Paul Preuß, auch Paul Preuss (* 19. August 1886 in Altaussee; † 3. Oktober 1913 am Gosaukamm), war ein österreichischer Alpinist. Er war einer der erfolgreichsten und besten Kletterer seiner Zeit. Er starb bei einer Alleinbegehung auf den Mandlkogel im Gosaukamm (Salzkammergut).

Leben

Paul Preuß kam in Altaussee in der Steiermark in einer jüdischen Familie als Sohn des Klavierlehrers Eduard Preuß und dessen Frau Caroline, geborene Lauchheim, zur Welt. Er wuchs mit seinen Schwestern Mina und Sophie in Wien auf. Im Alter von sechs Jahren litt Preuß unter einer infektiösen Lähmung, die bewirkte, dass er monatelang das Bett hüten musste und sich nur im Rollstuhl fortbewegen konnte. Mit seinem Vater, einem Hobbybotaniker, unternahm er erste Wanderungen, dadurch erholte sich Preuß langsam von seiner Krankheit. Sein Vater starb, als er zehn Jahre alt war.

Später ging er nach München und studierte Biologie. Da er als Jude nicht promovieren durfte, konvertierte er 1909 zum Protestantismus und promovierte später in Pflanzenphysiologie. Preuß wird als eloquent, geistreich, humorvoll und umgänglich beschrieben. Menschen, die er nicht leiden konnte, gab er recht, mit Menschen, die er mochte, konnte er sich auch streiten.

Alpinistische Karriere

Ab einem Alter von elf Jahren wendete sich Preuß immer mehr den Bergen zu, meist in Begleitung seiner Schwester oder Schulfreunden, zunehmend auch alleine. Bei schlechten Wetter trainierte er auch zuhause mit einfachen Hilfsmitteln, so stellte er etwa auf einen Schrank zwei Gläser auf den Rand und machte an ihnen Klimmzüge – ein perfektes Training für brüchigen Fels. Er war als Kletterer ein Naturtalent: „Sein Klettern war am ehesten dem Tanzen zu vergleichen, so schwerelos, so ohne Mühe, so durchaus lustbetont ist es erfolgt“ erinnerte sich später sein Freund Alexander Hartwich.

1911 kletterte Preuß im Alleingang durch die Totenkirchl Westwand im Kaisergebirge, er brauchte dafür nur zweieinhalb Stunden, ein absoluter Rekord. Eine Woche später machte er eine Erstbegehung an der Ostwand der Guglia di Brenta im Trentino, erst 17 Jahre später gelang eine Wiederholung dieser Route. Allein in diesem Jahr machte er 93 Touren in nur vier Monaten, viele davon zählen zu den schwersten Touren seiner Zeit. Preuß war schnell und sicher im Fels unterwegs, er beeindruckte auch den jungen Luis Trenker tief.

In seinem kurzen Leben machte er mehr als 1200 Fels-, Ski- und Hochtouren, davon 150 Erstbegehungen und 300 Besteigungen im Alleingang. Er verzichtete bewusst auf jegliche Sicherungs- und Hilfsmittel, sogar das Abseilen lehnte er ab. Er gilt heute als einer der geistigen Väter des Freikletterns und als einer der besten Kletterer seiner Zeit. Preuss war ein vielseitiger Alpinist, der nicht nur den Fels beherrschte, sondern auch Erstbegehungen auf Schnee und Eis unternahm. Er betrieb auch Skibergsteigen, Skitraversen (in beiden Bereichen gelangen ihm Erstbegehungen) und Schneeschuhwandern.

Preuß erlebte eine lange Reihe von antisemitischen Anfeindungen und Ausgrenzungen, so weigerte sich der österreichische Alpenklub jahrelang diesen Ausnahmekletterer aufzunehmen. Erst spät wurde er in den sich als bergsteigerische Elite definierenden Akademischen Alpenverein München aufgenommen. Bereits in den 1920ern wird sein Name vom Alpenverein aus dem Geschichtsbüchern gelöscht, seine Taten aus antisemitischen Motiven totgeschwiegen und in Deutschland vergessen. Erst in den 60er Jahren lebte sein Andenken wieder auf.

Am 3. Oktober 1913 stürzte Paul Preuß im Alter von nur 27 Jahren aus dem oberen Abschnitt der Nordkante des Mandlkogels im Dachsteingebirge ab. Auf einem Felsband im Schlussteil der Kante wurden einige seiner Ausrüstungsgegenstände gefunden, erst elf Tage später wird seine Leiche geborgen. Die Umstände des Absturzes konnten nicht geklärt werden.

Preuß Klettergrundsätze

Preuß ist nicht nur für seine Leistungen, sondern auch für seine Leitsprüche berühmt. Besonders anerkannt ist seine Forderung, man müsse die Kletterstellen, die man nach oben klettert, auch frei abklettern können. Die Grundsätze, die er für das Klettern formuliert hat, hat er im September 1911 in der Deutschen Alpenzeitung unter dem Titel „Künstliche Hilfsmittel auf Hochtouren“ veröffentlicht und lauten im Einzelnen:

  1. „Bergtouren, die man unternimmt, soll man nicht gewachsen, sondern überlegen sein.“
  2. „Das Maß der Schwierigkeiten, die ein Kletterer im Abstieg mit Sicherheit zu überwinden im Stande ist und sich auch mit ruhigem Gewissen zutraut, muss die oberste Grenze dessen darstellen, was er im Aufstieg begeht.“
  3. „Die Berechtigung für den Gebrauch von künstlichen Hilfsmitteln entsteht daher nur im Falle einer unmittelbar drohenden Gefahr.“
  4. „Der Mauerhaken ist eine Notreserve und nicht die Grundlage einer Arbeitsmethode.“
  5. „Das Seil darf ein erleichterndes, niemals aber das alleinseligmachende Mittel sein, das die Besteigung der Berge ermöglicht.“
  6. „Zu den höchsten Prinzipien gehört das Prinzip der Sicherheit. Doch nicht die krampfhafte, durch künstliche Hilfsmittel erreichte Korrektur eigener Unsicherheit, sondern jene primäre Sicherheit, die bei jedem Kletterer in der richtigen Einschätzung seines Könnens zu seinem Wollen beruhen soll.“

Bekannt ist auch seine Position im „Mauerhakenstreit“: Preuß war derjenige, der das Setzen von Haken nicht befürwortete und sich dafür einsetze, dass nur die alleinige Begehung einer Route ohne technische Hilfsmittel gilt. Haken sollten nur zur Sicherung eingesetzt werden, niemals zur Fortbewegung. Er hatte zwar Hammer und Haken als Sicherung dabei, setzte sie aber nur sehr spärlich ein. Damals wurden Haken noch nicht permanent wie heutzutage gesetzt, sondern meist nach der Begehung wieder entfernt. Damit hatte er eine erstaunlich moderne Ansicht, die noch 100 Jahre nach seinen Tod bestand hat. Ebenfalls recht modern mutet eine andere Aussage Preuß an: „Wenn der Alpinismus eine Zukunft hat, dann wird er im alpinen Sport liegen“.

Ein anderes Zitat von Preuß ist nicht so modern: „Die Frau ist der Ruin des Alpinismus.“ Er lag damit im frauenfeindlichen Trend seiner Zeit, auch wenn er persönlich immer wieder mit seiner Schwester auf Bergtour ging.

Erstbegehungen

Einige der etwa 150 Erstbegehungen von Paul Preuß sind:

Gedenken

Obwohl Preuss 1909 zum Protestantismus konvertiert war, galt er den Nationalsozialisten als Jude und wurde nach Möglichkeit totgeschwiegen, dies wurde auch vom Alpenverein fortgesetzt. Erst in den 1960er Jahren hat man sich wieder seiner erinnert.

Ihm zu Ehren wurde die Kleinste Zinne der Drei Zinnen in den italienischen Dolomiten Preußturm benannt, ebenso die Paul-Preuß-Straße in München-Feldmoching und die Preuß-Hütte in der Rosengartengruppe, die 20 Jahre nach seinem Tod von Tita Piaz zu seinem Gedenken errichtet wurde. Anlässlich seines hundertsten Todesjahres wurde 2013 in Altaussee eine von Walter Angerer d. J. geschaffene Schattenskulptur zur Erinnerung an Paul Preuß enthüllt.

2014 gründeten Bergsteiger und Alpinjournalisten aus Österreich, Bayern und Südtirol die Internationale Paul-Preuss-Gesellschaft (IPPG). Jährlich wird der Paul-Preuss-Preis an einen Bergsteiger vergeben, dessen Einstellung und Leistungen die Grundsätze von Preuss widerspiegeln.

Preisträger sind beispielsweise:

Literatur

Commons: Paul Preuß – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 Sebastian Hofer: Paul Preuß: Vor 100 Jahren verunglückte der Philosoph des Freikletterns. Profil vom 28. Juni 2013, abgerufen am 10. November 2018.
  2. 1 2 Zum 135. Geburtstag von Paul Preuß. 19. August 2021, abgerufen am 28. Juni 2023.
  3. 1 2 Andi Dick: Auf dem Weg des Tänzers – Klettern auf den Spuren von Paul Preuß. (PDF; 341 kB) In: DAV Panorama. Deutscher Alpenverein, Dezember 2010, S. 95, abgerufen am 7. Juni 2012.
  4. 1 2 3 Vor 100 Jahren: Paul Preuß stürzt in den Tod. Abgerufen am 28. Juni 2023 (deutsch).
  5. 1 2 Bergsteiger: Der König der Extremkletterei stürzte mit 27 ab - WELT. 3. Oktober 2015, abgerufen am 28. Juni 2023.
  6. Bayerischer Rundfunk: Visionär ohne Schmäh: Eröffnung des Paul-Preuß-Gedenkjahres. 16. Mai 2016 (br.de [abgerufen am 28. Juni 2023]).
  7. Martin Grabner: Paul Preuß, Begründer des Freikletterns. Bergsteigen.com, abgerufen am 7. Juni 2012 (Biographie).
  8. 1 2 3 Martin Krauß: Der Träger war immer schon vorher da: die Geschichte des Wanderns und Bergsteigens in den Alpen. Nagel & Kimche, München 2013, ISBN 978-3-312-00558-1, S. 65 ff.
  9. Paul Preuß. In: Mountain Future. Österreichischer Alpenverein, archiviert vom Original am 28. September 2007; abgerufen am 19. November 2020.
  10. Reinhold Messner: Der Philosoph des Freikletterns – Die Geschichte von Paul Preuß. 1. Auflage. Pieper Verlag, München 2011, ISBN 978-3-492-40416-7, S. 41 f.
  11. Alpenpost: Enthüllung Paul Preuß - Skulptur in Altaussee 2013; PDF, abgerufen am 6. Oktober 2014.
  12. Internationale Paul Preuss-Gesellschaft. Internationale Paul Preuss-Gesellschaft, abgerufen am 8. September 2018.
  13. Extrembergsteiger Prezelj bekommt Preuss-Preis orf.at, 11. August 2023, abgerufen am 11. August 2023.
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