1992Parlamentswahlen in Italien 19941996
 %
30
20
10
0
21,01
20,36
13,47
11,07
8,36
6,05
4,68
3,51
2,70
8,75
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 1992
 %p
 25
 20
 15
 10
   5
   0
  -5
-10
-15
-20
+21,01
+4,26
+8,10
−18,58
−0,29
+0,44
−2,57
+2,27
−0,09
−17,38
Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/Anmerkungen
Anmerkungen:
c 1992: MSI
d 1992: DC
g PS trat mit der PRI an und wurde von der FdL, den Nachfolger der PLI unterstützt.
Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/Altes Ergebnis nicht 100%
Parlamentswahlen in Italien 19941996
nach Koalition
 %
50
40
30
20
10
0
46,35
34,34
16,35
2,21
PdL/PBG
Patto per l’Italia
Sonst.
Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/Neues Ergebnis nicht 100%
Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/TITEL zu lang

Die Parlamentswahlen von 1994 fanden am 27. und 28. März 1994 statt. Sie gelten als Wendepunkt von der so genannten Ersten zur Zweiten Italienischen Republik. Zwar gab es keine neue Verfassung, aber ein neues Wahlrecht und einen völligen Umbruch im Parteiensystem.

Wahlsieger war das Mitte-rechts-Bündnis um die erst wenige Monate vor der Wahl gegründete Partei Forza Italia, das anschließend unter dem Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi die Regierung stellte.

Bedeutung

Erstmals wurde nach dem nach Sergio Mattarella benannten neuen Wahlrecht Mattarellum gewählt. An die Stelle der reinen Verhältniswahl trat ein gemischtes System: drei Viertel der Sitze in der Camera dei deputati wurden nach dem Mehrheitswahlprinzip vergeben, nur ein Viertel proportional nach dem Stimmenanteil der Parteien mit einer Sperrklausel von 4 Prozent (vorher kannte Italien keine Hürde für den Einzug ins Parlament).

Gleichzeitig fand ein einschneidender Umbruch im Parteiensystem statt. Nachdem sich bereits 1991 die Partito Comunista Italiano (PCI) – traditionell zweitstärkste Kraft des Landes – offiziell vom Kommunismus verabschiedet und in „Demokratische Linkspartei“ (Partito Democratico della Sinistra, PDS) umbenannt hatte, mussten bei dieser Wahl die fünf gemäßigten Parteien, die seit dem Zweiten Weltkrieg zumeist in Regierungskoalitionen vertreten waren und in den 1980er-Jahren ein stabiles Kartell namens Pentapartito (die „Fünferpartei“) gebildet hatten, massive Verluste hinnehmen und kollabierten teilweise völlig. Sie waren stark vom Korruptionsskandal Tangentopoli („Stadt der Schmiergelder“) und den sogenannten Mani pulite-Prozessen betroffen, die weitverbreitete Bestechlichkeit unter Regierungspolitikern zutage gefördert hatten.

Aufgrund des Mehrheitswahlrechts schlossen sich einige Parteien erstmals zu offiziellen Wahlallianzen zusammen. Die wichtigsten darunter waren:

Ergebnis

Abgeordnetenkammer

Proporzwahl

Listen Stimmen  % Mandate
Forza Italia 8.136.135 21,0 30
Partito Democratico della Sinistra 7.881.646 20,4 38
Alleanza Nazionale 5.214.133 13,5 23
Partito Popolare Italiano 4.287.172 11,1 29
Lega Nord 3.235.248 8,4 11
Partito della Rifondazione Comunista 2.343.946 6,1 11
Patto Segni 1.811.814 4,7 13
Lista Marco Pannella 1.359.283 3,5
Federazione dei Verdi 1.047.268 2,7
Partito Socialista Italiano 849.429 2,2
La Rete 719.841 1,9
Alleanza Democratica 456.114 1,2
Südtiroler Volkspartei 231.842 0,6
Socialdemocrazia per le Libertà (PSDI – FdS) 179.495 0,5
Programma Italia 151.328 0,4
Lega Alpina Lumbarda 136.782 0,4
Lega Autonomia Veneta 103.764 0,3
Lega d’Azione Meridionale 59.873 0,2
Andere <0,10 % 515.780 1,3
Gesamt 38.720.893 100 155
Ungültige Stimmen 2.825.397 6,8
Wähler 41.546.290 86,3
Wahlberechtigte 48.135.041
Quelle: Innenministerium

Majorzwahl

Listen Stimmen  % Mandate
Alleanza dei Progressisti 12.632.680 32,8 164
Polo delle Libertà 8.767.720 22,8 164
Patto per l’Italia 6.019.038 15,6 4
Polo del Buon Governo 5.732.890 14,9 129
Alleanza Nazionale 2.566.848 6,7 8
Forza Italia (mit CCD und UdC) 679.154 1,8 1
Lista Marco Pannella – Riformatori 432.666 1,1
Südtiroler Volkspartei 188.017 0,5 3
Socialdemocrazia per le Libertà (PSDI – FdS) 137.354 0,4
Partito Sardo d’Azione 82.258 0,2
Lega Autonomia Veneta 78.214 0,2
Partito Socialista Italiano 71.751 0,2
Programma Italia 70.447 0,2
Partito Autonomista Trentino Tirolese 58.962 0,2
Unione Democratica Italiana 57.049 0,1
Unità Popolare 53.167 0,1
Unione Cristiani e Riformisti 52.136 0,1
Lega d’Azione Meridionale 46.820 0,1 1
Autonomia Democrazia 45.409 0,1
Vallée d’Aoste (UV) 43.700 0,1 1
Solidarietà Occupazione Sviluppo 41.713 0,1
Andere <0,10 % 646.165 1,7
Gesamt 38.504.158 100 475
Quelle: Innenministerium (Zusammenfassung berechnet)

Senat

Listen Stimmen  % Mandate
Alleanza dei Progressisti 10.881.320 32,9 122
Polo delle Libertà 6.570.468 19,9 82
Patto per l’Italia 5.519.090 16,7 31
Polo del Buon Governo 4.544.573 13,7 64
Alleanza Nazionale 2.077.934 6,3 8
Lista Pannella – Riformatori 767.765 2,3 1
Partito Pensionati 250.637 0,8
Lega Alpina Lumbarda 246.046 0,7 1
Südtiroler Volkspartei 217.137 0,7 3
Lega Autonomia Veneta 165.370 0,5
Forza ItaliaCentro Cristiano Democratico 149.965 0,5 1
Partito Socialista Italiano 103.490 0,3
Verdi Federalisti 100.418 0,3
Partito Sardo d’Azione 88.225 0,3
Partito della Legge Naturale 86.579 0,3
Andere <0,25 % 1.305.532 3,9 2
Gesamt 33.074.549 100 315
Ungültige Stimmen 2.798.826 7,8
Wähler 35.873.375 85,8
Wahlberechtigte 41.795.730
Quelle: Innenministerium

Mandate

Partei Abgeordnetenkammer Senat
Prop. Maj. Gesamt
Lega Nord 10 [11]a 107 (PdL) 117 60 PdL 60
Alleanza Nazionale 22 [23]a 87 (8 AN + 79 PdBG) 109 8 AN + 40 PdBG 48
Forza Italia 26 (32)b [30]a 75 (39 PdL + 36 PdBG) 101 19 PdL + 14 PdBG + 1 FI-CCD 34
CCD 6 (–)b 21 (7 PdL + 13 PdBG + 1 FI-Andere) 27 2 PdL + 10 PdBG 12
Lista Pannella – Riformatori 6 (PdL) 6 1 LPR + 1 PdL 2
Unione di Centro 4 (3 PdL + 1 PdBG) 4
Polo Liberal Democratico 2 (PdL) 2
Polo (PdL + PdBG) 64 302 366 156
Partito Democratico della Sinistra 35 (37)d [38]c 79 114 70
Partito della Rifondazione Comunista 12 [11]c 27 39 18
Alleanza Democratica 18 18 6
Partito Socialista Italiano 14 14 9
Federazione dei Verdi 11 11 7
La Rete 8 8 6
Cristiano Sociali 2 (–)d 6 8 6
Rinascita Socialista 1 1
Alleanza dei Progressisti 49 164 213 122
Partito Popolare Italiano 29 4 33 31
Patto Segni 13 13
Patto per l’Italia 42 4 46 31
Südtiroler Volkspartei 3 3 3
Lega d’Azione Meridionale 1 1
Vallée d’Aoste 1 1 1
Lega Alpina Lumbarda 1
Gruppo Magris 1
Gesamt 155 475 630 315
  • a 
    Forza Italia erhielt 2 weitere Mandate; ein Mandat wurde den Listen AN und LN abgezogen.
  • b 
    6 CCD Abgeordnete wurden in die Liste Forza Italia gewählt.
  • c 
    Die Partito della Rifondazione Comunista erhielt ein weiteres Mandat; ein Mandat wurde der Liste PDS abgezogen.
  • d 
    2 CS Abgeordnete wurden in die Liste Partito Democratico della Sinistra gewählt.

Abgeordnetenkammer

Sitzverteilung nach KoalitionenSitzverteilung nach Parteien
Insgesamt 630 Sitze
  • Progressisti: 213
  • Patto per l’Italia: 50
  • PdL/PBG: 366
  • LAM: 1
Insgesamt 630 Sitze
  • PRC: 39
  • PDS–Unab.: 122
  • FdV: 11
  • PSI–RS: 15
  • La Rete: 8
  • AD: 18
  • PPI: 33
  • PS: 13
  • SVP: 3
  • VdA: 1
  • CCD: 27
  • FI: 113
  • LN: 117
  • AN: 109
  • LAM: 1

Senat

Sitzverteilung nach KoalitionenSitzverteilung nach Parteien
Insgesamt 315 Sitze
  • Progressisti: 123
  • LAL: 1
  • Patto per l’Italia: 35
  • PdL/PBG: 156
Insgesamt 315 Sitze
  • PRC: 18
  • PDS: 76
  • FdV: 7
  • PSI: 9
  • La Rete: 6
  • AD: 6
  • LM: 1
  • LAL: 1
  • Patto per l’Italia: 31
  • SVP: 3
  • VdA: 1
  • LMP: 1
  • CCD: 12
  • FI: 35
  • LN: 60
  • AN: 48

Gewinner und Verlierer

Die Democrazia Cristiana, dominante Partei der Nachkriegsgeschichte, die ununterbrochen an der Regierung gewesen und fast alle Ministerpräsidenten gestellt hatte, hatte sich kurz vor der Wahl in Partito Popolare Italiano (PPI) umbenannt. Sie verlor bei der Wahl fast zwei Drittel ihrer Stimmen (minus 18,6 Prozentpunkte) und mehr als vier Fünftel ihrer Sitze in der Abgeordnetenkammer (von 206 auf 33). Das war der erheblichste Verlust einer Partei bei einer Wahl in Italien und einer der heftigsten einer Regierungspartei in einem westeuropäischen Land jemals. Ihre bisherigen Koalitionspartner PSI (2,2 %, ein Verlust von 11,4 Prozentpunkten) und PSDI (0,5 %, −2,2 %) verschwanden praktisch in der Bedeutungslosigkeit. Die beiden liberalen Parteien der Nachkriegszeit hatten sich bereits aufgelöst (PLI) bzw. traten nicht mehr separat an (PRI).

Dem gegenüber stand der Wahlsieg der nur zehn Wochen vor der Wahl gegründeten Partei Forza Italia (FI) des Unternehmers Silvio Berlusconi, die aus dem Stand auf 21 % (über 8 Millionen Parteilistenstimmen) kam. Sie hatte noch keine wirklichen Parteistrukturen oder -mitgliedschaft, profitierte aber von einer massiven Starthilfe durch Berlusconis Fininvest-Konzern und eine für Italien neuartige Medienkampagne in seinen Fernsehprogrammen der Mediaset-Gruppe. Beobachter sprachen daher von einer „Instantpartei“ oder „Partei aus Plastik“. Weiterer großer Gewinner war das rechtsextreme Movimento Sociale Italiano (MSI), das bei dieser Wahl erstmals unter dem Namen Alleanza Nazionale antrat. Es profitierte vom Unmut über die Korruptionsskandale und vom Protest dagegen. Zudem gab es sich in dieser Zeit ein neues Image, distanzierte sich vom (Neo-)Faschismus (formell erst auf dem Parteitag von Fiuggi im Januar 1995) und bemühte sich stattdessen um eine Wahrnehmung als respektable, demokratische und konservative Partei. Von einer marginalisierten Partei außerhalb des „Verfassungsbogens“ (arco costituzionale) wuchs sie zur drittstärksten Kraft des Landes, die in einigen Provinzen im Süden sogar die Mehrheit errang.

Regierungsbildung

Die Parteien des Mitte-rechts-Lagers (Polo delle Libertà/Polo del Buon Governo) bildeten eine Koalitionsregierung unter Silvio Berlusconi. Das Kabinett Berlusconi I wurde am 10. Mai 1994 vereidigt. Bereits nach einigen Monaten scheiterte die Koalition, die Lega Nord verließ das Regierungsbündnis und bildete mit den Mitte-links-Parteien sowie der PPI eine neue Mehrheit. Diese brachte am 17. Januar 1995 das Kabinett Dini, eine sogenannte technokratische Regierung (governo tecnico) aus parteilosen Fachleuten ins Amt. Dieses amtierte bis zur vorgezogenen Parlamentswahl im April 1996.

Literatur

  • Mario Caciagli: Wahlrechtsreformen und Parteienlandschaft. Das italienische Rätsel. In: Demokratie im Umbruch. Perspektiven einer Wahlrechtsreform. Böhlau, Wien 2009, S. 75–86.
  • Nick Carter: Italy – The Demise of Post-War Partyocracy. In: Political Parties and the Collapse of the Old Orders. State University of New York Press, Albany 1998, S. 71–94.
  • Ilvo Diamanti, Renato Mannheimer (Hrsg.): Milano a Roma. Guida all'Italia elettorale del 1994. Donzelli, Rom 1994.
  • Isabel Kneisler: Das italienische Parteiensystem im Wandel. VS Verlag, Wiesbaden 2011. Abschnitt 4.2.1. Der Transformationsprozess zu Beginn der 1990er-Jahre – Ursache und Wirkung, S. 115–120.
  • Simon Parker: Electoral reform and political change in Italy, 1991–1994. In: The New Italian Republic. From the Fall of the Berlin Wall to Berlusconi. Routledge, London, 1996, S. 40–56.
  • Markus Schäfer: Referenden, Wahlrechtsreformen und politische Akteure im Strukturwandel des italienischen Parteiensystems. Lit Verlag, Münster 1998.
  • Günter Trautmann: Wahlen und Referenden in Italien 1994 und 1995. In: Italien auf dem Weg zur „zweiten Republik“? Die politische Entwicklung Italiens seit 1992. Peter Lang, Frankfurt a. M. 1995, S. 417–430.

Die Zeit / Hansjakob Stehle: Die neue alte Kungelei

Einzelnachweise

  1. Italy, elections held in 1994. In: ipu.org. Abgerufen am 26. Oktober 2018 (englisch).
  2. Carlo Ruzza, Stefano Fella: Re-inventing the Italian Right. Territorial politics, populism and ‘post-fascism’. Routledge, 2009, S. 107.
  3. Jonathan Hopkin, Piero Ignazi: Newly governing parties in Italy. Comparing the PDS/DS, Lega Nord and Forza Italia. In: New Parties in Government. In power for the first time. Routledge, 2008, S. 57.
  4. Ilvo Diamanti: Dal partito di plastica alla Repubblica fondata sui media. In: Comunicazione Politica, Band 5, Nr. 1, 2004, S. 51–64.
  5. Paolo Gianfelici: „Forza Italia“ oder „Forza Berlusconi“? Bemerkungen zu einem neuen Partei-Modell. In: Italien im Aufbruch – eine Zwischenbilanz. (Memento des Originals vom 2. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen, Band 37, Hanns-Seidel-Stiftung, München 2003, ISBN 3-88795-252-9, S. 48.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.