Sowjetische Invasion der Mandschurei

Sowjetische Karte der Truppenbewegungen
Datum 9. August bis 2. September 1945
Ort Mandschukuo
Ausgang Sowjetischer Sieg
Konfliktparteien

Sowjetunion 1923 Sowjetunion
Mongolei Volksrepublik 1940 Mongolei

Japanisches Kaiserreich Japan
Mandschukuo Mandschukuo
Mengjiang

Befehlshaber

Sowjetunion 1923 Alexander Wassilewski

Japanisches Kaiserreich Yamada Otozō

Truppenstärke

1.577.225 Mann,
26.137 Geschütze,
1.852 Geschütze als Unterstützung,
3.704 Panzer,
5.368 Flugzeuge

1.040.000 Mann,
6.700 Geschütze,
1.000 Panzer,
1.800 Flugzeuge,
1.215 Fahrzeuge

Verluste
laut Sowjetunion:
12.031 Gefallene,
24.425 Verwundete
laut Japan:
20.000+ Gefallene,
50.000+ Verwundete
laut Sowjetunion:
83.737 Gefallene,
594.000 Kriegsgefangene
laut Japan:
21.000 Gefallene,
? Kriegsgefangene

Die sowjetische Invasion der Mandschurei war der wichtigste Teil des Sowjetisch-Japanischen Krieges. Dies war der finale Angriff der Sowjetunion auf das Kaiserreich Japan am Ende des Zweiten Weltkrieges; alternativ wurde ab den 1980er Jahren die Bezeichnung Operation Auguststurm vom US-amerikanischen Militärhistoriker David Glantz geprägt. In ihrem Verlauf eroberten und besetzten sowjetische Truppen im August und September 1945 die japanischen Vasallenstaaten Mandschukuo (Mandschurei) und Mengjiang, Korea, die Präfektur Karafuto (Südsachalin) und die Kurilen.

Es war nach dem Japanisch-Sowjetischen Grenzkonflikt von 1939 die erste militärische Aktion der Sowjetunion gegen das Kaiserreich Japan. Auf der Konferenz von Jalta hatte Stalin dem Drängen der Westalliierten nach einem Bruch des Neutralitätsabkommens mit Japan von 1941 nachgegeben und vereinbart, dass der Eintritt der Sowjetunion in den Pazifikkrieg drei Monate nach dem Kriegsende in Europa beginnen sollte.

Truppen

Sowjetunion

Die Gesamtleitung der Operation hatte Marschall Alexander M. Wassilewski. Für die Offensive wurden drei Fronten der Roten Armee bereitgestellt:

Die Kräfte umfassten mindestens 80 Divisionen mit 1,5 Millionen Soldaten, über 5000 Panzer (u. a. 3700 T-34), über 28.000 Artilleriegeschütze und 4.300 Flugzeuge. Etwa ein Drittel der sowjetischen Kräfte machten Unterstützungs- und Nachschubeinheiten aus. Die Marinekräfte umfassten 12 größere Schiffe, 78 U-Boote, zahlreiche Amphibienfahrzeuge und die Amur-Flottille, welche aus Kanonenbooten und zahlreichen kleineren Schiffen bestand.

Japan

Die japanische Kwantung-Armee unter General Yamada Otozō war der strategisch-operative Verband, der den Vormarsch der Roten Armee stoppen sollte. Sie war als eine der Hauptarmeen des Japanischen Kaiserreiches der wichtigste Teil der japanischen Besatzungsarmee in der Mandschurei und Korea und bestand im Wesentlichen aus drei Regionalarmeen, zwei unabhängigen Armeen, zwei Eisenbahnregimentern und zwei Luftflotten:

Jede Regionalarmee der Kwantung-Armee bestand aus ein oder zwei Armeen und mehreren, dem Regionalarmeekommando direkt unterstellten Divisionen und selbstständigen gemischten Brigaden. Zusätzlich wurden die Japaner durch die 40.000 Mann starken Mandschukuo-Verteidigungskräfte, die sich aus acht schlecht ausgerüsteten und unzureichend ausgebildeten chinesischen Divisionen zusammensetzten, unterstützt. Korea, das nächste Ziel des Fernöstlichen Kommandos der Sowjets, wurde von der 17. Regionalarmee verteidigt.

Die Kwantung-Armee umfasste mehr als 600.000 Mann, welche über 1.215 Panzerkampfwagen (meist Panzerwagen und leichte Panzer), 6.700 (leichte) Geschütze und 1.800 meist veraltete und zur Ausbildung genutzte Flugzeuge verfügten.

Die japanische Marine trug nichts zur Verteidigung der Mandschurei bei, von deren Besetzung sie immer aus strategischen Gründen abgeraten hatte. Der Großteil der japanischen Kräfte bestand aus deutlich weniger Soldaten als vorgesehen und der Hauptteil ihrer schweren Geräte war für den Pazifikkrieg abgezweigt worden.

Der Großteil der verfügbaren Industrie und Rohstoffe Chinas lag in der Mandschurei. Die japanischen Einheiten konnten es allerdings nicht mit der Roten Armee aufnehmen, welche deutlich besser ausgerüstet und ausgebildet sowie taktisch überlegen war. Auch bestand diese zu einem nicht geringen Teil aus frischen Kräften, meist Rekruten. Das Armeehauptquartier gab Korea den Vorzug und die japanische Armee musste sich an der Nord- und Ostgrenze der Mandschurei in Position bringen, während die Westgrenze nur spärlich verteidigt wurde.

Der Feldzug

Der Feldzug wurde nach dem klassischen Zangenverfahren ausgeführt, wobei ein Gebiet von der Größe Westeuropas eingekesselt wurde. Im Westen kämpfte sich die Rote Armee gemeinsam mit der Mongolischen Revolutionären Volksarmee über die Berge und die Wüsten der Mongolei voran, weit entfernt von ihren Versorgungslinien. Dies verwirrte die Japaner und sie wurden unvorbereitet überrascht. In den ersten 18 Stunden des Kampfes war der japanische Kommandant abwesend und der Kontakt zu anderen Einheiten brach kurze Zeit später ab; die japanische Armee hatte vermutet, die Invasion würde im Oktober beginnen und war deshalb nicht auf den Angriff der Sowjets vorbereitet. Zur gleichen Zeit sicherten sowjetische Luftversorgungstruppen Flugplätze und Stadtzentren beim Vormarsch der Bodentruppen; sie wurden auch dazu verwendet, Treibstoff an die Einheiten zu liefern, zu denen kein Bodenkontakt mehr möglich war.

Die Kämpfe dauerten nur etwa eine Woche, bis zu Kaiser Hirohitos Gyokuon-hōsō (= die Rundfunkansprache zur bedingungslosen Kapitulation Japans) am 15. August, die für den nächsten Tag den Waffenstillstand in der Region anordnete. Die sowjetischen Truppen waren zu diesem Zeitpunkt schon weit nach Mandschukuo vorgestoßen, kämpften jedoch weiter und drangen nun, nahezu widerstandslos, in das Kerngebiet Mandschukuos vor, wo sie am 20. August Mukden, Xinjing und Qiqihar einnahmen. Zur gleichen Zeit wurde das Gebiet von Mengjiang von der Roten Armee und ihren mongolischen Verbündeten erobert und Hohhot rasch eingenommen.

Am 18. August wurden vor dem Vormarsch der Bodentruppen einige amphibische Landungen durchgeführt: drei im Norden Koreas, eine in Sachalin und eine auf den Kurilen. Dies hatte zur Folge, dass – zumindest in Korea – die Bodentruppen der Sowjets beim Angriff auf dieses Gebiet bereits von anderen sowjetischen Einheiten erwartet wurden. In Sachalin und auf den Kurilen führte dies zu einer unmittelbaren Errichtung sowjetischer Souveränität.

Der Vormarsch auf dem Landweg wurde jedoch kurz vor dem Yalu-Fluss, dem geographischen Beginn der Halbinsel Korea, abgebrochen, da die Luftversorgung hier endete. Die Truppen, die sich bereits in Korea befanden, konnten ein wenig Kontrolle im Norden der Halbinsel ausüben. Das Ziel, die gesamte Halbinsel zu erobern, wurde jedoch unerreichbar, als amerikanische Truppen am 8. September bei Incheon landeten.

Auch die Insel Hokkaidō wurde nicht erobert, obwohl sowjetische Pläne dies vorgesehen hatten.

Kriegsverbrechen

Viele japanische Siedler nahmen sich das Leben, bevor die Sowjets ihre Gebiete eroberten. Mütter wurden von der japanischen Armee gezwungen, ihre Kinder zu ermorden, bevor sie sich selbst töteten. An der Ermordung der Kinder beteiligte sich gelegentlich auch die japanische Armee selbst. Verwundete Soldaten wurden zurückgelassen.

Britische und US-amerikanische Berichte sagten aus, dass die sowjetischen Truppen, die die Mandschurei eroberten, die Menschen in Mukden terrorisierten und ihre Häuser niederbrannten. Die sowjetische Regierung hätte drei Tage der Vergewaltigung und der Plünderung gestattet. Die kommunistische Partei Chinas soll sich bei den Sowjets über die Vergewaltigungen und Plünderungen beschwert haben.

Konstantin Asmolow vom Center for Korean Research of the Russian Academy of Sciences weist diese Vorwürfe zurück. Im Gegensatz zu Deutschland hätte es keine von der Führung gestattete Plünderung und Massenvergewaltigung gegeben.

Ergebnisse

Die erfolgreiche sowjetische Operation in der Mandschurei führte zusammen mit den amerikanischen Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki (6. und 9. August 1945) den Japanern vor Augen, dass sie keine Möglichkeit hatten, ihre Niederlage im Zweiten Weltkrieg abzuwenden. Einige Historiker, besonders aus China und der ehemaligen Sowjetunion, sehen den Verlust der Mandschurei und den damit verbundenen totalen Machtverlust in China als einen entscheidenden Faktor bei der Kapitulation Japans, teilweise sogar als den Hauptgrund. Sie sind der Ansicht, dass die Japaner erst nach der überraschend schnellen Niederlage ihres letzten einsatzfähigen Armeeverbandes in der Mandschurei gegenüber den Alliierten kapitulationsbereit waren.

Die sowjetisch besetzte Mandschurei war später das Hauptquartier von Mao Zedongs Einheiten, die schließlich 1949 siegreich aus dem Chinesischen Bürgerkrieg hervorgingen. Der militärische Erfolg von Mao in der Mandschurei verhinderte aber auch, dass Stalins Truppen dort Stützpunkte erhielten, die ihnen von den westlichen Alliierten versprochen worden waren, da das gesamte Gebiet nun in den Besitz der Volksrepublik China überging. Allerdings bauten die sowjetischen Besatzer vor dem Verlassen des Gebietes die als wertvoll angesehenen Industrieanlagen der Mandschurei ab, nachdem solche Güter in der vom Krieg seit 1941 schwer in Mitleidenschaft gezogenen Sowjetunion dringend benötigt wurden.

Wie in der Konferenz von Jalta vereinbart, waren die Sowjets innerhalb von drei Monaten nach der deutschen Kapitulation in den Krieg eingetreten, weshalb ihnen Sachalin, die Kurilen, Port Arthur und Dalian überlassen wurden. Die Gebiete auf dem asiatischen Festland wurden 1955 der Volksrepublik China übergeben, die anderen Besitzungen sind bis heute Teil des Rechtsnachfolgers der Sowjetunion, der Russischen Föderation.

Benennung und militärhistorische Aufbereitung

Die militärhistorische Bezeichnung „Operation Auguststurm“ (im Original: Operation August Storm) entstand erst im Jahre 1983 durch den US-amerikanischen Armeehistoriker LTC David Glantz, der den Begriff im Titel einer Veröffentlichung über den Konflikt einführte. Die Militäroperation selbst wurde unter der offiziellen sowjetischen Bezeichnung Манчжурская стратегическая наступательная операция (Mantschschurskaja strategitscheskaja nastupatelnaja operazija, Mandschurische strategische offensive Operation) geführt. Militärhistorische Veröffentlichungen unter der gelegentlich verwendeten amerikanischen Bezeichnung weisen sich damit als frühestens 1983 veröffentlicht aus.

Siehe auch

Literatur

  • David M. Glantz: August Storm. The Soviet 1945 Strategic Offensive in Manchuria (= Leavenworth Papers. Nr. 7). Combat Studies Institute, Fort Leavenworth, Kansas 1983, (PDF; 8,8 MB).
  • David M. Glantz: August Storm. Soviet Tactical and Operational Combat in Manchuria, 1945 (= Leavenworth Papers. Nr. 8). Combat Studies Institute, Fort Leavenworth, Kansas 1983, (PDF, 9,0 MB).
  • Афанасий Павлантьевич Белобородов: Прорыв на Харбин. Wojennisdat, Moskau 1982. Online (russisch; Afanassi Pawlantjewitsch Beloborodow: Durchbruch nach Harbin.)
Commons: Operation Auguststurm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. David M. Glantz, Jonathan House (1995): When Titans Clashed: How the Red Army Stopped Hitler, Lawrence, Kansas: University Press of Kansas, ISBN 0-7006-0899-0, S. 300.
  2. Vyacheslav Zimonin: The Truth and Lies About Japanese Orphans. In: Far Eastern Affairs. Nr. 2–6. Academy of Sciences of the USSR, Moscow 1987, S. 121.
  3. FC Jones: Manchuria since 1931. Royal Institute of International Affairs, 1949, XII. Events in Manchuria, 1945–47, S. 224–225, 227–229 (englisch, Online [PDF; abgerufen am 17. Mai 2012]).
  4. Hannah Pakula: The last empress: Madame Chiang Kai-Shek and the birth of modern China. Simon & Schuster, 2009, ISBN 1-4391-4893-7, S. 530 (Google Books [abgerufen am 28. Juni 2010]).
  5. Dieter Heinzig: The Soviet Union and communist China, 1945–1950: the arduous road to the alliance. ME Sharpe, 2004, ISBN 0-7656-0785-9, S. 82 (Google Books [abgerufen am 28. November 2010]).
  6. Robyn Lim: The geopolitics of East Asia: the search for equilibrium. Psychology Press, 2003, ISBN 0-415-29717-6, S. 86 (Google Books [abgerufen am 28. November 2010]).
  7. Ronald H Spector: In the Ruins of Empire: The Japanese Surrender and the Battle for Postwar Asia. Random House, 2008, ISBN 0-8129-6732-1, S. 33 (Google Books [abgerufen am 28. November 2010]).
  8. Konstantin Walerijanowitsch Asmolow (Константин Валерианович Асмолов): Sieg in Fernost (Pobeda na dal’nem Wostokje). In: Alexander Djukow, Igor Pychalow (Hrsg.): Der große vaterländische Krieg (Welikaja obolgannaja Wojna). Band 2. Jausa, Moskau 2008 (Online [abgerufen am 13. Dezember 2017] russisch: Победа на дальнем востоке.). Online (Memento des Originals vom 4. September 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
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