Paul V. (ungar. Pál) Maria Aloys Anton, Fürst Esterházy de Galántha, gefürsteter Graf zu Edelstetten, Erbgraf von Forchtenstein (* 23. März 1901 in Eisenstadt; † 25. Mai 1989 in Zürich) war ein österreichisch-ungarischer Adliger und Großgrundbesitzer aus dem Adelsgeschlecht der Esterházy. Er war Erb-Obergespan des Komitates Sopron (Komitat Ödenburg) und Mitglied des Ungarischen Oberhauses.
Leben
Paul Esterházy (Paul V.) wurde als zweites von fünf Kindern des Fürstenpaares Nikolaus IV. Esterházy de Galantha (1869–1920) und Margit Cziráky von Czirák und Dénesfalva (1874–1910) geboren. Die Familie Esterházy galt als die wohlhabendste Ungarns bzw. früher Österreich-Ungarns und nahm im Laufe der Jahrhunderte immer wieder starken Einfluss auf die Geschichte des Landes. Paul Esterházy übernahm nach dem frühen Tod seines Vaters mit 19 Jahren als 12. Majoratsherr die Besitzungen der Familie von ca. 128.000 ha Land in Ungarn und etwa 66.000 ha in Deutsch-Westungarn, das 1921 mit dem Namen Burgenland an Österreich angeschlossen wurde. Nach dem Auseinanderbrechen der Donau-Monarchie entschied er sich gegen die österreichische und für die ungarische Staatsbürgerschaft. Er studierte Jura und Staatswissenschaften in Budapest und erwarb 1925 einen Doktorgrad.
Der familiäre Großgrundbesitz verminderte sich im Zuge von Schenkungen und Bodenreformen erheblich. Aus dem politischen Leben der Zwischenkriegsjahre – die zunächst die Ungarische Räterepublik unter Béla Kun, einen Bürgerkrieg und dann das Horthy-Regime brachten – ebenso wie aus der Nazi-Kollaboration Ungarns, gegen die Paul Esterházy eine deutliche Abneigung hatte, hielt sich der menschenscheue Fürst weitgehend heraus. Nach dem Krieg heiratete er am 3. August 1946 in Budapest Melinda Ottrubay, die damalige Prima Ballerina Assoluta der Ungarischen Staatsoper. Die von der Regenbogenpresse gefeierte Verbindung blieb kinderlos. 1946 bis 1947 wurden die restlichen esterházyschen Besitzungen verstaatlicht.
In Österreich wurden die Esterházy-Besitzungen 1946 unter die Verwaltung der sowjetisch geführten USIA gestellt, da das Burgenland in der sowjetischen Besatzungszone lag. Die Besitzungen im Burgenland standen 1946/1947, 1956 und 1964 bis 1968 im Mittelpunkt heftiger politischer Debatten im Burgenland; es wurde kritisiert, dass eine einzige Familie ein Sechstel der gesamten Landesfläche besitzt. In den 1960er Jahren machte die SPÖ die Forderung nach Enteignung zum Wahlkampfthema. Nach Abtretung von etwa 25 % des Besitzes beruhigte sich die Situation.
1948/1949 wurde Esterházy in Ungarn unter dem Vorwand von Devisenvergehen sowie im Schauprozess gegen Kardinal József Mindszenty und andere angeklagt und wegen „monarchistischer Verschwörung“ zu 15 Jahren Kerkerhaft verurteilt.
Esterházy konnte nach dem Ungarischen Volksaufstand 1956 über die Grenze zunächst nach Österreich und später in die Schweiz flüchten. Aufgrund des allgemeinen Verbotes der Adelsprädikate in der Republik Österreich führte er dort den bürgerlichen Namen Dr. Paul Esterhazy. In der Schweiz lebte er zurückgezogen und leitete von Zürich aus seine österreichischen Besitzungen, die nahe der ungarischen Grenze liegen, was ihm als Wohnsitz zu riskant erschien. Das Ehepaar erwarb ein Haus an der Brunaustrasse 20 in Zürich-Enge.
Nach 1970 kam es zu einer weitgehenden Entspannung im Verhältnis zwischen der Politik im Burgenland und Paul Esterházy in Zürich. Es gab eine Reihe von erfolgreichen Kooperationen im kulturellen Bereich, wie den Burgspielen auf Forchtenstein oder dem internationalen Bildhauersymposion St. Margarethen, sowie beim Aufbau des Nationalparks Neusiedler See.
Am 2. Juni 1989 wurde er im Zürcher Friedhof Manegg in Anwesenheit des Bischofs von Eisenstadt Stephan László, des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Sipötz und einer Abordnung von Förstern beigesetzt. Diese Grabstätte wurde inzwischen aufgehoben und die sterblichen Überreste Paul Esterházys in die Familiengruft im Franziskanerkloster Eisenstadt überführt. Die Metallsarkophage von Paul und Melinda Esterházy stehen heute auf einem Doppelpodest im südlichen Nebenschiff jener neogotischen dreischiffigen Pfeilerhalle, welche 1856 bis 1857 durch Franz Storno in der Familiengruft errichtet wurde.
Nach dem Ende des Kommunismus in Ungarn wurde 1990 das Urteil von 1949 gegen Esterházy posthum für nichtig erklärt. In der Schweiz war Esterházy jedoch weitgehend unbekannt. 1999 erschien er wohl deshalb auf einer Liste Nachrichtenloser Vermögen des Schweizerischen Bankvereins (heute UBS), worauf die Neue Zürcher Zeitung in einem Artikel Zweifel an der „kulturellen Bildung“ der Bankverantwortlichen äußerte.
Das Esterhazy-Erbe
Nach Paul Esterházys Tod ging das Esterházy-Vermögen an seine Witwe Melinda Esterházy als Alleinerbin, die im Jahr 1994 drei Privatstiftungen gründete, die seit 2001 unter der Leitung von Melindas Neffen Stefan Ottrubay von der Esterhazy Betriebe GmbH verwaltet werden.
Literatur
- Hanna Molden: Greif und Rose. Geschichte eines Fürstenpaares. Europa Verlag, München/Wien 1998, ISBN 978-3-203-80005-9.
Weblinks
Einzelnachweise
- 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Daniel Foppa: Berühmte und vergessene Tote auf Zürichs Friedhöfen. Limmat Verlag, Zürich 2000, ISBN 3-85791-324-X, S. 32 f., 182.
- 1 2 3 Hanna Molden: Greif und Rose. Geschichte eines Fürstenpaares. Europa Verlag, München/Wien 1998, ISBN 978-3-203-80005-9, S. 304 f.
- ↑ Fotos aus der Gruft beim Begräbnis Melinda Esterházys am 12. September 2014
- 1 2 Matthias Benz: Esterhazy: Ein Schweizer modernisiert das Erbe des berühmten Adelsgeschlechts – Es ist der grösste private Grundbesitz Österreichs. Die Esterhazy-Stiftungen sind eine wirtschaftliche Macht im Burgenland. Aber um sie tobt seit langem ein Familienstreit. In: Neue Zürcher Zeitung. 22. Dezember 2019, abgerufen am 7. August 2021.
- ↑ Austria Presse Agentur: Esterhazy - Vermögen der Adelsfamilie wird in Stiftungen verwaltet. In: Tiroler Tageszeitung. 23. Januar 2019, abgerufen am 5. April 2021.
- ↑ Die Stiftungen. In: Esterhazy Betriebe GmbH. Abgerufen am 5. April 2021.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Nikolaus IV. | Majoratsherr der Familie Esterházy 1920–1989 | Anton II. |