Der 70 m hohe Perlachturm ist ein Turm in der Altstadt von Augsburg. Im 10. Jahrhundert als Wachturm erbaut, ist er heute im Ensemble mit dem benachbarten Augsburger Rathaus ein Wahrzeichen der alten Reichsstadt und dient heute unter anderem als Aussichtsturm.
Geschichte
Im Jahre 989 ursprünglich als Wachturm erbaut, erlebte der Perlachturm im Laufe seiner über tausendjährigen Geschichte zahlreiche Um- und Ausbauten. Sein heutiges Erscheinungsbild erhielt er im Zuge des Neubaus des Augsburger Rathauses in den Jahren 1612 bis 1618 von dem bekannten Stadtbaumeister Elias Holl. Optisch an das prächtige Nachbargebäude angepasst, bildet der Perlachturm seither mit diesem zusammen eines der schönsten Renaissance-Ensembles nördlich der Alpen. Einst Ausdruck reichsstädtischen Bürgerstolzes, sind Rathaus und Perlachturm auch heute noch Wahrzeichen und Mittelpunkt der historischen Augsburger Altstadt.
Im Jahre 989 wurde in der damaligen Bischofsstadt Augsburg anstelle mehrerer abgebrannter Häuser ein etwa 30 m hoher Wachturm zur Ausschau nach Feuer und Eindringlingen errichtet. Im Jahr 1348 installierte man eine 76 Zentner schwere Feuerglocke im Turm, mit der man die Bürger vor Gefahren warnen konnte. Nur der Stadtvogt hatte das Recht, die Glocke zu läuten – eine Bestimmung, die noch bis ins Jahr 1805 Gültigkeit hatte.
Über fünfhundert Jahre lang blieb der Perlachturm nahezu unverändert in seinem ursprünglichen Zustand erhalten. Zwischenzeitlich als Glockenturm der benachbarten Kirche Sankt Peter am Perlach genutzt, ging er im 15. Jahrhundert in städtischen Besitz über. Im Erdgeschoss des Perlachturms befinden sich heute noch die südliche und die mittlere Kapelle des Westjoches von St. Peter.
Seinen ersten bedeutenden Umbau erlebte der Perlachturm im Jahr 1526, als er auf eine Höhe von 63 Metern aufgestockt wurde. Damit überragte er den Augsburger Dom (62 Meter) um einen Meter. Wenige Jahre später wurde er zudem mit Uhrwerk und Glocke ausgestattet, die der Bevölkerung mit viertelstündlichen Glockenschlägen die Uhrzeit anzeigte.
Zwischen 1612 und 1618 gestaltete der damalige Stadtbaumeister Elias Holl den Perlachturm im Zuge des Neubaus des benachbarten Rathauses im Stil der Renaissance um. Holl ließ den Turm auf seine heutige Höhe von 70 Metern aufstocken, indem er ihm ein Oktogon mit zehn dorischen Säulen sowie eine Kuppel mit Laterne und Zwiebelhaube aufsetzte. Die Laterne bekrönte er mit einer Figur der heidnischen Stadtgöttin Cisa, einer Wetterfahne sowie einer kupfernen Zirbelnuss, dem Augsburger Stadtsymbol. Bei einer Restaurierung des Turmes zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Figur und Zirbelnuss wieder abgenommen.
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Perlachturm mit Flakgeschützen bestückt. Bei den nächtlichen Bombenangriffen der britischen Royal Air Force am 25./26. Februar 1944 brannte das komplette obere Turmgeschoss ab, jedoch konnte der Turm nach Sanierungsarbeiten bereits im Jahr 1950 wiedereröffnet werden.
Aus Anlass des 2000-jährigen Augsburger Stadtjubiläums wurde der „Perlach“ von 1984 bis 1985 nach historischem Vorbild aus der Zeit Elias Holls restauriert, wofür von Seiten der Stadt und engagierter Bürger insgesamt 1,1 Mio. DM aufgewendet wurden. Hierbei erhielt der Turm auch seine ursprüngliche grau-weiße Farbgestaltung zurück. Die Alt-Augsburg-Gesellschaft stiftete zudem ein Glockenspiel, das seither von der Turmspitze viermal täglich deutsche Volkslieder oder Musikstücke von Wolfgang Amadeus Mozart erklingen lässt ( ).
2017 wurde die schadhafte Treppe im Inneren des Perlachturmes aus Sicherheitsgründen für die Öffentlichkeit gesperrt. Die Stadt untersuchte daraufhin den gesamten Turm und stellte dabei im November 2021 weitere gravierende Schäden in den zwei obersten Geschossen und an der Turmfassade fest. Für die Sanierung ermittelte die Bauverwaltung daraufhin Kosten in Höhe von rund 8 Millionen Euro. Ein Teil der Summe soll durch Fördergelder gedeckt werden. Während der Finanzierungsphase verschlechterte sich der bauliche Zustand weiter. So mussten zunächst im April 2022 Schutznetze an der Turmspitze angebracht werden. Im Dezember 2022 wurde auch der Sockel mit Netzen versehen, um Passanten vor herabfallenden Fassadenteilen zu schützen.
Der Name „Perlachturm“
Darüber, woher der Perlachturm seinen Namen hat, kursieren in Augsburg verschiedene Aussagen. Nach der gängigsten Variante fanden im Mittelalter auf dem Platz vor dem damaligen Wachturm regelmäßige Vorführungen wilder Bären (althochdeutsch per) statt; hinter lach soll sich ein Fest oder eine Vorführung verbergen. Das Bild aus dem Jahreszeitenkalender (rechts) zeigt den Perlachturm mit den damals noch nicht vermauerten Arkaden im Sockelbereich, in denen hinter Gittern offenbar diese „Tanzbären“ gehalten wurden. Im Turm befindet sich ein Hinweisschild, dass sein Name vom lateinischen Wort perlego („durchlesen“) stammt. Demnach wurde der Platz vor dem Perlachturm als Ort für die Verkündung öffentlicher/städtischer Verlautbarungen genutzt.
Turamichele
In den Tagen um den 29. September, dem Michaelistag, erscheint am untersten Fenster des Perlachturms das Turamichele (Turm-Michel), ein mechanisches Figurenspiel um den Erzengel Michael. Vor allem Kinder versammeln sich an diesem Tag auf dem Rathausplatz und zählen lauthals mit, wenn der mechanische Engel zu jeder vollen Stunde zum Takt der Glockenschläge auf den zu seinen Füßen liegenden Teufel einsticht. Am Wochenende, das dem 29. September am nächsten ist, findet dazu ein großes Kinderfest auf dem Rathausplatz statt.
Besichtigung
Zur Aussichtsplattform des Perlachturms führen 258 Stufen. Man hat von dort Ausblick über das gesamte Augsburger Stadtgebiet. Bei Föhn im Voralpenland wird auf dem Turm die gelbe Fahne geweht, dann bietet sich vom Perlachturm eine Sicht bis auf die Alpen.
Wegen Sanierungsarbeiten ist der Perlachturm seit 2017 bis auf Weiteres für die Öffentlichkeit geschlossen. Geöffnet war der Perlachturm:
- von Ostern bis Anfang November täglich von 10 bis 18 Uhr und zusätzlich
- während des Augsburger Christkindlesmarktes jeweils Freitag bis Sonntag von 14 bis 18 Uhr.
Sonstiges
- Der bis 2016 jährlich stattfindende „Perlachturmlauf“ gehört zu den bekanntesten Turmläufen in Deutschland. Im Zwei-Minuten-Takt starten die Wettkämpfer ihren Lauf auf die Aussichtsplattform. Der Streckenrekord liegt seit 2005 bei 47,28 Sekunden, gelaufen von Roland Wegner. Bei den Frauen ist Kerstin Harbich seit 2001 mit 1:04,05 Min die Schnellste.
- Im Erdgeschoss des Turmes befindet sich ein Souvenirshop; auch an der Kasse unterhalb der Aussichtsplattform werden Souvenirs verkauft.
- Der Augsburg-Krimi „Der Perlach-Mord“ von Peter Garski spielt im Perlachturm.
Literatur
- Bernt von Hagen: Ein Entwurf für den Perlachturm zu Augsburg. In: Pantheon, 47 (1989), S. 173–178.
- Franz Bischoff: Burkhard Engelberg „Der vilkunstreiche Architector und der Statt Augspurg Wercke Meister“. Burkhard Engelberg und die süddeutsche Architektur um 1500. Anmerkungen zur sozialen Stellung und Arbeitsweise spätgotischer Steinmetzen und Werkmeister. Augsburg 1999, hier S. 317–320.
- Hans Reuther, Ekhart Berckenhagen: Deutsche Architekturmodelle. Projekthilfe zwischen 1500 und 1900. Berlin 1994. Katalog-Nummern 38 – 41.
Weblinks
- Interaktiver Rundblick vom Perlachturm – (Stadt Augsburg)
- Der Perlachturm – (AugsburgWiki)
Einzelnachweise
- ↑ Sanierung rückt näher: Fast drei Millionen Euro für den Augsburger Perlachturm In: StaZ, erschienen am 30. September 2022, abgerufen am 27. Dezember 2022.
- ↑ Weitere Schutznetze am Perlachturm. In: StaZ, erschienen am 23. Dezember 2022, Seite 4.
Koordinaten: 48° 22′ 9″ N, 10° 53′ 54″ O