Orgel der Lutherkirche (Apolda)
Allgemeines
Ort Lutherkirche (Apolda)
Orgelerbauer Wilhelm Sauer
Baujahr 1894
Letzte(r) Umbau/Restaurierung 1953–1959 durch Gerhard Kirchner
Epoche Spätromantik
Orgellandschaft Thüringen
Abbildungen
Technische Daten
Anzahl der Pfeifen ca. 3.200
Anzahl der Register 47
Anzahl der Pfeifenreihen 61
Anzahl der Manuale 3
Windlade Kegellade
Tontraktur Pneumatisch
Registertraktur Pneumatisch
Anzahl der 32′-Register 1
Anzahl der 64′-Register

Die Orgel der Lutherkirche Apolda wurde 1894 von der Firma Wilhelm Sauer in Frankfurt (Oder) erbaut. Sie ist ein typisches Beispiel für den Orgelbau der deutschen Spätromantik. Nach zwei Umbauten in den Jahren 1933 und 1953 bis 1959 verfügt das Instrument über 47 Register, verteilt auf drei Manualen und Pedal.

Baugeschichte

Neubau durch Sauer 1893/94

Der Orgelbau wurde 1892 für die im Bau befindliche Kirche ausgeschrieben. Die Disposition gab der Weimarer Hoforganist Alexander Wilhelm Gottschalg vor. Neben Sauer bewarben sich u. a. Friedrich Ladegast und Eberhard Friedrich Walcker. Sauer, der bereits mit Johannes Otzen, dem Architekten der Kirche, zusammengearbeitet hatte, erhielt den Zuschlag. Otzen entwarf auch das Gehäuse.

Typisch für die Orgel der deutschen Spätromantik ist die Häufung von 8′-Registern mit ihrem Aufbau Gedackt–Flöte–Streicher-Prinzipal auf jedem Manual. Diese Anordnung ist in Mensurierung und Lautstärke nach oben hin abnehmend, das Schwellwerk daher eher ein Echowerk.

Bei der Traktur handelt es sich um eine Übergangsbauweise. Die Windladen sind als mechanische Kegelladen gebaut, die durch pneumatische Relais angesteuert werden.

I Manual C–f3
Bordun16′
Prinzipal16′
Gedackt8′
Hohlflöte8′
Viola di Gamba8′
Prinzipal8′
Flûte harmonique4′
Oktave4′
Quinte223
Oktave2′
Mixtur V4′
Cornett III–IV
Trompete8′
II Manual C–f3
Lieblich Gedackt16′
Lieblich Gedackt8′
Flauto traverso8′
Salicional8′
Geigenprinzipal8′
Rohrflöte4′
Fugara4′
Piccolo2′
Progressio IV–V
Oboe8′
III Manual C–f3
Harmonika8′
Vox coelestis8′
Zartgedackt8′
Konzertflöte8′
Prinzipal amabile8′
Vox angelica4′
Zartflöte4′
Pedal C–d1
Untersatz32′
Prinzipalbass16′
Violonbass16′
Subbass16′
Quinte1023
Gedacktbass8′
Violoncello8′
Oktavbass8′
Oktave4′
Posaune16′
Trompete8′
  • Koppeln: II/I, III/II, I/P, II/P.
  • Spielhilfen: Rollschweller, feste Kombinationen pp, p, mf, f, Tutti.

Umbau durch Sauer 1933

1933 veränderte die Firma Sauer, die damals bereits von Walcker übernommen worden war, Technik und Disposition.

Die pneumatische Steuerung wurde verstärkt, um mehr Spielhilfen einrichten zu können und damit mehr Spielkomfort zu erreichen. Die Registerstaffeln des Spieltisches wurden zu diesem Zweck komplett erneuert. Außerdem wurden zusätzliche Register eingebaut, um die klangliche Bandbreite des Schwellwerks zu vergrößern. Dazu wurde eine zweite pneumatische Kegellade eingesetzt. Die Register des II. Manuals wurden in einen zusätzlichen Schwellkasten gestellt, so dass durch Ankoppeln des III. Manuals ein größeres Schwellwerk entsteht.

Die neuen hochklingenden Register, die Schärfung der Hauptwerksmixtur, die beiden neuen kurzbecherigen Zungenstimmen sowie die gleichzeitige Schwächung des klanglichen Fundamentes durch den Wegfall der Quinte 102/3′ im Pedal und des Bordun 16′ im Hauptwerk zeigen die Tendenz zu einem neobarocken Klangbild.

I Manual C–f3
Prinzipal16′
Gedackt8′
Hohlflöte8′
Viola di Gamba8′
Prinzipal8′
Flûte harmonique4′
Oktave4′
Quinte223
Oktave2′
Cornet III–IV
Mixtur V513
Trompete8′
Krummhorn*8′
II Schwellwerk C–f3
Lieblich Gedackt16′
Lieblich Gedackt8′
Flauto traverso8′
Salicional8′
Oktave4′
Rohrflöte4′
Fugara4'
Piccolo2′
Progressio IV–V
Oboe8′
III Schwellwerk C–f3
Harmonika8′
Vox coelestis8′
Zartgedackt8′
Konzertflöte8′
Prinzipal amabile8′
Vox angelica4′
Zartflöte4′
Quinte*223
Blockflöte*2′
Sifflöte*1′
Cymbel* II
Trichterregal*8′
Pedal C–d1
Untersatz32′
Prinzipalbass16′
Violonbass16′
Subbass16′
Sanftbass16′
Gedacktbass8′
Violoncello8′
Oktavbass8′
Oktave4′
Posaune16′
Trompete8′
Blockflöte (aus III)2′

Die mit * gekennzeichneten Register und Spielhilfen sind neu.

  • Koppeln: II/I, III/II, III/I*, I/P, II/P, III/P*
  • Spielhilfen: Rollschweller, cresc. ab, zwei freie Kombinationen, feste Kombinationen Pleno* und Tutti, Automatische Pedalumschaltung*, Pedal-Tutti*, Zungenstimmen ab*
Anmerkungen A
  1. Zusammensetzung verändert.
  2. Schwellkasten neu.
  3. vorher Bordun 16′ I. Manual.

Umbau durch Kirchner 1953–1959

Von 1953 bis 1959 nahm der Orgelbauer Gerhard Kirchner aus Weimar verschiedene weitere Veränderungen vor: Die zusätzlichen Register auf dem III. Manual wurden erneut geschärft, eine Terz auf einer dritten Windlade hinzugefügt und der Prinzipal 8′ auf dem II. Manual zur viel helleren Oktave 4′ umgestellt. Das romantische Streichregister Fugara 4′ wurde zugunsten eines Sesquialters aufgegeben. Dadurch wurde die neobarocke Tendenz der Umbauten der 1930er Jahre weiter verstärkt.

Außerdem wurde der Pedalumfang durch eine zusätzliche Lade um drei Töne bis f1 erweitert. Die Begründung für diese Maßnahme war, dass man so auch die F-Dur-Toccata von Johann Sebastian Bach darauf spielen konnte. Das Cornett im Hauptwerk wurde zerlegt, um eine Pedalmixtur mit Pfeifen daraus bestücken zu können. Die Orgel wurde zudem höhergestimmt, da der Kammerton a1 zu Zeiten der Erbauung der Orgel noch bei 435 Hz lag.

Die zusätzlichen Windladen und die komplexe Spieltischtechnik verursachen jedoch bis heute Steuerungsprobleme, die Wartung der Orgel ist durch die Einbauten erheblich erschwert worden. Die hinzugefügten Register stechen andererseits klanglich deutlich vom romantisch-grundtönigen Registerfundus ab. Das Höherstimmen hat außerdem einige Pfeifen an die Intonationsgrenze gebracht.

Disposition seit 1959

I Manual C–f3
Prinzipal16′
Gedackt8′
Hohlflöte8′
Viola di Gamba8′
Prinzipal8′
Flûte harmonique4′
Oktave4′
Quinte223
Oktave2′
Mixtur V513
Terz135
Trompete8′
Krummhorn8′
II Schwellwerk C–f3
Lieblich Gedackt16′
Lieblich Gedackt8′
Flauto traverso8′
Salicional8′
Oktave4′
Rohrflöte4′
Sesquialter II223
Piccolo2′
Progressio IV–V
Oboe8′
III Schwellwerk C–f3
Harmonika8′
Vox coelestis8′
Zartgedackt8′
Konzertflöte8′
Prinzipal amabile8′
Vox angelica4′
Zartflöte4′
Oktave*2′
Terz*135
Quinte*113
Ital. Prinzipal*1′
Cymbel III
Trichterregal8′
Pedal C–f1
Untersatz32′
Prinzipalbass16′
Violonbass16′
Subbass16′
Gedacktbass8′
Violoncello8′
Oktavbass8′
Oktave4′
Oktave2′
Rauschpfeife* IV
Posaune16′
Trompete8′


Die mit * gekennzeichneten Register und Spielhilfen sind neu.

  • Koppeln: II/I, III/II, III/I, I/P, II/P, III/P
  • Spielhilfen: Rollschweller, cresc. ab, zwei freie Kombinationen und Pleno, Tutti, zwei freie Pedalkombinationen*, Pedal-Tutti*, Zungenstimmen ab
Anmerkungen B
  1. Aus Cornett III–IV.
  2. Aus Geigenprinzipal 8′.
  3. Aus Quinte 223′ (III) und Blockflöte 2′ (III).
  4. auf zusätzlicher Windlade.
  5. Um zusätzliche Reihe erweitert.
  6. Durch Umdisponierung im III. Manual.
  7. teilweise aus Cornett III–IV (I).

Technische Daten

  • 47 Register, 61 Pfeifenreihen, ca. 3.000 Pfeifen.
  • Windlade: Kegellade.
  • Traktur:
    • Tontraktur: Mechanisch mit pneumatisch angesteuerten Barkerhebeln. Schwellwerk: Pneumatisch.
    • Registertraktur: Pneumatisch.

Sanierung ab 2018

Im Januar 2018 wurde die Orgel mit ihren fast 3.200 Pfeifen innerhalb einer Woche von Mitarbeitern der Orgelbaufirma Jehmlich aus Dresden komplett ausgebaut, zu jedem ausgebauten Stück wurde je ein Protokoll gefertigt. Auch der Orgelraum und die Orgelempore sollen grundhaft saniert werden. Nach erster Begutachtung weisen vor allem die Holzpfeifen kaum Schäden aufgrund von Schimmel, Holzwurm oder Wassereintritt auf. Zuletzt wurde die Orgel 1966 restauriert.

Ziel ist, den Originalzustand von 1894 wieder zu erschaffen und Umbauten zu entfernen. Der Einbau des Instruments dauert voraussichtlich drei Monate. Die erforderlichen Investitionen werden auf mehr als 300 .000 Euro geschätzt. 2022 konnte die Orgel wieder eingeweiht werden.

Bei einem Wettbewerb der Stiftung Orgelklang wurde die Orgel der Lutherkirche Apolda zur „Orgel des Jahres 2023“ gewählt.

Literatur

  • Viola-Bianka Kießling: Königin der Instrumente – Ein Orgel-Führer durch die Region Weimar und Weimarer Land. Fagott-Orgelverlag, Friedrichshafen 2007, ISBN 978-3-00-021071-6.
  • Michael Schönfeld (Hrsg.): Die Lutherkirche in Apolda. Wartburg Verlag, Weimar 1994, ISBN 3-86160-131-1.

Einzelnachweise

  1. Sascha Margon: Die Königin wird demontiert und wartet auf ihre Sanierung. In: Thüringische Landeszeitung Weimar, Online-Ausgabe. 2. Februar 2018, abgerufen am 26. Juni 2023.
  2. Apolda – Lutherkirche – Orgel Verzeichnis – Orgelarchiv Schmidt. Abgerufen am 4. August 2022.
  3. Die „Orgel des Jahres 2023“ steht in Thüringen. In: Stiftung-Orgelklang.de. 22. Mai 2023, abgerufen am 26. Juni 2023.

Koordinaten: 51° 1′ 30″ N, 11° 30′ 58″ O

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