Pansexualität (von der altgriechischen Vorsilbe pan „gesamt, umfassend, alles“, und Sexualität) bezeichnet eine sexuelle Orientierung, bei der Personen in ihrem Begehren keine Vorauswahl nach Geschlecht oder Geschlechtsidentität treffen. Für pansexuelle Menschen ist es nicht vom Geschlecht abhängig, wen sie begehren und lieben, das können auch transgeschlechtliche, nichtbinäre oder intergeschlechtliche Personen sein. Dabei kann die Anziehung spirituell, emotional, romantisch, physisch und/oder sexuell sein. Von der pansexuellen Orientierung unterscheidet sich die pangender Geschlechtsidentität („allgeschlechtlich“, vergleiche Gender).

Bislang wurde Bisexualität (von lateinisch bi „zwei“) nur als Liebe zu Personen des eigenen Geschlechts sowie zu gegengeschlechtlichen Personen verstanden (Frauen/Männer), mittlerweile erweitert sich die Bedeutung zur Liebe zu Personen des eigenen und eines weiteren Geschlechts (kann auch nichtbinär sein). Die Definitionen sind jedoch schwer voneinander abzugrenzen und können sich überschneiden.

Geschichte

In der Psychiatrie hatte der Begriff der Pansexualität früher eine andere Bedeutung und wurde von Otto Kernberg 1967 im Zusammenhang mit der – damals noch anders bezeichneten Borderline-Persönlichkeitsstörung geprägt. Kernberg habe, so Brigitte Vetter in ihrem Psychiatrie-Lehrbuch, den Versuch unternommen, charakteristische Symptome und Charakterzüge zusammenzufassen, von denen sie acht benennt und an siebter Stelle schreibt:

„Gleichzeitiges Bestehen mehrerer perverser Züge. Für dieses Phänomen wurde der Begriff der „Pan-Sexualität“ entwickelt. Pan-Sexualität als Borderline-Merkmal beschreibt Patienten, bei denen mehrere perverse Züge gleichzeitig bestehen, und Patienten, die in ihrem tatsächlichen Sexualverhalten total gehemmt sind, die aber zu ihrer sexuellen Befriedigung multiple perverse Masturbationsphantasien einsetzen, von denen die Befriedigung abhängt.“

Brigitte Vetter: Psychiatrie. Ein systematisches Lehrbuch (2007)

Der Begriff Pansexualismus entstammt einem anderen Zusammenhang und war in kirchlichen Pamphleten der 1920er und 1930er Jahre eine frühe abschätzige Bezeichnung für die Psychoanalyse von Sigmund Freud.

Der Begriff Pansexualität zur Bezeichnung einer sexuellen Orientierung kam Anfang der 1990er Jahre auf.

Omnisexualität, omnisexuell

Die Bezeichnung Omnisexualität, kurz omnisexuell (von lateinisch omnis „ganz, jeder, alle“), wird meist in gleicher Bedeutung wie pansexuell verwendet, so auch vom LSBTIQ-Lexikon 2017: „Omnisexualität ist eine sexuelle Orientierung, die Menschen für sich in Anspruch nehmen, die sich zu allen Geschlechtern sexuell und/oder emotional hingezogen fühlen. Omnisexuelle Menschen richten ihr Begehren auf die Vielfalt von Geschlechtern, einschließlich, zwischen und jenseits der binären Geschlechter Mann und Frau.“ Ein erklärender Artikel in der englischsprachigen Cosmopolitan sieht 2021 einen Unterschied zur pansexuellen Orientierung: Omnisexuelle würden die begehrten Personen sehr wohl nach ihrem Geschlecht unterscheiden und die Verschiedenheiten der Geschlechter wertschätzen.

Polysexualität, polysexuell

Die Bezeichnung Polysexualität oder polysexuell (von altgriechisch poly „viele“) unterscheidet sich von Pansexualität nach einer Definition von 2013: „sexuelle Anziehung für viele, aber nicht alle Gender“. Das Regenbogenportal des deutschen Familienministeriums definiert 2020: „Polysexuelle Menschen hingegen fühlen sich zu mehreren, aber nicht allen, Geschlechtern hingezogen. Welche Geschlechter dies konkret sind, unterscheidet sich individuell.“

Siehe auch

Literatur

  • Elisabeth Tuider: Polysexuell, pansexuell, queer: Heteronormativitätskritik und die Pädagogik. In: Anja Kraus (Hrsg.): Körperlichkeit in der Schule: Aktuelle Körperdiskurse und ihre Empirie. Band 5: Sexualität und Macht (= Pädagogik: Perspektiven und Theorien. Band 23). Athena, Oberhausen 2012, ISBN 978-3-89896-502-6, S. 11–35 (online auf academia.edu).
Commons: Pansexualität – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Pansexualität – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Flyer von Frank Thies: Echte Flaggen-Vielfalt. Rellingen, 10. Mai 2021 (gefördert vom Familienministerium Schleswig-Holstein; PDF: 268 kB, 2 Seiten auf echte-vielfalt.de).
  2. Pansexual Pride Flag: Colour Symbolism. In: Tumblr.com. 11. August 2010, abgerufen am 30. Juni 2021 (englisch).
  3. 1 2 Autumn Elizabeth: Pansexuality. In: Abbie E. Goldberg (Hrsg.): The SAGE Encyclopedia of LGBTQ Studies. SAGE Publications, Thousand Oaks, CA 2016, ISBN 978-1-4833-7130-6, S. 833–835, doi:10.4135/9781483371283.
  4. Donald E. Tarver II: Transgender Mental Health: The Intersection of Race, Sexual Orientation, and Gender Identity. In: Billy E. Jones, Marjorie J. Hill (Hrsg.): Review of Psychiatrie: Mental health issues in lesbian, gay, bisexual, and transgender communities. Band 21, Nr. 4. American Psychiatric Publishing, Washington 2002, ISBN 1-58562-069-6, Kapitel 5, S. 95 (englisch; Seitenvorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Bonnie Kruse: Pansexuell – was ist das? In: PraxisVita.de. 10. September 2019, abgerufen am 9. Juli 2021.
  6. Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Pansexualität / pansexuell. In: LSBTIQ-Lexikon. 22. März 2017, abgerufen am 8. Mai 2022.
  7. Infoseite: Frequently Asked Questions: Why “Bisexual” and “Bi+”? In: BiResource.org. Bisexual Resource Center, 2021, abgerufen am 8. Mai 2022 (englisch).
  8. Meggie Gates, John Mutzinger: Pansexuality vs bisexuality: Understanding the differences. In: BusinessInsider.nl. 24. September 2021, abgerufen am 8. Mai 2022 (englisch).
  9. 1 2 Brigitte Vetter: Psychiatrie. Ein systematisches Lehrbuch. 7. Auflage. Schattauer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-7945-2566-9, S. 129 (Google Books [abgerufen am 30. Juni 2023]).
  10. Misty M. Ginicola, Cheri Smith, Joel M. Filmore (Hrsg.): Affirmative Counseling with LGBTQI+ People. John Wiley & Sons, New York 2017, ISBN 978-1-119-37549-4, S. 365–366 (englisch; Glossar; Seitenvorschauen in der Google-Buchsuche).
  11. Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Omnisexualität / omnisexuell. In: LSBTIQ-Lexikon. 22. März 2017, abgerufen am 8. Mai 2022.
  12. Candice Jalili, Taylor Andrews: Omnisexual. In: Cosmopolitan. 17. Mai 2021, abgerufen am 9. Juli 2021 (englisch).
  13. Mykel Board: Pimple No More. In: Naomi S. Tucker (Hrsg.): Bisexual Politics: Theories, Queries, and Visions. Routledge, New York 2013, ISBN 978-1-56023-869-0, S. ?? (englisch; Aufsatzsammlung, erstveröffentlicht 1995).
  14. Eintrag: Pan, poly – und warum überhaupt einordnen? Vielfalt von Labels. In: RegenbogenPortal.de. 2020, abgerufen am 12. Juli 2021 (gefördert vom deutschen Familienministerium).
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