Die ehemalige Neue Synagoge in Einbeck, einer Stadt im Landkreis Northeim in Niedersachsen, wurde am 1. September 1896 eingeweiht. Die Synagoge befand sich in der Bismarckstraße 17, also außerhalb der Fachwerk-Altstadt, umgeben von zeitgenössischer Villenbebauung. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite lag eine Grünanlage, der Mühlenwall.

Architektur

Die Synagoge wurde ab 1895 im maurischen Stil, einer im Historismus etablierten Stilrichtung, nach Plänen des Kölner Architekten Sigmund Münchhausen erbaut. Von den Ausmaßen eher eine Kapelle, übernahm sie Formen größerer Synagogenbauten. Zur Straße hin, an der Nordseite, befand sich der Haupteingang, flankiert von zwei polygonalen Ecktürmen. Im Westen, gegenüber dem Toraschrein, gab es einen Nebeneingang. Dunkelrote Ziegellagen im Wechsel mit heller Horizontalbänderung aus Naturstein sowie hell abgesetzte Fenster- und Türrahmen ließen die Außenwände ungewöhnlich farbig wirken. Eine hohe, zweischalige, verschieferte Kuppel überspannte einen Zentralraum über quadratischer Grundfläche, der auf drei Seiten von zweigeschossigen Vorbauten umgeben war, an der Ostseite aber, auch von außen erkennbar, eine dreipolygonale Nische für den Toraschrein besaß.

Die Wahl des maurischen Stils lässt sich als Ausdruck des gewachsenen Selbstbewusstseins der jüdischen Gemeinde interpretieren.

Inneneinrichtung

Obwohl die Nordfassade also architektonisch besonders akzentuiert war, war der Innenraum nach Osten ausgerichtet. In der Mitte der Ostwand befand sich, flankiert von zwei Säulen (Jachin und Boas), der Toraschrein in einer kleinen Nische. Vor dem Toraschrein stand das Lesepult, zu dem links und rechts je drei Stufen hinaufführten.

Die den Männern vorbehaltenen Sitzplätze im Erdgeschoss waren, Kirchenbänken vergleichbar, beiderseits eines Mittelganges auf den Toraschrein ausgerichtet. Mit ihrer Inneneinrichtung übernahm die Einbecker Synagoge Elemente des liberalen Jacobstempels in Seesen.

Der nordwestliche Eckturm erschloss als Treppenhaus die Frauenempore (Nord-, Süd- und Westempore).

Zerstörung

Die Geschehnisse in Einbeck während der Novemberpogrome 1938 sind hauptsächlich in der zweifelhaften Form bekannt, in der sie der damalige Landrat Kurt Heinrichs (NSDAP) 1970 rückblickend beschrieb, und zwar so, dass er sich selbst entlastete. Demzufolge hätten sich in der Nacht vom 9. auf den 10. November „mindestens ein Dutzend SS-Männer aus Gandersheim“ unter Leitung des im Krieg gefallenen SS-Sturmbannführers von Törne als Brandstifter betätigt. (Die gleiche Gruppe wird auch für die Brandstiftung am Jacobstempel in Seesen, kurz vor Mitternacht, verantwortlich gemacht.)

Die Einbecker Feuerwehr legte eine Schlauchleitung, um ein Übergreifen des Feuers auf die Nachbarhäuser zu verhindern. Landrat Heinrichs und Bürgermeister Otto Hildebrecht (NSDAP) „standen auf dem Wall, sahen … das grausige Schauspiel an und konnten nicht einschreiten.“

„Dass auswärtige SS verantwortlich gemacht wurde, gehörte zur Taktik der Nationalsozialisten. »Von uns war es ja keiner – wir konnten nichts machen.« Das dem nicht so war, belegen eine aktuelle Buchveröffentlichung und ... Zeitzeugenaussagen, nach denen auch Einbecker an der Zerstörung der Synagoge beteiligt waren. Einige der Brandstifter sind noch heute namentlich bekannt. Einbecker SS-Angehörige holten sich »eine Menge Kienspäne« von einem Hof in der Tiedexer Straße und gingen mit diesen Brandbeschleunigern zum »Judentempel«, wie die Synagoge im Volksmund genannt wurde...“ SA und SS trugen die geraubten Torarollen johlend durch Einbecker Kneipen.

Mahnmal

Gegenüber der ehemaligen Synagoge, am Fuß des Mühlenwalls steht ein Mahnmal, das der Bildhauer Kurt Lehmann entworfen hat und das am 9. November 1969 eingeweiht wurde. Es handelt sich um eine von zwei Betonstelen flankierte Bronzetafel, auf der eine Menora zu sehen ist. Auf dem Boden wurde eine Bronzeplatte eingelassen mit der Inschrift, die über dem Haupteingang der zerstörten Synagoge gestanden hatte: הלוא אב אחד לכלנו הלוא אל אחד בראנו „Sind wir nicht alle Kinder eines Vaters? Hat nicht ein Gott uns geschaffen?“ Es handelt sich dabei um ein Zitat aus der Bibel (Mal 2,10 ).

Siehe auch

Literatur

  • Thomas Kellmann: Stadt Einbeck. (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Band 7.3), Michael Imhof Verlag 2017, ISBN 978-3-7319-0511-0, S. 546–547.
  • Susanne Gerdes: Juden in Einbeck im 19.Jahrhundert. In: Elke Heege (Hrsg.): Verloren, aber nicht vergessen. Jüdisches Leben in Einbeck, Isensee, Oldenburg 1998, ISBN 3-89598-562-7, S. 17–72.
  • Klaus-Dieter Alicke: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. 3 Bände. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2008, ISBN 978-3-579-08035-2 (Online-Ausgabe).
  • Kurt Heinrichs: Der 9. November 1938 in Einbeck. In: Südhannoverscher Heimatkalender 1970, S. 130–131. Reprint: Stadt Einbeck (Hrsg.): Zur Geschichte der Juden in Einbeck. Drei Aufsätze, Einbeck 1988, S. 29–32.
  • Christine Wittrock: Idylle und Abgründe. Die Geschichte der Stadt Einbeck mit dem Blick von unten 1900–1950. Pahl-Rugenstein, Bonn, 2. Auflage 2013, ISBN 978-3-89144-465-8.
Commons: Neue Synagoge (Einbeck) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 51° 48′ 49,4″ N,  52′ 8,8″ O

Einzelnachweise

  1. Horst Hülse: Einbeck in der Gründerzeit. In: Einbecker Geschichtsverein (Hrsg.): Geschichte der Stadt Einbeck. Band 2. Einbeck 1992, S. 74.
  2. Susanne Gerdes: Juden in Einbeck im 19. Jahrhundert. S. 47.
  3. Christine Wittrock: Idylle und Abgründe. Die Geschichte der Stadt Einbeck mit dem Blick von unten 1900–1950. Pahl-Rugenstein, Bonn, 2. Aufl. 2013.
  4. Kurt Heinrichs: Der 9. November 1938 in Einbeck (Reprint). S. 29.
  5. Dietrich Kuessner: Die Pogromnacht im Land Braunschweig. Abgerufen am 12. Januar 2018.
  6. Kurt Heinrichs: Der 9. November 1938 in Einbeck. S. 29.
  7. Am 9. November 1938 wurde die Synagoge zerstört. In: Einbecker Morgenpost. 9. November 2013, abgerufen am 12. Januar 2018.
  8. Christian Riemenschneider: Erst-C heck in fünf Stadt- und Regionalmuseen – ein Pilotprojekt zur Provenienzforschung in Südniedersachsen. (Nicht mehr online verfügbar.) 2017, S. 31, archiviert vom Original am 12. Januar 2018; abgerufen am 12. Januar 2018.
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