Nuklearia
Rechtsform Eingetragener Verein
Gründung 30. Oktober 2013
Sitz Dortmund
Vorläufer AG Nuklearia
Zweck Positive Sichtweise über die zivile Nutzung der Kernenergie im öffentlichen Diskurs etablieren.
Vorsitz Rainer Klute
Mitglieder 585
Website nuklearia.de

Nuklearia e. V. ist ein eingetragener Verein, der für die zivile Nutzung der Kernenergie wirbt. Sein Sitz ist in Dortmund.

Geschichte und Aktivitäten

Vorläufer des Vereins war die Arbeitsgemeinschaft Nuklearia der Piratenpartei Deutschland.

Der Flyer der Arbeitsgemeinschaft Nuklearia mit dem Titel Wohin mit dem Atommüll? zog eine Abmahnung der Bundespressestelle der Piratenpartei nach sich. Der Bundespressesprecher war der Ansicht, dass der Flyer bewusst den Eindruck erwecke, eine offizielle Position der Partei wiederzugeben, obwohl dieser direkt der Beschlusslage widersprach. Die unter Strafandrohung geforderte Unterlassungserklärung wurde später von der Piratenpartei wieder zurückgezogen.

Im Oktober 2013 beschlossen elf Gründungsmitglieder in Dortmund die Gründung eines parteiunabhängigen Vereins. Die Arbeitsgruppe innerhalb der Piratenpartei blieb weiter bestehen, angestrebt wurden Nuklearia-Gruppen in anderen Parteien.

Im Herbst 2018 wurde zusammen mit der europäischen Initiative Nuclear Pride Coalition die Veranstaltung Nuclear Pride Fest auf dem Münchner Marienplatz veranstaltet, bei der hunderte Menschen teilnahmen.

Ende 2019 rief der Verein zu einer Demonstration anlässlich der Stilllegung des Kernkraftwerks Philippsburg 2 auf. Die Demonstranten äußerten die Befürchtung, dass der von Philippsburg produzierte Strom zum Teil auch durch Kohlestrom ersetzt werde und dass dies dem Klimaschutz zuwider laufe. Von September bis Oktober 2020 rief der Verein – zum Missfallen der AKW-Betreiber – zu Demonstrationen an den Standorten der Kernkraftwerke Brokdorf, Emsland, Grohnde, Isar, Gundremmingen und Neckarwestheim auf.

Im April 2022 reichten Vereinsmitglieder Verfassungsbeschwerde gegen das Atomgesetz ein. Die Beschwerdeführer bezeichneten den Atomausstieg unter anderem aufgrund verschärfter Anforderungen zum Klimaschutz als nicht mehr verfassungsgemäß. Das Verfassungsgericht nahm die Beschwerde nicht zur Entscheidung an.

Anlässlich der Abschaltung der letzten drei deutschen Kernkraftwerke am 15. April 2023 veranstaltete der Verein eine Protestaktion am Brandenburger Tor. Die Zahl der Teilnehmer aus verschiedenen europäischen Ländern lag deutlich über einhundert und damit über der der benachbarten Gegenveranstaltung von Greenpeace mit dem ehemaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin.

Nuklearia ist steuerlich als gemeinnützig anerkannt und finanziert sich nach eigenen Angaben ausschließlich über Mitgliedsbeiträge.

Standpunkte

Der Verein vertritt den Standpunkt von Kernenergie als sicherer, ressourcenschonender und CO2-armer Energiequelle. Er wirbt dementsprechend für den Weiterbetrieb und den Bau konventioneller Kernkraftwerke und möchte eine entsprechende Änderung des Atomgesetzes erreichen, damit Bau und Betrieb von Kernkraftwerken in Deutschland wieder möglich werden. Nuklearia argumentiert, es brauche „sowohl Kernenergie als auch erneuerbare Energien, um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu ermöglichen“.

Der Verein sieht in neuartigen Kernkraftwerken, insbesondere den Brutreaktoren, besondere Chancen und macht eine angebliche Atomhysterie dafür verantwortlich, dass diese in vielen Ländern aus Sicherheitsbedenken und Kostengründen nicht weiterentwickelt wurden.

Kritik

Die Journalistin Susanne Götze sieht den Verein als Teil der „Renaissance der Atomlobby“ und hält das Argument, wegen der Klimakrise müssten weiter Kernkraftwerke eingesetzt werden, für vorgeschoben. Sie verweist darauf, dass der Vorsitzende Rainer Klute als Experte für die AfD bei Anhörungen im Bundestag aufgetreten ist, obwohl die AfD den anthropogenen Klimawandel leugnet. Der Volkswirt Erik Gawel und der Klimaforscher Jan Minx, der wesentlich am fünften Weltklimabericht mitgearbeitet hat, widersprechen der Argumentation von Nuklearia, wonach der Weiterbetrieb und Neubau von Atomkraftwerken eine sichere und ökonomisch sinnvolle Maßnahme gegen den Klimawandel sei. Ähnlich äußerten sich auch Scientists for Future und Greenpeace.

Auch die Organisation IPPNW, die der Kernenergie ablehnend gegenübersteht, hält Nuklearia für einen „Atomindustrie-Verein, getarnt als unabhängige Bürgerinitiative“. Die IPPNW wirft Nuklearia „verharmlosende“ und dem Stand der Wissenschaft widersprechende Behauptungen hinsichtlich der Gefahren von Radioaktivität vor. Die AfD, die ebenfalls für die Atomkraft wirbt, habe sich „gemeinsam mit Nuklearia an die Spitze der Pro-Atom-Bewegung“ gesetzt.

In der Kontext: Wochenzeitung wurde Nuklearia als ein Lobbyverein gesehen, der in Fachkreisen „keine wissenschaftliche Reputation“ genieße, dafür aber „von konservativen Medien [..] oft als Kronzeuge“ für die Kernenergie angeführt werde.

Einzelnachweise

  1. 1 2 Jörg Spreemann: Kernkraftwerke: Ist Atomstrom die Rettung vor dem Klimawandel? In: Nordkurier.de. 21. Januar 2020, abgerufen am 7. November 2021.
  2. 1 2 Miriam Meyer: Atomkraft als "nachhaltige" Energiequelle? Welche Argumente die Befürworter anführen – und was die Gegner antworten. In: watson.de. Abgerufen am 6. November 2021.
  3. Nuklearia e. V.: Impressum. Abgerufen am 21. Juli 2023.
  4. AG Nuklearia/Flyer/Wohin mit dem Atommüll (Memento vom 22. Dezember 2014 im Internet Archive), auf wiki.piratenpartei.de
  5. Achim Sawall: Folgt auf Pro-Atom-Piraten-AG eine Pro-Gema-Piraten-AG? In: Golem. 27. August 2012, abgerufen am 20. Januar 2021.
  6. Peter Mühlbauer: Piratenpartei mahnt Nuklearia ab. In: Telepolis. 25. August 2012, abgerufen am 20. Januar 2021.
  7. Peter Mühlbauer: "Hochemotional besetztes Thema mit religiösen Zügen". In: Telepolis. Abgerufen am 21. Oktober 2020.
  8. DPA: Gegen Arbeitsgruppe: Piratenpartei zieht Abmahnung zurück. In: Handelsblatt. Handelsblatt Media Group, 26. August 2012, abgerufen am 2. Oktober 2019.
  9. Benjamin Reuter: Atomkraft, ja bitte: Warum einige Piraten für die Kernenergie kämpfen. In: Wirtschaftswoche. Handelsblatt Media Group, 19. September 2013, abgerufen am 25. Oktober 2020.
  10. 1 2 3 Nuklearia e. V.: Wir über uns. Abgerufen am 28. Februar 2021.
  11. Margit Hufnagel, Christina Heller, Detlef Drewes: Wie die Kernkraft zum Klimaretter werden soll. Abgerufen am 6. November 2021.
  12. DEWEZET: AKW-Befürworter planen Demo. Abgerufen am 25. Januar 2020.
  13. dpa/lsw: Demonstranten vor Ort: Atomkraftwerk Philippsburg wird abgeschaltet. In: Karlsruhe Insider. 30. Dezember 2019, abgerufen am 25. Oktober 2020 (deutsch).
  14. Atomkraft für Klimaschutz? Energiekonzerne sind von neuen Pro-AKW-Demos genervt. Abgerufen am 20. Januar 2021.
  15. Atomausstieg in Karlsruhe: Pro-Nuklear-Verein reicht Verfassungsbeschwerde ein. In: ka-news. 28. April 2022, abgerufen am 30. Dezember 2022.
  16. Verein reicht Verfassungsbeschwerde gegen Atomausstieg ein. Abgerufen am 6. Januar 2023.
  17. Martin Reischke: Debatte über Atomstrom - Kernkraft als Klimaretter? In: Deutschlandfunk Kultur. 28. Juni 2022, abgerufen am 30. Dezember 2022.
  18. Leon Holly: Atomausstieg: Vorbei, vorbei. In: Die Tageszeitung: taz. 16. April 2023, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 30. April 2023]).
  19. Salvador Martínez Mas: ‘Diálogo de sordos’ en la Puerta de Brandeburgo mientras se apagan las centrales nucleares alemanas. In: NIUS. 15. April 2023, abgerufen am 30. April 2023 (spanisch).
  20. America Hernandez: Climate change worries fuel nuclear dreams. In: Politico. 2. September 2021, abgerufen am 7. November 2021 (amerikanisches Englisch).
  21. 1 2 Svenja Beller: „Ein riskantes und teures Experiment“. In: Greenpeace Magazin. 13. November 2019, abgerufen am 7. November 2021.
  22. 1 2 Susanne Götze: Klimakrise: Die Renaissance der Atomlobby. In: DER SPIEGEL. Abgerufen am 20. Januar 2021.
  23. Anhörung
  24. Alex Rosen: Atomenergie ist keine Antwort auf den Klimawandel. In: INNPW. 12. Januar 2020, abgerufen am 6. November 2021 (weiterführend: Radioaktive „Niedrigstrahlung“: Ein Blick auf die Fakten).
  25. Jürgen Lessat: Medienversagen in der Klimakrise: Nicht auf der Höhe der Zeit. In: Kontext: Wochenzeitung. Abgerufen am 10. November 2021 (deutsch).
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