Paula Salomon-Lindberg, geb. Levi (* 21. Dezember 1897 in Frankenthal; † 17. April 2000 in Amsterdam) war vor dem Zweiten Weltkrieg eine international bekannte klassische Sängerin (Alt). Sie war auf Kunstlied, Oratorium und Kantate spezialisiert, widmete sich aber sporadisch auch der Oper.

Eltern

Paula Salomon-Lindberg hieß ursprünglich Paula Levi. Ihr Vater war der jüdische Religionslehrer und Chasan Lazarus Levi, der als Sänger einen besonderen Ruf, weit über die Stadt Frankenthal hinaus, hatte. Er wurde am 16. Juli 1862 in Eckardroth geboren und kam 1896 nach Frankenthal, das damals zu Bayern gehörte. Am 9. März 1897 heiratete er in Frankenthal Sophia Mayer, die am 29. Dezember 1872 in Frankenthal geboren worden war. Aus der Ehe ging als einziges Kind die Tochter Paula hervor. Lazarus Levi starb am 17. November 1919, seine Ehefrau am 26. November 1930, beide in Frankenthal. Das Grab auf dem neuen Judenfriedhof in Frankenthal ist heute noch erhalten.

Leben

Ihre Ausbildung erhielt Paula Salomon-Lindberg hauptsächlich in Mannheim und Berlin durch Julius von Raatz-Brockmann. Kontrapunkt lernte sie bei Ernst Toch. Sie wurde in den 1920er Jahren bekannt und trat hauptsächlich in Werken der Barockzeit wie J.S. Bachs Matthäus-Passion, Händels Messias, aber auch in moderneren Werken wie Gustav Mahlers Lied von der Erde, auf. 1929 gastierte sie im Grand Théâtre de Genève in Genf. Zwischen 1930 und 1933 sang sie die Altpartien bei den Aufführungen der Bach-Kantaten in der Leipziger Thomaskirche. Am 4. September 1930 heiratete sie in Frankenthal den Chirurgen Albert Salomon, wurde damit Stiefmutter der Malerin Charlotte Salomon und trat fortan unter dem Namen Paula Lindberg-Salomon anstatt unter Paula Lindberg auf. Sie war mit zahlreichen Persönlichkeiten wie Siegfried Ochs, Kurt Singer, Erich Mendelsohn, Alfred Einstein, Paul und Rudolf Hindemith sowie Albert Schweitzer befreundet, und ihr Haus wurde zum häufigen Treffpunkt musisch-geselliger Abende. Ausgestattet waren die Räumlichkeiten mit einer kleinen Kunstsammlung die von etwa 1928 bis 1935 angelegt wurde, u. a. mit Werken von Theodoor van Loon, Gustav Schönleber und Ambrosius Bosschaert.

Nach Auftrittsverboten 1933 sang sie noch bis 1937 für den Jüdischen Kulturbund Berlin, welchen sie mit aufbaute, unter der Leitung von Kurt Singer. Unter anderem trat sie hier mit der Pianistin Grete Sultan auf. Ab 1935 nahm sie Unterricht bei dem Gesangslehrer Alfred Wolfsohn. Durch entschlossenes Auftreten und viele Behördengänge konnte sie die Entlassung ihres 1938 infolge der Reichspogromnacht inhaftierten Ehemanns aus dem KZ Sachsenhausen erreichen. In der Künstlerhilfe setzte sie sich auch für andere gefährdete Personen ein und konnte vielen von ihnen die Emigration ermöglichen. 1939 floh sie mit ihrem Mann nach Amsterdam, wo beide 1943 im Konzentrationslager Westerbork interniert wurden, später aber flüchten und die Besatzungszeit bis 1944 versteckt überleben konnten.

Nach dem Krieg lebte Paula Lindberg-Salomon in den Niederlanden, konnte sich problemlos in das niederländische Konzertleben einfügen und war am Amsterdamer Musiklyzeum und bei den Sommerkursen des Mozarteums in Salzburg als Gesangslehrerin tätig. 1947 reiste sie mit ihrem Mann nach Südfrankreich, wo ihnen die Bilder von Charlotte übergeben wurden, welche die beiden 1971 dem Joods Historisch Museum in Amsterdam stifteten. Anlässlich einer Ausstellung mit Werken ihrer Stieftochter besuchte sie 1986 Deutschland. 1989 stiftete sie einen nach ihr benannten internationalen Liedwettbewerb, der seither alle zwei Jahre von der Universität der Künste Berlin durchgeführt wird, und den sie bis zu ihrem Tode aktiv betreute. Eine Einteilung bzw. Beurteilung der Menschen nach religiöser oder nationaler Zugehörigkeit lehnte Paula Salomon-Lindberg mit folgenden Worten ab:

„Heute frage ich nicht mehr: Bist du Deutscher, bist du Jude oder Christ? Heute sehe ich in jedem den Menschen.“

Paula Salomon-Lindberg hinterließ Platten für Parlophon und Derby (Berlin 1928–31), darunter Aufnahmen für die Liturgie der jüdischen Reformgemeinde Berlin. 1935 entstanden vier weitere Titel für Lukraphon, die nur innerhalb des Jüdischen Kulturbundes vertrieben wurden.

Ehrungen

Am 21. April 2012 wurde vor ihrem ehemaligen Wohnhaus, in Berlin-Charlottenburg, Wielandstraße 15, ein Stolperstein für Paula Salomon-Lindberg verlegt.

Literatur

  • Karl-Josef Kutsch, Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. 4. Aufl. München 2003. Band 4: "Kainz–Menkes." ISBN 3-598-11598-9 S. 2729f.
  • Christine Fischer-Defoy, Paula Salomon-Lindberg - mein C'est la vie-Leben. Gespräch über ein langes Leben in einer bewegten Zeit. Arsenal, Berlin 1992 ISBN 3921810973
  • Moritz von Bredow: Rebellische Pianistin. Das Leben der Grete Sultan zwischen Berlin und New York. Schott Music, Mainz 2012 ISBN 978-3-7957-0800-9
  • Axel Weggen: Verbitterung war ihr fremd. Nachruf im Aufbau, No. 12, 15. Juni 2000
  • Horst J. P. Bergmeier, Ejal Jakob Eisler und Rainer E. Lotz: Vorbei. Beyond Recall. Dokumentation jüdischen Musiklebens in Berlin 1933–1938. A Record of Jewish Musical Life in Nazi Berlin 1933–1938., S. 380–86, Hambergen: Bear Family Records, 2001, 2001BCD 16030 LM, ISBN 3-89795-825-2.
Commons: Paula Salomon-Lindberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Paula Salomon-Lindberg in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit auf der Seite des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Hamburg
  2. 1 2 3 Paula Lindberg-Salomon (Contralto) Bach Cantatas (englisch)
  3. Lydia Koelle: The Whole Life, Derekh Judaica Urbinatensia, 1/2003
  4. Paul Theobald: Jüdische Mitbürger in Frankenthal mit Eppstein und Flomersheim von 1800 bis 1940, Ausfertigung Juli 2013
  5. Hermann Jung, Paulo de Assis, Ernst Toch, Hermann Jung (Hrsg.): Spurensicherung – Der Komponist Ernst Toch (1887–1964) – Mannheimer Emigrantenschicksale, Band 6 der Mannheimer Hochschulschriften, Verlag Lang, 2007, S. 94
  6. Zum Tod der jüdischen Sängerin Paula Salomon-Lindberg Welt Online vom 19. April 2000
  7. Cordula Heymann-Wentzel, Johannes Laas (Hrsg.): Musik und Biographie – Festschrift für Rainer Cadenbach, Königshausen & Neumann, Würzburg, 2004, S. 451
  8. Aktives Museum Mitgliederrundbrief Nr. 65, Juli 2011, S. 9
  9. The Musical Tradition of the Jewish Reform Congregation in Berlin BTR 9702 (Double CD) auf Mes musiques régénérées (Memento vom 14. Juli 2015 im Internet Archive)
  10. 1 2 3 4 Salomon-Lindberg, Paula (1897 – 2000). Sängerin und Gesangspädagogin. In: Die Namen bewahren: Die Capriccio-Gedenktafel für Opfer des Nationalsozialismus aus dem Musikleben. Capriccio Forum für klassische Musik, 17. September 2009
  11. Glenn Sujo, David Fraser Jenkins: Legacies of silence – The visual arts and the Holocaust memory, Philip Wilson Publishers, London 2001, S. 116
  12. Kirsten Heinsohn, Barbara Vogel, Ulrike Weckel (Hrsg.): Zwischen Karriere und Verfolgung – Handlungsräume von Frauen im nationalsozialistischen Deutschland, Verlag Campus, Frankfurt a. M., 1997, S. 140 und 141
  13. Hermann W. von der Dunk: Deutsche als Holländer – Zum Thema nationaler und kultureller Amphibien. In: Friso Wielenga (Hrsg.): Grenzgänger – Persönlichkeiten des deutsch-niederländischen Verhältnisses, Waxmann Verlag, 1998, S. 44
  14. Silvia Eiblmayr: Charlotte Salomon Leben? Oder Theater?. In: David, jüdische Kulturzeitschrift, Heft 73, 06/2007
  15. Paula-Salomon-Lindberg-Liedwettbewerb (Memento vom 21. Januar 2016 im Internet Archive). In: Jüdisches Museum Berlin, 2007
  16. Viele Bezüge zu Salomon-Lindberg; über die gemeinsamen Auftritte mit Grete Sultan im Kulturbund Deutscher Juden
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