigmente oder Alltagsprodukte erfasst würden. So können Materialien, die aus groben Partikeln bestehen und ein wenig Abrieb enthalten, als Nanomaterial eingestuft werden, während ein feines Pulver mit einer schmalen Korngrößenverteilung und einem Mittelwert von 110 nm nicht unter die Definition fiele.
Dazu kommt, dass keine zuverlässige Messmethode existiert, mit der alltägliche Pulver eindeutig als Nanomaterial oder nicht eingestuft werden können.
Literatur
- Melik C. Demirel, Murat Cetinkaya, Abdon Pena-Francesch, Huihun Jung: Recent Advances in Nanoscale Bioinspired Materials. In: Macromolecular bioscience. Bd. 15, Nr. 3, 2015, ISSN 1616-5195, S. 300–311, doi:10.1002/mabi.201400324, PMID 25476469.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- 1 2 ISO/TS 80004-1:2015. Nanotechnologies -- Vocabulary -- Part 1: Core terms. International Organization for Standardization, Dezember 2015, abgerufen am 15. März 2018 (englisch).
- ↑ Spinnmilbenseide
- ↑ Why Are Tarantulas Blue?
- ↑ European Commission: Nanotechnology. Introduction, gesichtet 10. Dezember 2013.
- ↑ Darrell R.Boverhof, Christina M. Bramante, John H. Butala, Shaun F. Clancy, Mark Lafranconi, Jay West, Steve C. Gordong: Comparative assessment of nanomaterial definitions and safety evaluation considerations. In: Regulatory Toxicology and Pharmacology, Volume 73, Issue 1. Elsevier, 1. Oktober 2015, S. 137–150, abgerufen am 3. Juli 2018 (englisch).
- ↑ Pressemitteilung der Europäischen Kommission: Was ist ein „Nanomaterial“? Europäische Kommission legt erstmals gemeinsame Definition vor. 2011.
- ↑ Europäische Kommission: Was ist Nanomaterial? Definition der EU-Kommission. 2011.
- ↑ Towards a review of the EC Recommendation for a definition of the term "nanomaterial" Part 1
- ↑ Umweltbundesamt: Konzept für ein europäisches Register für nanomaterialhaltige Produkte.
- ↑ Cefic: Praktische Definition wird gebraucht: Practical nanomaterials definition needed to push forward next great innovation breakthrough 2011.