Philipp der Gute, niederländisch Filips de Goede, französisch Philippe le Bon (* 31. Juli 1396 in Dijon; † 15. Juni 1467 in Brügge), war vom 10. September 1419 bis zu seinem Tod Herzog von Burgund aus der burgundischen Seitenlinie des Hauses Valois, Sohn von Herzog Johann Ohnefurcht (Jean sans peur) und der Margarete von Bayern. Seine historische Bedeutung liegt in erster Linie darin, dass er unter seiner Herrschaft verschiedene Grafschaften und Herzogtümer vereinte, aus denen später die Niederlande, Belgien und Luxemburg hervorgingen.

Leben

Philipp wuchs vor allem in Gent auf. Als ersten Titel erhielt er von seinem Vater 1405 den Titel eines Grafen von Charolais als Apanage verliehen. Philipp wurde 1419 Herzog von Burgund und Graf von Flandern, Artois und Pfalzgraf von Burgund, als sein Vater Johann von Leuten des Dauphins ermordet wurde (siehe Bürgerkrieg der Armagnacs und Bourguignons).

Aus Hass gegen den Dauphin, den späteren Karl VII. von Frankreich verbündete er sich im Vertrag von Troyes vom 21. Mai 1420 mit Heinrich V. von England gegen Frankreich, um sich zu rächen. Als schließlich am 21. September 1435 der Vertrag von Arras abgeschlossen wurde, ließ sich Philipp darin von Karl VII. seine völlige Unabhängigkeit von der französischen Krone garantieren sowie die Grafschaften Auxerre, Mâcon, die Kastellanei Bar-sur-Seine sowie alle Eroberungen in der Picardie (Grafschaft Boulogne, Grafschaft Ponthieu, südlicher Teil der Grafschaft Vermandois sowie die Somme-Städte in der Umgebung von Amiens) übertragen. So erreichte er für seinen jungen Staat Burgund die Möglichkeit zu einer unabhängigen Großmachtpolitik zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich. Durch Erbschaft von Philipp von Brabant aus der Seitenlinie Burgund-Brabant war Philipp der Gute bereits 1430 Herzog von Brabant und Limburg geworden.

1421 erwarb er durch Kauf die Grafschaft Namur hinzu. 1433 entriss er im Haager Vertrag seiner Cousine Jakobäa von Bayern, deren Erbe er bereits 1428 im Delfter Versöhnungsvertrag geworden war, die Grafschaften Holland, Zeeland, Friesland und Hennegau. Ähnlich verfuhr er mit Elisabeth von Görlitz, die als Pfand das Herzogtum Luxemburg innehielt. 1442 sah sie sich aus Geldnot genötigt, Philipp als ihren Alleinerben einzusetzen, der im darauf folgenden Jahr das Herzogtum besetzte und gegen die konkurrierenden Ansprüche der Erben aus dem Haus Luxemburg behauptete. Damit drang er tief in das Gebiet des Heiligen Römischen Reiches ein, was den ebenso heftigen wie hilflosen Protest von Kaiser Sigismund auslöste. Zusammen mit dem Herzogtum Burgund, der Freigrafschaft Burgund und der Grafschaft Flandern, die er geerbt hatte, formte Philipp so ein Territorium von Gebieten beiderseits der Grenze zwischen Deutschland und Frankreich, das an das Reich des ältesten Sohnes von Kaiser Ludwig dem Frommen, Lothars I., erinnerte. Es gelang ihm außerdem die Fürstbistümer Cambrai und Utrecht unter seine indirekte Kontrolle zu bringen, indem er die Wahl von Bischöfen aus seiner Familie durchsetzte.

Philipp begünstigte die Künste und Wissenschaften und beförderte Handel und Gewerbe, namentlich die Teppichweberei in Flandern. Seine Regierungszeit bezeichnet eine Periode beispielloser kultureller Blüte, so beschäftigte er den Maler Jan van Eyck als Hofmaler und entsandte ihn auch auf eine diplomatische Mission nach Portugal. Viele Kunstgegenstände – etwa Gemälde und Wandteppiche – nutzte er als politische Propagandainstrumente und reiste mit ihnen bis ins hohe Alter ständig im Land hin und her, um seine Herrschaft zu festigen und sich zu zeigen.

Am 10. Januar 1430 stiftete er nach dem Vorbild des englischen Hosenbandordens, dessen Annahme er verweigert hatte, den Orden des Goldenen Vlieses, der als einigendes Band für die Elite seines sehr heterogenen Territoriums gedacht war und die christlichen Werte weltweit verteidigen sollte. In seinen letzten Jahren überließ Philipp die Regierung ganz seinem ehrgeizigen Sohn und späteren Nachfolger Karl.

Philipps faktisch unabhängiger Länderkomplex zwischen Frankreich und Deutschland wurde in seinem nördlichen Teil zum Vorläufer der Niederlande (aus denen später die heutigen Staaten Niederlande, Belgien und Luxemburg entstanden). Die Ablösung Philipps von Frankreich und sein Rückzug aus der französischen Innenpolitik geschah allerdings nicht ohne Zögern und Schwanken, da er sich zeitlebens als Prince du sang (Fürst von französischem königlichen Geblüt) betrachtete. Erst sein Sohn Karl der Kühne sollte sich vollends als Oberhaupt eines unabhängigen Reiches fühlen, das er allerdings durch seine unbedachte Politik in Gefahr brachte und das bei seinem Tod auf dem Schlachtfeld 1477 wieder zwischen Frankreich und Habsburg aufgeteilt wurde.

Familie

Philipp war seit 1409 in erster Ehe verheiratet mit Michelle, Tochter des französischen Königs Karl VI. Nach dem Tod seiner ersten Frau 1422 heiratete Philipp in zweiter Ehe 1424 Bonne d’Artois, die Tochter des Grafen Philipp von Artois. Sie war außerdem die Witwe seines Onkels, des Grafen Philipp von Burgund-Nevers. 1430 heiratete Philipp in dritter Ehe Isabel de Portugal, mit der er endlich den gewünschten Nachfolger bekam, Karl den Kühnen. Philipp hatte drei legitime und neun bekannte illegitime Kinder; sein einziger überlebender, legitimer, männlicher Nachkomme war Karl der Kühne.

Neben seinen drei Ehefrauen verkehrte Philipp mit mehreren anderen Frauen, so Jeanne de Presle de Lizy, Jeanne Chastellain, genannt de Bosquiel, Dame von Quéry la Motte († 1462) sowie Marie de Belleval.

Eheliche Nachkommen

einzig mit Isabel de Portugal:

  • Antoine (* 30. September 1430; † 5. Februar 1432), Graf von Charolais
  • Josse (* 24. April 1432; † nach dem 6. Mai 1432), Graf von Charolais
  • Karl (der Kühne) (* 10. November 1433; † 5. Januar 1477), Graf von Charolais, seit 1467 Herzog von Burgund

Uneheliche Nachkommen

  • Antoine (1421–1504), genannt Grand Bâtard de Bourgogne, Herr von Tournehem, Sohn von Jeanne de Presle de Lizy.
  • Cornelius, Herr von Elverdinge, Vlamertinge, Neuve-Église und Pierrefort, Kapitän und Generalgouverneur des Herzogtums Luxemburg.
  • Marie de Bourgogne (1426–1475), Tochter von Jeanne Chastellain (nach anderen Quellen aber der Jeanne Presle de Lizy)
  1. Pierre de Bauffremont, Graf von Charny, Kammerherr Philipps des Guten (Haus Bauffremont)
  1. ⚭ Adrien de Brosse
  2. Adolf von Kleve-Ravenstein
  • Raphaël de Mercatel (1437–1508), Abt der Sankt-Bavo-Abtei in Gent und Saint-Pierre d'Oudenburg, Sohn von Marie de Belleval.
  • Baudouin (1446–1508), Herr von Fallais, Peer, Baudour, Sainte-Anne, Lovendegem, Zomergem et Fromont.
  • Philipp (1464–1524), ab 1517 Bischof von Utrecht.

Wappen

Philipp führte seit 1430 ein geviertes Wappen, das einerseits im ersten und vierten Viertel das Wappen der burgundischen Seitenlinie des Hauses Valois als Grafen von Tours (blau, besät mit goldenen (gelben) Lilien und ein von silber (weiß) und rot gestückter Bord) zeigt und andererseits die Wappen des Herzogtums Burgund (schräg geteilt von gold und blau mit rotem Bord), des Herzogtums Limburg (in silber, der rote „Limburgische Löwe“ mit gespaltenem Schwanz) sowie des Herzogtums Brabant (in schwarz, der goldene „Brabanter Löwe“) zeigt. In der Mitte ist das Wappen der Grafschaft Flandern platziert (in gold, der schwarze „Flandrische Löwe“) – durch seine Großmutter Margarete von Flandern kamen die Grafschaften Flandern, Artois, Rethel und Nevers und die Pfalzgrafschaft Burgund an das Haus Burgund.

Philipp III. führte als Badge Feuerstein und Stahl. Der auf seine dritte Frau bezogene Wahlspruch Aultre naray (‚Ich will keine andere‘) ist im Stundenbuch Philipps des Guten auf mehreren Seiten zu finden.

Titel

Literatur

  • Paul Bonenfant: Philippe le Bon. Sa politique, son action. Études présentées par A.M. Bonenfant-Feytmans. De Boeckh, Brüssel 1996 (Bibliothèque du Moyen âge, 9), ISBN 2-8041-2115-1 (Rezension).
  • Holger Kruse (Hrsg.): Die Hofordnungen der Herzöge von Burgund. Hrsg. von Holger Kruse und Werner Paravicini. Bd. 1: Herzog Philipp der Gute, 1407–1467. Thorbecke, Ostfildern 2005 (Instrumenta, Bd. 15), ISBN 3-7995-7915-X.
  • Susan Marti u. a. (Hrsg.): Karl der Kühne (1433–1477). Kunst, Krieg und Hofkultur. Publikation zur Ausstellung vom 25. April bis 24. August 2008 im Historischen Museum in Bern. Belser, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-7630-2513-8, Kapitel Burgundische Hofkultur unter Philipp dem Guten (1419–1467). S. 170–211.
  • Harm von Seggern: Geschichte der Burgundischen Niederlande. Kohlhammer, Stuttgart 2018.
  • Raphael de Smedt (Hrsg.): Les chevaliers de l’ordre de la Toison d’or au XVe siècle: notices bio-bibliographiques. 2., verbesserte Auflage, Frankfurt 2000 (Kieler Werkstücke, D 3), ISBN 3-631-36017-7, S. 1 f.
  • Richard Vaughan: Philip the Good. The Apogee of Burgundy. London 1970; mehrfach wiederaufgelegt, zuletzt (mit aktualisierter Einleitung): Boydell, Woodbridge 2002, ISBN 978-0-85115-917-1 (Rezension).

Einzelnachweise

  1. Christoph Driessen: Geschichte Belgiens. Die gespaltene Nation. Regensburg 2018, S. 40.
  2. Christoph Driessen: Geschichte Belgiens. Die gespaltene Nation. Regensburg 2018, S. 40.
  3. Christoph Driessen: Geschichte Belgiens. Die gespaltene Nation. Regensburg 2018, S. 39.
  4. Richard Vaughan: Philip the Good. The Apogee of Burgundy. London 1970, S. 161.
  5. BURGUNDY DUCHY, DUKES. Abgerufen am 2. Februar 2021.
Commons: Philipp III. (Burgund) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
VorgängerAmtNachfolger
Johann OhnefurchtHerzog von Burgund
1419–1467
Karl der Kühne
Johann OhnefurchtGraf von Charolais
1405–1433
Karl der Kühne
Johann OhnefurchtGraf von Flandern
Graf von Artois
Pfalzgraf von Burgund
1419–1467
Karl der Kühne
Philipp von Saint-PolHerzog von Brabant und Lothier
Herzog von Limburg
Markgraf von Antwerpen
1430–1467
Karl der Kühne
Großmeister des Ordens vom Goldenen Vlies
1430–1467
Karl der Kühne
Johann III.Markgraf von Namur
1429–1467
Karl der Kühne
Jakobäa von BayernGraf von Holland
Graf von Seeland
Graf von Hennegau
Graf in Friesland
1433/36–1467
Karl der Kühne
Elisabeth von GörlitzHerzog von Luxemburg
1443–1467
Karl der Kühne
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