Karolus Magnus et Leo papa – das sogenannte Paderborner Epos, auch Aachener Karlsepos – ist die poetische Beschreibung der Zusammenkunft Papst Leos III. mit Karl dem Großen in Paderborn 799. Das Werk besteht aus 536 Hexametern.

Die Bezeichnung Paderborner Epos führt den Ursprung der Schrift irreführend auf Paderborn selbst zurück. Das wie üblich in Hexametern abgefasste Epos ist zeitnah zum Ereignis entstanden und stammt von der Hand eines hochgebildeten, mit der klassischen und spätantiken hexametrischen Tradition bestens vertrauten Laien, der ein Mitglied des Hofes gewesen sein muss.

Erwogen wurden als Verfasser u. a. Einhard und Modoin (* um 770; † 840/3), ohne dass die Forschung zu einem allseits akzeptierten Ergebnis gelangt wäre. Ähnlich wie die Reichsannalen schreibt der unbekannte Autor aus einer fränkischen Perspektive. Sprache, Stil und Metrik entsprechen den anspruchsvollen Standards der karolingischen Renaissance.

Von dem vermutlich ursprünglich aus vier Teilen bestehenden Epos ist nur noch ein Fragment von 536 Versen in einer einzigen Handschrift (Zentralbibliothek Zürich, Ms. 78: Sammelhandschrift aus St. Gallen, das fragliche Stück, fol. 104r-114v, saec. IX) überliefert. Die Handschrift wurde zusammen mit anderen während des Toggenburgerkrieges 1712 als Beute nach Zürich verschleppt und kehrte nicht mehr nach St. Gallen zurück. Im Jahr 2006 haben sich die Kantone St. Gallen und Zürich auch über dieses Kulturgut verständigt (siehe Kulturgüterstreit zwischen Zürich und St. Gallen).

Inhaltlich stellt der Text das Treffen und die Verhandlungen zwischen Papst Leo III. und Karl dem Großen dar. Der Anlass des Besuches war ein Attentat, das kurz zuvor in Rom auf den Papst verübt worden war. Die Zusammenkunft selbst wird als wichtige Vorbereitung zur Kaiserkrönung Karls im Jahr 800 betrachtet und hat damit weltgeschichtliche Bedeutung. Ob tatsächlich im September 799 Leo und Karl über die Kaiserkrönung regelrecht verhandelt haben, wird in der Literatur mehrheitlich bestritten. Aber die Titulaturen, die das Epos für Karl verwendet, so augustus, caput Europae, pater Europae, weisen bereits (ex post?) auf die Kaiserkrönung und die Kaisertitulatur voraus, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Titel imperator aus metrischen Gründen allenfalls in der selten belegten Nebenform induperator hätte verwendet werden können.

Das Epos enthält zunächst in der Tradition klassischer Herrscherpanegyrik einen Lobpreis auf den König („erhabener Leuchtturm“, „Vater Europas“) und beschreibt die Zusammenkunft selbst. Neben einer stark vom vergilischen Vorbild des Baus Karthagos (Vergil, Aeneis I 421 ff.) bestimmten detaillierten Ekphrasis vom Ausbau Aachens zu einem „zweiten Rom“ findet sich die Ekphrasis eines Jagdzuges der königlichen Familie (vgl. Vergil, Aeneis IV 117 ff.). Besonders ausführlich werden die Ursachen und Umstände der Flucht Leos aus Rom behandelt.

Literatur

  • Joseph Brockmann: Karolus Magnus et Leo papa. Ein Paderborner Epos vom Jahre 799 (= Studien und Quellen zur Westfälischen Geschichte, Bd. 8). Mit Beiträgen von Helmut Beumann, Franz Brunhölzl und Wilhelm Winkelmann, Paderborn 1966, S. 88/89–94/95, Z. 426–539.
  • Wilhelm Henze (Hrsg.): De Karolo rege et Leone papa. Der Bericht über die Zusammenkunft Karls des Großen mit Papst Leo III. in Paderborn 799 in einem Epos für Karl den Kaiser (= Studien und Quellen zur Westfälischen Geschichte, Bd. 36). Mit vollständiger Farbreproduktion nach der Handschrift der Zentralbibliothek Zürich, Ms. C 78, und Beiträgen von Lutz E. von Padberg, Johannes Schwind und Hans-Walter Stork. Bonifatius, Paderborn 1999 (mit Beiheft: Franz Brunhölzl (Hrsg.): De Karolo rege et Leo papa).
  • Jörg Jarnut, Peter Godman und Peter Johanek: Am Vorabend der Kaiserkrönung: Das Epos „Karolus Magnus et Leo papa“ und der Papstbesuch in Paderborn 799, Berlin 2002.
  • Christine Ratkowitsch: Karolus Magnus – alter Aeneas, alter Martinus, alter Iustinus. Zu Intention und Datierung des „Aachener Karlsepos“ (= Wiener Studien, Beiheft 24, Arbeiten zur mittel- und neulateinischen Philologie 4). Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1997. ISBN 3-7001-2635-2
  • Christine Ratkowitsch: Karoli vestigia secutus. Die Rezeption des „Aachener Karlsepos“ in der Carlias des Ugolino Verino (= Wiener Studien, Beiheft 25, Arbeiten zur mittel- und neulateinischen Philologie 4). Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1999. ISBN 3-7001-2809-6.
  • Christoph Stiegemann, Matthias Wemhoff (Hrsg.): 799. Kunst und Kultur der Karolingerzeit. Karl der Große und Papst Leo III. in Paderborn. Katalog der Ausstellung in Paderborn 1999, Philipp von Zabern, Mainz 1999. ISBN 3-80532-456-1.
  • Heinz Erich Stiene (Hrsg.): Konkordanz zum Paderborner Epos (Aachener Karlsepos) (= Lateinische Sprache und Literatur des Mittelalters, Bd. 12), Peter Lang, Frankfurt / Bern 1982.

Anmerkungen

  1. Simone Viarre: Le profane et le sacré dans l’Épopée de Paderborn, in: Caroline Heid, Marc Deramaix, Olivier Pédeflous (Hrsg.): Le profane et le sacré dans l'Europe latine: Ve-XVIe siècles, Paris 2020, S. 33–41, hier: S. 33.
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