Das Neue Rathaus in Hannover ist das Rathaus der niedersächsischen Landeshauptstadt und Hauptsitz der hannoverschen Stadtverwaltung unter ihrem Oberbürgermeister. Der wilhelminische, schlossähnliche Prachtbau in eklektizistischem Stil wurde von 1901 bis 1913 errichtet.
Das Neue Rathaus ist eingebettet in den zehn Hektar großen Maschpark am Südrand der Innenstadt, außerhalb des historischen Stadtkerns von Hannover. Der Platz vor dem nach Nordnordost weisenden Nordflügel heißt heute Trammplatz, ist eigens im Zusammenhang mit dem Rathausbau angelegt worden und erhielt seinen Namen nach dem damaligen Stadtdirektor Heinrich Tramm. Die Südseite des Gebäudes ist dem Maschteich zugewandt.
Geschichte
Das erste Rathaus der Stadt war das heutige Alte Rathaus, dessen Gebäude ab 1230 entstanden. 1863 verließ die Stadtverwaltung das Alte Rathaus und zog in das nahe gelegene Wangenheimpalais um.
Während der Ausdehnung der Stadt durch die Industrialisierung, insbesondere seit der Gründerzeit, wuchs auch die verstreut untergebrachte Verwaltung der Stadt Hannover an, so dass Ende des 19. Jahrhunderts der Neubau eines größeren Rathauses notwendig wurde. Treibende Kraft hierfür war der seit 1891 amtierende Stadtdirektor Heinrich Tramm, unter dem der Bau „zum Höhepunkt bürgerlicher Selbstdarstellung“ geraten sollte. Anfänglich war als Standort die nördlich der Altstadt liegende Goseriede im Gespräch. Der schließlich durchgesetzte Standort am damaligen südlichen Innenstadtrand berücksichtigte die zeitgleich ins Auge gefasste Stadterweiterung nach Süden („Südstadt“), verbunden mit einem nach dorthin reichenden „Rathauspark (Maschpark) als Mittelpunkt neuer öffentlicher Bauten“.
Das Rathaus mit einer Höhe von 97,73 Metern, einer Länge von etwa 129 Metern und einer Breite von rund 67 Metern wurde nach Plänen des Architekten Hermann Eggert auf 6026 Buchenpfählen errichtet. Die Haupthalle des Rathauses hat eine Länge von 30 Metern, eine Breite von 21 Metern und eine Höhe von über 30 Metern. Das Baumaterial, Hartsandstein, kam aus Mehler Steinbrüchen.
Der Auftrag zum Bau des Gebäudes wurde dem Unternehmer Max Küster erteilt, der wenige Jahre zuvor 1897 in das Bürgervorsteher-Kollegium gewählt worden war und damit selber in jenem Gremium saß, das über die Auftragsvergabe zu entscheiden hatte.
Während der Bauarbeiten wurde der Architekt Eggert auf Grund von Differenzen um die Gestaltung des Rathausinneren abgelöst. Der Innenausbau wurde dann überwiegend von Gustav Halmhuber durchgeführt, der Elemente des Jugendstils einbrachte.
Unter den zahlreichen am Bau beteiligten Künstlern war die Bildhauerin Elsbeth Rommel die einzige Frau, die bezahlte Werke realisieren konnte.
Für die malerische Ausgestaltung des noch zur Zeit des deutschen Kaiserreichs erbauten Rathauses beauftragte Stadtdirektor Heinrich Tramm den Schweizer Maler Ferdinand Hodler. Sein Monumentalgemälde Einmütigkeit von 1913 hat sich in dem ursprünglich als gemeinsamer Sitzungssaal der Gremien (Magistrat und Bürgervorsteher, deren fast spiegelgleicher Saal auf der Westseite im Krieg zerstört wurde) genutzten Raum, dem heutigen „Hodler-Saal“, trotz seinerzeit zahlreicher Anfeindungen erhalten.
- „Einmütigkeit“: Dietrich Arnsborg auf erhöhtem Podest lässt die Bürger 1533 auf die Lehre der Reformation schwören;
Gemälde von Ferdinand Hodler im Auftrag von Heinrich Tramm, 1913, „Hodler-Saal“ - „Autoritär versus autonom?“ Herzog Ernst der Bekenner beim protestantischen Abendmahl im Jahr 1525;
Relief im Geschichtsfries am Neuen Rathaus, Trammplatz; Bildhauer Peter Schumacher
Anders als das 1913 entstandene Gemälde Hodlers, das die Basisdemokratie hervorhebt, betont das etwa zur gleichen Zeit entstandene Geschichtsfries an der zum Trammplatz weisenden Fassade des Neuen Rathauses das eher autokratische, mitbestimmungsfeindliche Verständnis von städtischer Autonomie: Nicht die Bürger von 1533, sondern der sich „bereits 1525 aus primär fiskalischen Gründen der Reformation anschließende Lüneburger Herzog Ernst, [der] mit der stadthannoverschen Bürgerreformation [...] nichts zu tun hatte“, wurde in dem Bildrelief ganz rechts am Rathaus durch den Bildhauer Peter Schumacher verewigt.
Im Mosaiksaal, dem ehemaligen Grünen oder Handwerkersaal, findet sich in der schwarzen Marmorvertäfelung ein dreiteiliges Mosaikbild (Triptychon) eines Handwerker-Triumphzuges im Jugendstil, in der Mitte untertitelt Handwerk hat goldenen Boden, links mit der Signatur der Werkstatt Rauecker nach einem Entwurf von Julius Diez.
Der Bettfedernfabrikant August Werner sowie der Kommerzienrat Siegmund Seligmann schenkten der Stadt Hannover die beiden Kaiserstatuen: Die mehr als 3 Meter hohen bronzenen Standbilder Kaiser Wilhelms I. und Wilhelms II. hatte der Berliner Bildhauer und Professor Adolf Brütt geschaffen. Sie waren seitlich der großen Treppe in der Zentralhalle aufgestellt und wurden später im Zweiten Weltkrieg für die Rüstungsproduktion eingeschmolzen.
Nach zwölfjähriger Bauzeit konnte das Neue Rathaus am 20. Juni 1913 im Beisein von Wilhelm II. eingeweiht werden. Der Baupreis betrug seinerzeit zehn Millionen Mark:
„Zehn Millionen Mark, Majestät – und alles bar bezahlt.“
Bei den Luftangriffen auf Hannover wurde das Gebäude stark beschädigt. 1946 wurde in der Rathaushalle das Land Niedersachsen proklamiert.
Im Erdgeschoss der Rathaushalle finden sich heute vier Stadtmodelle von Hannover, die die Entwicklung der Innenstadt darstellen. Sie zeigen das Stadtbild in der Barockzeit (1689), der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg (1939), nach den Kriegszerstörungen (1945) sowie im heutigen Zustand.
Zur Vorbereitung der 750-Jahr-Feier der Stadtgründung (1991) und als Forum zur aktiven Bürgerbeteiligung initiierten der damalige Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg und Oberstadtdirektor Hinrich Lehmann-Grube 1988 den Verein Freundeskreis Hannover, der dann auch im Neuen Rathaus gegründet wurde.
- Festmahl zur Einweihung des Neuen Rathauses 1913
- Portalbereich mit Giebel
- Eingangshalle bei der Erstürmung des Rathauses am 11.11. durch Karnevalisten
- Zapfenstreich zum Schützenfestende hinter dem Neuen Rathaus (Südflügel)
Rathauskuppel mit Aufzug
Die Höhe der Rathauskuppel mit ihrer Aussichtsplattform beträgt knapp 100 Meter (97,73 m). Einzigartig in Europa ist der Kuppelaufzug, der einen bogenförmigen (parabelförmig der Kuppel folgend) Fahrverlauf aufweist. Er wird oft fälschlicherweise als Schrägaufzug bezeichnet und mit denen im Eiffelturm verglichen, die dort aber nur schräg fahren, ohne die Neigung zu wechseln.
Der Aufzug wurde 1913 in Betrieb genommen. Der Fahrkorb wurde in dampfgebogenen Eichenschienen geführt. Die zwei Tragseile legen sich während der Fahrt nach unten auf drei Doppelrollen in der Schachtwand auf. Der Aufzug war witterungsbedingt im Winterhalbjahr nicht benutzbar. Vom Aufzugausstieg führt eine Wendeltreppe zu den Aussichtsebenen. Im Jahr 2005 besuchten über 90.000 Menschen den Rathausturm. Im Winterhalbjahr 2007/2008 wurde ein neuer Aufzug installiert; eine letzte Fahrt des alten Aufzuges fand am 4. November 2007 mit Oberbürgermeister Stephan Weil und an diesem Wochenende etwa 1.200 weiteren Personen statt. Der neue Kuppelaufzug wurde am 27. April 2008 in Betrieb genommen.
Seit seiner Erneuerung wird er bei der Stadtverwaltung und in den Medien auch als Bogenaufzug oder Bogenfahrstuhl bezeichnet. In einem Winkel von bis zu 17° steigt er in dem Schacht 50 Meter zur Kuppelgalerie, von wo bei guter Sicht der Harz gesehen werden kann. Dabei versetzt sich der Aufzug horizontal um über 8 Meter.
Aufbau des Turmes
Oberhalb des Kellergewölbes befindet sich die zentrale Kuppel, in der die Stadtmodelle von Hannover ausgestellt sind. Auf dieser Kuppel ist eine Zwischendecke, in der der Kronleuchteraufzug installiert ist. Oberhalb der Deckenplatte erstreckt sich eine weitere Kuppel und zwei nach allen Seiten offene Umläufe mit der Innengröße 21 m × 21 m × 30 m Höhe. In dieser zweiten Kuppel ist eine nach Süden gerichtete Uhr untergebracht. Die vom Trammplatz sichtbare Uhr befindet sich im nördlichen Dachstuhl. Erst oberhalb dieser Kuppel befindet sich die mit dem Fahrstuhl zu erreichende Spindeltreppe zu den Aussichtsebenen.
- Zwischenboden
- Zweite Kuppel
- Schacht des Kuppelaufzugs
Siehe auch
Literatur
- Die Königliche Haupt- und Residenzstadt Hannover (Hrsg.): Festschrift zur Einweihung des Rathauses im Jahre 1913. Gebrüder Jänecke Hofbuchdruckerei, Hannover 1913.
- Gustav Halmhuber: Der Innenausbau und die Platzanlagen des Rathauses zu Hannover. Lima-Verlag, Charlottenburg (Berlin), um 1914.
- Charlotte Kranz-Michaelis: Rathäuser im deutschen Kaiserreich. 1871–1918 (= Materialien zur Kunst des 19. Jahrhunderts Band 23). Prestel, München 1982, ISBN 3-7913-0384-8, S. 395–414.
- Gerd Weiß, Marianne Zehnpfennig: Rathaus. In: Hans-Herbert Möller (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland / Baudenkmale in Niedersachsen / Stadt Hannover. Teil 1, (Bd.) 10.1. Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft, Braunschweig/Wiesbaden 1983, ISBN 3-528-06203-7, S. 100; sowie Mitte. In: Anlage Verzeichnis der Baudenkmale gem. § 4 NDSchG (ausgenommen Baudenkmale der archäologischen Denkmalpflege), Stand: 1. Juli 1985, Stadt Hannover, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Institut für Denkmalpflege, S. 6f.
- Adelheid von Saldern: Ein Amt mit „üblem Beigeschmack“? Das Wohnungsamt am Trammplatz. In: Adelheid von Saldern u. a.: Alltag zwischen Hindenburg und Haarmann. Ein anderer Stadtführer durch das Hannover der 20er Jahre. Hrsg.: Geschichtswerkstatt Hannover, Hamburg: VSA-Verlag, 1987, ISBN 3-87975-397-0, S. 69–76.
- Wolfgang Steinweg: Das Rathaus in Hannover. Von der Kaiserzeit bis in die Gegenwart. Schlüter, Hannover 1988, ISBN 3-87706-287-3.
- Michael Krische: Das Neue Rathaus Hannover. Entstehung – Architektur – Bedeutung. Herausgegeben von der Landeshauptstadt Hannover. zu Klampen Verlag, Springe 2006, ISBN 3-934920-99-3.
- Helmut Knocke, Hugo Thielen: Trammplatz 2. In: Hannover. Kunst- und Kultur-Lexikon. Schäfer, Hannover 1994, ISBN 3-88746-313-7, S. 206ff.
- Hugo Thielen: Hodler, Ferdinand. In: Dirk Böttcher, Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Hugo Thielen: Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-706-9, S. 170f.
- Helmut Knocke: Neues Rathaus. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 466f.
- Cornelia Regin (Hrsg.): Pracht und Macht. Festschrift zum 100. Jahrestag der Einweihung des Neuen Rathauses in Hannover (= Hannoversche Studien. Schriftenreihe des Stadtarchivs Hannover Band 14). Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2013, ISBN 978-3-7752-4964-5, darin u. a.:
- Gerhard Schneider: Ferdinand Hodler und sein Gemälde für das Neue Rathaus in Hannover. S. 167–199.
- Carl-Hans Hauptmeyer: Autoritär versus autonom? In: Städtische Selbstverwaltung und Rathaus – ein historischer Längsschnitt. S. 37–52.
Weblinks
Einzelnachweise und Anmerkungen
- 1 2 Helmut Knocke: Neues Rathaus. In: Stadtlexikon Hannover. S. 466f.
- 1 2 3 4 Infoflyer – Das Neue Rathaus in Hannover. In: hannover.de, abgerufen am 7. Dezember 2015 (PDF; 2,7 MB).
- ↑ Waldemar R. Röhrbein: Küster, (2) Max. In: Hannoversches Biographisches Lexikon. S. 216f.; über Google-Bücher
- ↑ Karin Ehrich: Hannovers Frauen und das Neue Rathaus. in Cornelia Regin (Hrsg.): Pracht und Macht. Festschrift zum 100. Jahrestag der Einweihung des Neuen Rathauses in Hannover (= Hannoversche Studien Band 14). Hahn, Hannover 2013, ISBN 978-3-7752-4964-5, S. 381–408; hier: S. 402f. und Anmerkungen laut Werner Heine vom Stadtarchiv Hannover, Meldekarte Oswald Rommel.
- ↑ Gerhard Schneider: Ferdinand Hodler und sein Gemälde für das Neue Rathaus in Hannover (siehe Literatur)
- ↑ Carl-Hans Hauptmeyer: Autoritär versus autonom? (siehe Literatur)
- ↑ Helmut Knocke, Hugo Thielen: Trammplatz 2 (siehe Literatur)
- ↑ Helmut Knocke, Hugo Thielen: Trammplatz 2. In: Hannover Kunst- und Kultur-Lexikon. S. 206ff.
- ↑ Petra Spona: „Die Ausstattung eines Rathauses ist ein Gebiet, auf dem sich der Gemeinsinn der Bürgerschaft betätigen kann“. In: Cornelia Regin (Hrsg.): Pracht und Macht. Festschrift zum 100. Jahrestag der Einweihung des Neuen Rathauses in Hannover. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2013, S. 227–248, hier: S. 229f., 238f.
- ↑ Anmerkung: Davon abweichend wird im Artikel zu August Werner im Hannoverschen Biographischen Lexikon sowie im Stadtlexikon Hannover (siehe Literatur) der Bettfedernfabrikant als alleiniger Schenker genannt.
- ↑ Waldemar R. Röhrbein: Werner, (1) August. In: Stadtlexikon Hannover. S. 672.
- ↑ Freundeskreis Hannover / Zum Start lässt der Verein es knallen. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung. 1. Dezember 2008, S. 6f.
- ↑ Klaus Mlynek: Freundeskreis Hannover e.V. In: Stadtlexikon Hannover. S. 191.
Koordinaten: 52° 22′ 2″ N, 9° 44′ 15″ O