Die nenzische Sprache (hist.: Jurakische Sprache) ist eine der samojedischen Sprachen. Diese bilden gemeinsam mit den finno-ugrischen Sprachen die uralische Sprachfamilie. Die nenzische Sprache teilt sich in die Sprachvarietäten der Wald-Nenzen und der Tundra-Nenzen.
Nenzisch | ||
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Gesprochen in |
Russland | |
Sprecher | ca. 24.000 | |
Linguistische Klassifikation |
| |
Offizieller Status | ||
Amtssprache in | Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen, Autonomer Kreis der Nenzen, Region Krasnojarsk (nur im Gebiet des ehemaligen Autonomen Kreises Taimyr) | |
Sprachcodes | ||
ISO 639-1 |
– | |
ISO 639-2 |
mis | |
ISO 639-3 |
yrk |
Nenzisch wird im nördlichen Osteuropa und in Nordasien von den Nenzen, einer teilweise nomadischen und rentierhaltenden Bevölkerung der Tundra und nördlichen Taiga gesprochen. Die schriftlose Sprache der Wald-Nenzen und die verschriftete Sprache der Tundra-Nenzen sind wechselseitig verständlich.
Status, Verbreitung, Sprecherzahl
Status und Sprecherzahl
Sie ist neben dem Russischen Amtssprache im zur Russischen Föderation gehörenden Autonomen Kreis der Nenzen, im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen und im Autonomen Kreis Taimyr (Dolgano-Nenzischer Autonomer Kreis). In Gebrauch könnte sie auch noch auf der zur Oblast Murmansk gehörenden Halbinsel Kola und im Norden des Autonomen Kreises der Chanten und Mansen sein. Nach Angaben von 2003 (Finno-ugorski westnik Nr. 29) wird sie von 24.000 Menschen gesprochen. Für 1990 wurde angegeben, dass 77,1 % der 34.665 Nenzen Nenzisch als Erstsprache sprechen (offizielle russische Statistik). Nach der russischen Volkszählung von 2010 beträgt die gesamte Nenzische Population 44.640 Menschen, wobei 2.000 von Ihnen Wald-Nenzen sind.
Geographie der Tundra-Nenzen
Das Gebiet der Tundra-Nenzen erstreckt sich über die nördliche russische Tundra zone. Im Westen über die Ostküste des Weißen Meeres, bis zu den Nebenflüssen im Unterlauf des Jenissei im Osten. Im Norden erstreckt es sich vom arktischen Ozean bis zur Nordgrenze der Wald zone im Süden.
Geographie der Wald-Nenzen
Das Gebiet der Wald-Nenzen erstreckt sich über die Waldtundra- und Taiga Zonen entlang der Flüsse Pur und Agan. Zudem sind Sprecher auch im Gebiet des Numto Sees im Autonomen Kreis der Chanten und Mansen/Jugra zu finden.
Status und Verbreitung
Das Nenzische ist unter den indigenen Sprachen Russlands insofern ein Sonderfall, als es noch nicht akut vom Aussterben bedroht ist. Dies liegt in erster Linie an der vollnomadischen Rentierhaltung der Tundra-Nenzen, in der allein auf der Halbinsel Jamal ca. 5.000 Menschen ganzjährig tätig sind. Die Wald-Nenzen halten kleinere Rentierherden für den Transport und betreiben nebenbei traditionellen Fischfang und Jagd. Innerhalb der nomadischen Gemeinschaften stellt das Nenzische die dominierende Verkehrssprache dar. Ein Verschwinden des Nomadismus, etwa infolge von Öl- und Gasförderung würde also die Überlebenschancen der Sprache drastisch verschlechtern.
Dialektgruppen
Die Grenzen der Dialektgruppen stimmen meist mit den natürlich geografischen-, sowie den Grenzen traditioneller Nomadengebiete überein.
Tundra-Nenzen
Die Dialekte der Tundra-Nenzen sind relativ homogen und können normalerweise beidseitig verstanden werden.
- Der fernwestliche Dialekt liegt um die Kanin Halbinseln hin zum Fluss Indiga.
- Der westliche Dialekt liegt im Bereich vom Fluss Indiga bis zum Fluss Pechora.
- Der zentrale Dialekt wird im östlichen Teil der autonomen Region der Nenzen gesprochen.
- Der östliche Dialekt von den östlichen Hängen des Uralgebirges bis hin zur Halbinsel Jamal.
- Der Fernöstliche Dialekt vom westlichen Teil der Halbinsel Gydan bis zum westlichen Teil der Halbinsel Taimyr und dem Unterlauf des Flusses Jenissei.
Wald-Nenzen
Aufgrund der geographischen Trennung sind die Unterschiede zwischen den Dialekten der Wald-Nenzen recht deutlich, vor allem im phonetischen Bereich. Trotz der Unterschiede sind die Dialekte gegenseitig verständlich.
Schriftsprache
Das Nenzische ist die einzige samojedische Schriftsprache. Um 1895 schufen russisch-orthodoxe Missionare die erste Schrift und veröffentlichten eine Grammatik und eine Fibel. Aber erst die 1932 geschaffene Schriftsprache begann sich zu etablieren. Zunächst wurde mit lateinischen Buchstaben, seit 1937 in kyrillischer Schrift geschrieben. Seither hat sich neben der mündlichen Überlieferung eine kleine Literatur in dieser Sprache entwickelt.
Modernes Nenzisches Alphabet:
А а | Б б | В в | Г г | Д д | Е е | Ё ё | Ж ж |
З з | И и | Й й | К к | Л л | М м | Н н | Ӈ ӈ |
О о | П п | Р р | С с | Т т | У у | Ф ф | Х х |
Ц ц | Ч ч | Ш ш | Щ щ | Ъ ъ | Ы ы | Ь ь | Э э |
Ю ю | Я я | ʼ | ʼʼ |
Phonetik
Tundra-Nenzen
Das Phoneminventar des Tundra-Nenzischen umfasst 10 Vokale und 27 Konsonanten.
Vokale
Das Vokalinventar setzt sich aus 'einfachen' Vokalen zusammen (/i u e o ɑ/), welche in jeder beliebigen Position auftreten können. Wobei betonte, nicht-geschlossene Vokale (/e o ɑ/) relativ lang ausgesprochen werden.
Drei weitere Vokale können als 'gedehnt' klassifiziert werden, zwei Monophthonge (/iː uː/) und ein Diphthong (/æː/). Diese werden lang oder halb-lang ausgesprochen und kommen nur in der Anfangssilbe des Wortes vor.
Ein letzter Vokal gilt als 'reduziert' (/ʌ/) und wird nur in betonten Silben verwendet.
Das Nenzische besitzt zudem ein Phonem welches als 'Schwa' oder 'reduziert' (/°/) bezeichnet wird. Es kommt nur in unbetonten Silben vor.
Konsonanten
bilabial
nicht-palatalisiert |
bilabial
palatalisiert |
dental
nicht-palatalisiert |
dental
palatalisiert |
velar | glottal | |
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Stimmhafter Stop | /p/ | /pj/ | /t/ | /tj/ | /k/ | /ʔ1/ /ʔ2/ |
Stimmloser Stop | /b/ | /bj/ | /d/ | /dj/ | ||
Nasale | /m/ | /mj/ | /n/ | /nj/ | ||
Trills | /r/ | /rj/ | /ŋ/ | |||
Affrikate | /t͡s/ | /t͡sj/ | ||||
Frikative | /s/ | /sj/ | /x/ | |||
Approximanten | /wb/ | /j/ | ||||
Laterale Approximanten | /l/ | /lj/ |
Der erste Glottale Plosiv (/ʔ1/) kann nicht nasaliert werden, wobei der zweite (/ʔ2/) nasaliert werden kann. Beide werden gleich ausgesprochen, tauchen aber in jeweils anderen Positionen im Wort auf.
Wald-Nenzen
Das Phoneminventar des Wald-Nenzischen umfasst 13 Vokale und 24 Konsonanten.
Vokale
Das Vokalinventar hier setzt sich aus 6 langen Vokalen zusammen, 5 davon sind Monophthonge (/iː eː ɑː oː uː/) und einer ein Diphthong (/æː/).
Zudem finden sich auch 6 kurze Vokale, 5 davon wieder Monophthonge (/i ɑ u e o/) und einem Diphthong (/æ/).
Alle kurze und lange Vokale können in betonten Silben auftauchen, in unbetonten Silben tauchen lediglich (/i ɑ æ u/) auf und der Längenkontrast wird neutralisiert.
Ein Vokal (/°/), gilt als reduziert. Dieser kann in unbetonten Silben auftauchen und verhält sich ähnlich zu dem selben Vokal im Tundra-Nenzischen
Konsonanten
bilabial
nicht-palatalisiert |
bilabial
palatalisiert |
dental
nicht-palatalisiert |
dental
palatalisiert |
velar
nicht-palatalisiert |
velar
palatalisiert |
glottal | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Nasal | /m/ | /mj/ | /n/ | /nj/ | /ŋ/ | /ŋj/ | |
Stop | /p/ | /pj/ | /t/ | /tj/ | /k/ | /kj/ | /ʔ1/ |
Frikativ | /β/ | /βj a/ | /s/ | /sj/ | /x/ | /xj/ | |
Lateraler Frikativ | /ɬ/ | /ɬj/ | |||||
Approximant | /j/ | ||||||
Lateraler Approximant | /l/ | /lj/ |
Im Wald-Nenzischen finden wir nur lediglich einen Glottalen Plosiv (/ʔ1/).
Literatur
Weblinks
- Harald Haarmann: Jurakisch. (PDF; 131 KB). In Miloš Okuka (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Klagenfurt 2002. (= Wieser Enzyklopädie des europäischen Ostens 10). (Historisch-missverständliche Bezeichnung, der Artikel beschreibt tatsächlich nicht die ausgestorbene ostnenzische Sprache Jurakisch, sondern Nenzisch.)
- forestnenets.info – estnisch-französischsprachige Seite über die Waldnenzen
- Report für Nenzisch. Ethnologue
Einzelnachweise
- 1 2 3 Svetlana Burkova: Nenets, aus: The Oxford Guide to the Uralic Languages. In: Oxford University Press. 2022.
- ↑ Koskarëva, N. B.: Кошкарева, Н. Б. Очерки по синтаксису лесного диалекта ненецкого языка. In: Новосибирск: Институт филологии СО РАН. 2005.
- 1 2 3 4 Tapani Salminen: Tundra Nenets Inflection. Hrsg.: Suomalais-ugrilainen Seura. 1997.
- ↑ Irina Nikolaeva: A Grammar of Tundra Nenets. In: Mouton Grammar Library. Band 65, 2014.