Nicasius Rousseel, auch Roußeel, englisch Nicaise Russell (* 16. Jahrhundert in Brügge; † 11. März 1645 oder 1646 in London) war ein niederländischer Goldschmied, Juwelier und Kupferstecher in London.
Leben
Rousseel verließ seine Heimat wohl aus religiösen Motiven wegen der Politik des Herzogs von Alba als Statthalter der Niederlande beim Niederländischen Aufstand und zog nach London. Über das Jahr seiner Ankunft dort gibt es zwei unterschiedliche Datierungen: 1567 oder 1573. Listen seiner Kirchengemeinde zufolge lebte er 1617 bereits seit 44 Jahren in London. wo er als Künstler vielfältig tätig wurde. Unter anderem arbeitete er für die Königsfamilie Jakobs I. Die königliche Schatzkammer verzeichnet im Jahr 1614 Vergütungen für „Russell“ und seinen Künstlerkollegen „Herriott“ (George Heriot), dem er zehn Jahre später sein bekanntestes Werk widmet.
Daten zu seinem familiären Leben stammen aus den Akten der Kirche Austin Friars, einer ehemaligen Augustiner-Eremitenkirche, die danach von der niederländischen Exulantengemeinde in London genutzt wurde. In dieser Kirche heiratete er 1590 seine „Landsmännin“ Jacomijnken Wils aus Mesen in Flandern. Ihre vier Kinder wurden in derselben Kirche getauft. Die Rousseels wohnten in der Kirchengemeinde Blackfriars (einer ehemaligen Dominikanerkirche) in unmittelbarer Nachbarschaft des Porträtmalers Cornelis Janssen van Ceulen und der Wohnung des berühmten flämischen Malers Anthonis van Dyck, der dort ab 1620 mit Unterbrechungen wohnte. Im Dezember 1641 nahm Nicasius Roussel an den Feierlichkeiten der Beerdigung van Dycks in der St Paul’s Cathedral teil.
Inzwischen Witwer geworden, heiratete er am 27. November 1604 Clara, die Schwester des Malers Cornelis Janssen. Mit ihr hatte er weitere zehn Kinder. Mit ihren Söhnen Isaac, Theodore sowie dessen Sohn Anthony, die alle bekannte Maler wurden, begründeten sie eine Künstlerfamilie. Rousseel ging nicht mehr in seine Heimat zurück.
Die Rousseel zugeschriebenen Werke werden heute international in Museen außer in London u. a. in Manchester, Moskau und Amsterdam verwahrt. Bekannt wurden Roesseels Grotesken, Ornamentstiche von 1623, die im Stile der Renaissance aus ornamentalen Pflanzen, Blüten und Fabeltieren gearbeitet sind. Sie erfuhren mehrmalige Nachdrucke innerhalb von sechzig Jahren.
Werke
A) Zuschreibungen von Goldschmiedarbeiten:
Aus stilistischen Gründen werden ihm die Gravuren mehrerer Silbergefäße mit unterschiedlichen Meisterpunzen, zudem die Gravur des Messinggehäuses einer Uhr zugeschrieben, deren Fertigungen zwischen 1573/1574 (?) oder 1587 und 1608 liegt.
- Becher mit Deckel, hergestellt 1573/1574 (Manchester Art Gallery, Akzessionsnummer 1978.1)
- Astronomische Uhr, hergestellt 1588, heute im Victoria and Albert Museum
- Mostyn Flagon, hergestellt 1601 (Manchester Art Gallery, Akzessionsnummer 1956.257)
- Zwei Krüge, die wohl 1615 als Gesandtschaftsgeschenke an den Zaren dienten, heute in der Rüstkammer des Moskauer Kremls
- Zwei Krüge aus der Kirche St Mary Woolnoth in London, heute im Victoria and Albert Museum
B) Gesicherte Aufträge durch die königliche Familie:
- Arbeiten als Juwelier für Königin Anna vor 1607
- Für den Sohn des Königspaares Henry Frederick Stuart, Prince of Wales: Sieben Sockel aus Ebenholz mit männlichen Alabaster-Figuren 1613.
C) Drucke:
- Groteskenfolgen im Kupferstich: Ornamentale Stücke im Stil der Renaissance, gestochen von Jean Bara, datiert London 1623. Die Widmung des Werkes an George Heriot lautet: De Grotesco perutilis omnibus quibus pertinebit valde necessarius Liber: Per Nicasium Roussel ornatissimo generosissimo atq. variarum artium peritissimo viro: Domino G. Heriot. (Eine Schrift über Grotesken, sehr nützlich und äußerst notwendig für alle, die davon betroffen sein werden: Von Nicasius Rousseel für einen hochgeachteten, äußerst edelmütigen und extrem kundigen Mann etlicher verschiedenartiger Künste: den Herrn George Heriot.)
- Nachstiche durch Giovanni Orlando Romano 1637 in Neapel
- Nachdruck durch Claes Jansz. Visscher 1644.
- Nochmals ca. 1680 vermutlich durch Nicolaes II Visscher veröffentlicht.
- 1684 wurden sie in Holland ein weiteres Mal von J. de Ram publiziert, ohne den Namen des Graveurs.
Literatur
- Carsten-Peter Warnke: Die ornamentale Groteske in Deutschland 1500–1650 2 Bd., Berlin 1979
- Lionel Cust: Foreign artists of the Reformed Religion working in London from about 1560 to 1660. In: Proccedings of the Huguenot Society London 7 (1903) 1, S. 45–82, besonders S. 63 f. (Textarchiv – Internet Archive)
- Liam E. Semler: The early modern grotesque. English sources and dokuments 1500–1700 (Routledge studies in renaissance literatur and culture). New York 2019 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- Joseph Strutt: A biographical dictionary; containing an historical Account of all the Engravers from the earliest period of the art of engraving to the present time […]. Band I. London 1786 (Digitalisat in der Google-Buchsuche)
- Johannes de Ram: Seer aerdige Grotissen dienstlick alle die de Teyckenkunst hanteren, getekent door Nicasius Rousseel. 1684 (Digitalisat des Institut national d’histoire de l’art)
Anmerkungen
- ↑ Mary Edmond: Limners and picturemakers. New light on the lives of miniaturists and large-scale portrait-painters working in London in the sixteenth and seventeenth century. In: The Volume of the Walpole Society 47, 1978, S. 88 (JSTOR:41829363).
- ↑ Desiré Guilmard: Les maîtres ornemanistes. Paris 1880, S. 42 Nr. 23 (Textarchiv – Internet Archive) vermutete irrig, dass Rousseel aus Lothringen stammte, vgl. Charles Oman: Nicaise Rousel and the Mostyn Flagons. In: Leeds Arts Calendar 83 (1978) S. 4–8, hier S. 4 (PDF).
- ↑ Richard Edward Gent Kirk und Ernest F. Kirk: Returns of Aliens dwelling in the city and suburbs of London from the reign of Henry VIII. to that of James I. Teil III. Aberdeen 1907 (Publications of the Huguenot Society of London 10,3), S. 160 und 177 (Textarchiv – Internet Archive)
- ↑ Frederick Devon: Issues of the Exchequer, being payments made out of His Majesty's revenue during the reign of King James I. London 1836, S. 316 (Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ Zu diesem siehe: Karen Hearn: Johnson, Cornelius [Cornelius Jansen, Janssen, or Jonson van Ceulen]. In: Oxford Dictionary of National Biography 23. September 2004 DOI:10.1093/ref:odnb/14657.
- ↑ Daten aus Henri Hymans: Rousseel (Nicaise). In: Biographie nationale publiée par L'Academie Royale des sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique. Band 20. Bruxelles, 1908–1910, Sp. 256–257.
- ↑ Charles Oman: Nicaise Rousel and the Mostyn Flagons. In: Leeds Arts Calendar 83 (1978) S. 4–8 (PDF). Skeptischer: James Lomax: Huguenot Goldsmiths in England. In: Paul Corby Finney (Hrsg.): Seeing Beyond the Word. Visual Arts and the Calvinist Tradition. Grand Rapids 1999, ISBN 0-8028-3660-X, S. 83–130 hier S. 88 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Philippa Glanville: Silver in England. London 1987 [Nachdruck 2006], S. 211 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). The Magdalen Cup. Manchester Art Gallery, abgerufen am 9. Januar 2021.
- ↑ Philippa Glanville: Silver in England. London 1987 [Nachdruck 2006], S. 211 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). Astronomical clock. Victoria and Albert Museum, abgerufen am 9. Januar 2021.
- ↑ The Mostyn Flagon. Manchester Art Gallery, abgerufen am 9. Januar 2021.
- ↑ Olga Borissowna Dmitrijewa (Hrsg.): Britannia & Muscovy. English silver at the court of the Tsars. New Haven 2006, S. 68 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). English Silver Treasures from the Kremlin. A Loan Exhibition. London 1991, S. 146 f. (Textarchiv – Internet Archive). E. Alfred Jones: The old English plate of the Emperor of Russia. Letchworth und London 1909, Tafel V, Nr. 1 (Online in der HathiTrust digital library).
- ↑ Elizabethan flagons from St Mary Woolnoth. Victoria and Albert Museum, abgerufen am 9. Januar 2021.
- ↑ Der letzte Eintrag in ihrem Schmuckinventar war im Jahr 1607, s. Diana Scarisbrick: Anne of Denmark's Jewellery Inventory. In: Archaeologia 109 (1991), S. 193–238 (doi:10.1017/S0261340900014089), insbes. S. 218, 228, 232-3.
- ↑ Frederick Devon: Issues of the Exchequer, being payments made out of His Majesty's revenue during the reign of King James I. London 1836, S. 316 (Textarchiv – Internet Archive), zitiert Kew, The National Archives, AO 1/2021/3
- ↑ Übersetzung aus dem Lateinischen von Maaatze87.
- ↑ 4 Blatt Nachstiche einschl. Titel: Il Bellissimo Libro Di Grotis Moderno Stampato P.er Giovani Orland.o Roman.o In Napoli Anno 1637. Kunstbibliothek Berlin, Ornamentstichsammlung, abgerufen am 10. Januar 2021.
- ↑ Desiré Guilmard: Les maîtres ornemanistes. Paris 1880, S. 42 Nr. 23 (Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ Vgl. den Kommentar des Kurators zu British Museum, Inventarnummer 1890,0415.80.
- ↑ Vgl. z. B. das Titelblatt des Exemplars im Rijksmuseum Amsterdam, Objektnummer RP-P-OB-6382.