Nicola Hümpel (* 21. Juli 1967 in Lübeck) ist eine deutsche Theater- und Opernregisseurin. Gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Oliver Proske gründete sie 1998 das freie Berliner Theaterensemble Nico and the Navigators.

Leben

Nach ihrer Schulzeit in Lübeck, u. a. in der Musikklasse am Johanneum zu Lübeck, studierte Nicola Hümpel an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg. Während ihres Studiums bei Peter Raacke und Ann Wolff besuchte sie auch Bühnenbild-Seminare bei Wilfried Minks sowie Dramaturgie-Seminare bei Udo Pillokat. 1990 nahm sie an der Bühnenklasse am Bauhaus Dessau teil, wo sie den Regisseur Achim Freyer und seine Arbeit kennenlernte. Im gleichen Jahr realisierte sie in Hamburg erste Videoinstallationen und Performances. Nach ihrem Diplom 1995 an der HfbK in Hamburg inszenierte sie 1996 ihr erstes Stück DenkVorGang in Dessau.

Projekte

1998 gründete sie mit ihrem Lebensgefährten Oliver Proske am Bauhaus Dessau das Ensemble Nico and the Navigators. Als „artists in residence“ in den Berliner Sophiensælen entwickelten sie mit ihrer Kompanie von 1999 bis 2005 den Zyklus Menschenbilder. Die im Jahr 2000 für das Berliner Theatertreffen und den Friedrich-Luft-Preis nominierte Produktion Eggs on Earth verschaffte der Truppe ihren internationalen Durchbruch.

Mit einer bildstarken Sprache hat das Ensemble in wechselnden Konstellationen seitdem immer wieder für internationales Aufsehen gesorgt. Seit 2006 sind Nico and the Navigators mit Projekten u. a. zur Musik von Franz Schubert, Georg Friedrich Händel, Johann Sebastian Bach, Gioacchino Rossini, Gustav Mahler, Ludwig van Beethoven sowie von zeitgenössischen Komponisten im internationalen Musiktheater vertreten. Sie gastierten weltweit an renommierten Bühnen- und Opernhäusern sowie bei Festivals, u. a. Wiener Festwochen, der Pariser Opéra Comique, dem Daejeon Arts Center in Südkorea, der Philharmonie Berlin, dem Konzerthaus Berlin, dem Palais des Beaux-Arts de Bruxelles, dem Dom Musiki in Moskau, dem Konzerthaus Dortmund, der Deutschen Oper Berlin, den Bregenzer Festspielen, den Händel-Festspielen Halle, dem Kunstfest Weimar, den Schwetzinger SWR Festspielen, der Oper Stuttgart, der Opéra de Rouen, Kampnagel Hamburg, der Münchener Biennale, dem Residenztheater München sowie dem Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg.

Verrat der Bilder zum Bauhaus-Jubiläum 2019 war die europaweit erste Live-Augmented-Reality-Brillen-Performance, die Virtuelles mit dem Spiel von Live Darstellerinnen und Darstellern verbindet und dabei die Möglichkeiten der erweiterten Wirklichkeit untersucht. Für das Beethoven-Projekt Force & Freedom arbeiteten Nicola Hümpel und ihr Ensemble zusammen mit dem Kuss Quartett. Die Produktion, deren Uraufführung aufgrund der Covid-19-Pandemie mehrmals verschoben werden musste, wurde im Dezember 2020 mit EuroArts und ARTE als Musikfilm produziert und ausgestrahlt. 2021 kam die Produktion Empathy for the Devil, die ursprünglich Anfang 2021 im Konzerthaus Berlin uraufgeführt werden sollte, nach pandemiebedingter Verschiebung im Radialsystem zur Premiere. Während der Coronakrise entwickelte Nicola Hümpel mit ihrer Kompanie Onlineformate, die insgesamt über 146.000 Zugriffe bekamen. Im Frühjahr 2023 zeigte ihr Ensemble gemeinsam mit dem Konzerthausorchester Berlin die Produktion Lost in Loops unter der musikalischen Leitung von Jonathan Stockhammer.

Nico and the Navigators waren bisher mit über 360 Gastspielen in insgesamt mehr als 60 Städten weltweit zu sehen. 2013 erschien der Bildband An der Erde hängt der Mensch und an ihm der Himmel beim Verlag Theater der Zeit. 2011 verlieh der Fonds Darstellende Künste dem Ensemble den George-Tabori-Preis. 2016 erhielt Nicola Hümpel den Konrad-Wolf-Preis durch die Akademie der Künste. 2021 wurde die ARTE-TV-Fassung von „Force & Freedom“ für den Opus Klassik in der Kategorie „Audiovisuelle Musikproduktion“ nominiert.

Neben der Ensemblearbeit unterrichtet Nicola Hümpel ihre Methode der „angeleiteten Improvisation“ an mehreren Ausbildungsstätten, u. a. an der Otto-Falckenberg-Schule und an der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München, am Opernstudio Stuttgart und der Queen Elisabeth Music Chapel in Waterloo. Darüber hinaus war sie als Jurymitglied u. a. für die Studienstiftung des deutschen Volkes im Bereich „Regie Musiktheater“ tätig.

Inszenierungen

  • 1996 Denkvorgang
  • 1998 Ich war auch schon einmal in Amerika
  • 1999 Lucky Days, Fremder!
  • 2000 Eggs on Earth
  • 2001 Lilli in Putgarden
  • 2002 Der Familienrat
  • 2003 Kain, Wenn & Aber
  • 2004 HELden & KleinMUT
  • 2006 Wo Du nicht bist
  • 2007 Niels Arms and Songs
  • 2008 Obwohl ich dich kenne
  • 2009 Anæsthesia
  • 2009 Ombra & Luce
  • 2010 Orlando
  • 2011 Cantatatanz
  • 2011 Petite messe solennelle
  • 2012 Angels’ Share
  • 2012 Mahlermania
  • 2013 Shakespeare's Sonnets – Hate me when thou wilt
  • 2014 Die Befristeten
  • 2015 Die Stunde da wir zu viel voneinander wussten
  • 2016 Reigen
  • 2017 Silent Songs into the wild
  • 2017 Im Gegensatz zu dir
  • 2018 Muss es sein? Ja, es muss sein!
  • 2018 Die Zukunft von gestern
  • 2019 Niemand stirbt in der Mitte seines Lebens
  • 2019 Verrat der Bilder
  • 2020 Der Barbier von Sevilla
  • 2020 FAITH TO FACE - Puccinis Suor Angelica
  • 2020 Force & Freedom
  • 2020 JETZT - Muss es sein? Es muss sein!
  • 2021 Empathy for the Devil
  • 2022 Du musst Dein Leben rendern!
  • 2022 Fleisch und Geist
  • 2023 Lost in Loops
  • 2023 Wasted Land

Digitale-Formate

  • 2020 Muss es sein? Es muss sein! Ein Krisentagebuch
  • 2021 PRESENT (6 Folgen)
  • 2021 Force & Freedom auf ARTE
  • 2023 Lost in Loops - Vermittlungsprojekt mit der SchuleEins Pankow

Studentenprojekte an der Otto-Falckenberg-Schule

  • 2008 Heavently Poison
  • 2009 Bionade & Börsencrash
  • 2010 Medienikonen & Testsieger
  • 2013 OFS-Oderbruch
  • 2018 Heaven in pity

Studentenprojekte an der Theaterakademie August Everding

  • 2015 Silent Songs Werkstatt

Mentorenschaft

  • 2011 Sensibles ChaosHochschule der Künste Bern: Masterarbeit von Lisa Seidel-Kukuk
  • 2014 Extended – Performing Arts Programm Berlin: Solo-Performance des israelischen Choreografen und Tänzers Michael Shapira

Auszeichnungen und Nominierungen

  • 2000 Nominierung Berliner Theatertreffen / „Eggs on Earth“
  • 2000 Nominierung Friedrich-Luft-Preis / „Eggs on Earth“
  • 2004 Nominierung Berliner Theatertreffen / „Kain, Wenn & Aber“
  • 2007 Nominierung Berliner Theatertreffen / „Wo Du nicht bist“
  • 2005 Bestes ausländisches Gastspiel, ital. Theaterjahrbuch Patalogo / „Der Familienrat“
  • 2011 George-Tabori-Preis – Fonds für Darstellende Künste
  • 2016 Konrad-Wolf-Preis – Akademie der Künste
  • 2021 Nominierung Opus Klassik / „Force & Freedom“

Literatur

  • Laura Berman, Madlene Therese Feyrer: Klang zu Gang – Gedanken zur Musik in heutigen Theaterformen. Theater der Zeit Verlag, Berlin, 2009, ISBN 978-3-940737-65-6.
  • Nico and the Navigators: An der Erde hängt der Mensch und an ihm der Himmel. Theater der Zeit Verlag, Berlin, 2013, ISBN 978-3-943881-60-8.
  • Babette Kraus: Die Berliner Performance/Theater-Gruppe Nico and The Navigators: Werkzyklus „Menschenbilder“ – Auf der Suche nach der verlorenen Identität. GRIN Verlag, München, 2002, ISBN 978-3-656-76010-8
  • Torsten Maß, Christoph Werner: Theater der Welt: Komm! Ins Offene. Mitteldeutscher Verlag, Halle, 2008, ISBN 978-3-89812-567-3.
  • Sophie Becker: Poesie ist für mich der anspruchvollste Gegenstand einer Inszenierung. In: Das SPIELART Festival München, Theater der Zeit Verlag, Berlin, 2013, ISBN 978-3-943881-62-2.
  • Ulrike Hartung: Postdramatisches Musiktheater. Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg, 2020. ISBN 978-3-8260-6579-8.

Einzelnachweise

  1. Ensemble – Nico and the Navigators. In: navigators.de. Abgerufen am 9. Oktober 2023.
  2. Andreas Montag: Mit Brille sieht man mehr: "Nico and the Navigators" laden zur Bauhaus-Recherche. In: mz.de. 13. September 2019, abgerufen am 9. Oktober 2023.
  3. Jean-Louis Perrier: Die Berliner von Nico, angesäuerte Navigatoren. Rezension zu Eggs on Earth. In: El Mundo, 27. Januar 2003.
  4. Egbert Tholl: Erkundungen in Schuberts Körper. Rezension zu Wo Du nicht bist. In: Süddeutsche Zeitung, 7. August 2006.
  5. Eleonore Büning: Dies Bildnis ist bezaubernd. Rezension zu Anæsthesia. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22. November 2009.
  6. Wolfgang Schreiber: Die Ganzkörperpoeten. Rezension zu Petite messe solennelle. In: Süddeutsche Zeitung, 3. September 2011.
  7. Wolfgang Schreiber: Witz inbegriffen. Rezension zu Petite messe solennelle. In: Opernwelt, 1. November 2011.
  8. Clemens Haustein: Schokolade und Selbstkasteiung. Rezension zu Petite messe solennelle. (Memento vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive) In: Frankfurter Rundschau, 18. November 2011.
  9. Alain Cochard: Rossini selon Nico. Rezension zu Petite messe solennelle. In: Concert Classic Paris, 21. April 2012.
  10. Patrick Wildermann: Liebe in Zeiten der Selfie-Stange. Rezension zu Die Stunde da wir zu viel voneinander wussten. In: Tagesspiegel. 3. Juni 2015 (Online).
  11. Marco Frei: Beischlaf mit Humor. Rezension zu Reigen. In: NZZ, 28. April 2016.
  12. Mirko Weber: Mit Terzen kann man Menschen fangen. Rezension zu Reigen. In: Stuttgarter Zeitung, 25. April 2016.
  13. Judith von Sternburg: Man töte diese Mücke! Rezension zu Reigen. In: Frankfurter Rundschau, 26. April 2016.
  14. Tomasz Kurianowicz: Heimatsucher. Rezension zu Silent Songs into the wild. In: Tagesspiegel, 27. September 2017.
  15. Annette Stiekele: Ein Genuss: Schubert in der Elbphilharmonie. In: Hamburger Abendblatt. 12. Januar 2018, abgerufen am 27. März 2019 (deutsch).
  16. André Mumot | Gabi Wuttke: 20 Jahre Nico and the Navigators: "Die Zukunft von gestern" - Ein szenisches Geburtstagsgeschenk. Abgerufen am 27. März 2019 (deutsch).
  17. Andreas Montag: Mut zum Ich: Das Geheimnis von „Nico and the Navigators“. 4. Oktober 2018, abgerufen am 27. März 2019 (deutsch).
  18. Katrin Bettina Müller: „Niemand stirbt in der Mitte seines Lebens“. In: Die Tageszeitung: taz. 29. Juli 2019, ISSN 0931-9085, S. 24 (taz.de [abgerufen am 14. Mai 2020]).
  19. Andreas Montag: Mit Brille sieht man mehr: „Nico and the Navigators“ laden zur Bauhaus-Recherche. 13. September 2019, abgerufen am 14. Mai 2020 (deutsch).
  20. Arnd Wesemann: Verrat der Bilder: Augmented Reality. In: Michael Merschmeier (Hrsg.): Tanz. Der Theaterverlag - Friedrich Berlin GmbH, Berlin November 2019.
  21. „Der Barbier von Sevilla“ feiert triumphale Premiere. Abgerufen am 14. Mai 2020.
  22. Ute Schalz-Laurenze: Wie eine Feuerschmiede – Nicola Hümpel inszeniert „Der Barbier von Sevilla“ an der Staatsoper Hannover. In: nmz online. 19. Januar 2020, abgerufen am 14. Mai 2020.
  23. Peter Krause: Maximal inspiriert. In: Opernwelt. Der Theaterverlag – Friedrich Berlin GmbH, Berlin März 2020 (der-theaterverlag.de).
  24. André Sokolowski: Puccinis Suor Angelica. In: Kultura-Extra. 2. Februar 2020, abgerufen am 14. Mai 2020.
  25. Claus Fischer: Giacomo Puccini: "Suor Angelica". In: rbb Kultur. 3. Februar 2020, archiviert vom Original; abgerufen am 14. Mai 2020.
  26. Udo Badelt: Ab ins Kloster. In: Opernwelt. März 2020, abgerufen am 14. Mai 2020.
  27. Matthias Nöther: Force & Freedom – Beethoven-Filmprojekt von Nico and the Navigators. Deutschlandfunk, 21. Dezember 2020, archiviert vom Original; abgerufen am 30. April 2021.
  28. Tanzen in Zeiten des Abstandgebots. Abgerufen am 30. April 2021.
  29. Unübersehbar #33 – nmz-Streaming-Empfehlungen vom 25.12. bis zum 7.1.2021 | nmz - neue musikzeitung. Abgerufen am 30. April 2021.
  30. Tomasz Kurianowicz: Nico and the Navigators im Radialsystem: Das Spiel mit dem Bösen. Abgerufen am 31. Januar 2022.
  31. Andreas Montag: Großartiges Spiel um Gut und Böse, Leben und Tod. Abgerufen am 31. Januar 2022.
  32. Nico and the Navigators: "Empathy for the Devil". Archiviert vom Original; abgerufen am 31. Januar 2022.
  33. Esther Slevogt: Glücklich durchgeschüttelt. Abgerufen am 12. September 2023.
  34. Sören Ingwersen: Himmlischer Glaube und irdisches Begehren. Abgerufen am 12. September 2023.
  35. Jürgen Otten: Fleisch und Geist. In: Opernwelt. Der Theaterverlag – Friedrich Berlin GmbH, Berlin Dezember 2022, S. 72 (navigators.de).
  36. Gerald Felber: Starckes Gethön im Sound unserer Tage. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. November 2022 (faz.net).
  37. Susanne Westenfelder: Lost in Loops. In: Opernwelt. Der Theaterverlag – Friedrich Berlin GmbH, Berlin Mai 2023, S. 84 (navigators.de).
  38. Dr. Ingobert Waltenberger: BERLIN/ Radialsystem: WASTED LAND – Nico and the Navigators in einer melodramatischen-musiktheatralischen Aktion. Abgerufen am 12. September 2023.
  39. Barbara Wiegand: Eindringlich: "Wasted Land" von Nico and the Navigators. rbb inforadio, 31. März 2023, abgerufen am 12. September 2023.
  40. Unübersehbar #1 – nmz-Streaming-Empfehlungen vom 1.5. bis zum 7.5.2020 | nmz - neue musikzeitung. Abgerufen am 30. April 2021.
  41. SWR2, SWR2: Das Schwetzingen-Projekt „Force & Freedom“ geht online. Archiviert vom Original; abgerufen am 30. April 2021.
  42. PRESENT auf Vimeo. Abgerufen am 26. Mai 2021.
  43. Andreas Montag: Theatergruppe veröffentlicht Rufe aus der Pandemie. In: Mitteldeutsche Zeitung. 6. Mai 2021, abgerufen am 26. Mai 2021.
  44. Trailer Force & Freedom - Beethoven zwischen Zwang und Freiheit auf Vimeo. Abgerufen am 12. September 2023.
  45. Sandra Luzina: Nico and the Navigators Musiktheater aus Berlin bei Arte Concert. In: Der Tagesspiegel. 19. Dezember 2020, abgerufen am 12. September 2023.
  46. List in Loops auf Vimeo. Abgerufen am 12. September 2023.
  47. Egbert Tholl: Lockende Tiefe. In: sueddeutsche.de. 25. November 2018, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 27. März 2019]).
  48. Nominierte in der Kategorie Audiovisuelle Musikproduktion. In: Opus Klassik. Opus Klassik, archiviert vom Original; abgerufen am 31. Januar 2022.
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