Die Geschichte des Iran seit 1979 beginnt mit der Islamischen Revolution und der Gründung der Islamischen Republik, die im Iran seit dem 1. April 1979 besteht. Fast vier Jahrzehnte hatte Schah Mohammad Reza Pahlavi mit Unterstützung westlicher Staaten, vor allem der USA, das ölreiche Land als Monarch beherrscht. Am 18. Januar 1979 floh der Schah aus Iran vor Unruhen, in deren Folge der schiitische Geistliche Ruhollah Chomeini zum weltlichen Führer aufstieg. Seitdem ist der oberste Rechtsgelehrte des Iran zugleich die wichtigste politische Macht, gemeinsam mit dem Wächterrat, bestehend aus streng religiösen Geistlichen. Daneben gibt es einen vom Volk gewählten Staatspräsidenten. Die Präsidenten- und Parlamentswahlen in Iran werden allerdings stark manipuliert, unter anderem dadurch, dass der Wächterrat über die Zulassung der Kandidaten entscheidet.
Unter wechselnden Staatspräsidenten hat das Regime seine wesentliche Struktur beibehalten. Durch seine Politik ist es international weitgehend isoliert. Das Ausland kritisiert vor allem die vermuteten Versuche des Iran, Kernwaffen herstellen zu können. Besonders Israel sieht sich dadurch bedroht. Der ehemalige Staatspräsident Mahmud Ahmadineschād (2005–2013) ist als radikaler Antisemit und Holocaustleugner bekannt, sowie das Regime insgesamt für seine Menschenrechtsverletzungen. Zudem waren die Jahre 1980–1988 vom Iran-Irak-Krieg überschattet, mit mutmaßlich mehreren hunderttausenden Toten auf beiden Seiten.
Entstehung der Islamischen Republik 1979
Schah Mohammad Reza Pahlavi verließ mit seiner Familie bzw. seinem engsten Kreis das Land am 16. Januar 1979 (Es folgten Ärzte, Intellektuelle, Professoren, Ingenieure und Journalisten). Zwei Wochen später war Chomeini nach Teheran zurückgekehrt. Es gab keinen Zweifel, dass er die politische Entwicklung des Landes weitestgehend bestimmen würde. Bei einem Referendum am 31. März 1979 sprachen sich, laut der Präambel der Verfassung, angeblich 98,2 % der Iraner für die Errichtung einer Islamischen Republik aus.
Chomeini hatte, vom Schah ins Exil (Türkei, Irak, Frankreich) verbannt, bereits einen Verfassungsentwurf für das Land ausgearbeitet, der in Verhandlungen zwischen allen an der Revolution beteiligten Fraktionen in der Expertenversammlung noch verändert und schließlich dem iranischen Volk am 3. Dezember zur Abstimmung vorgelegt wurde. Auf diese Weise kam es, auch durch Einfluss der liberal-islamischen Kräfte um Mehdi Bāzargān, zur Aufnahme demokratischer Elemente in der Verfassung. Das von Chomeini entwickelte Prinzip der Herrschaft des obersten Rechtsgelehrten (velayat-e faghih) blieb in allen Entwürfen bestehen.
Die neue Verfassung des Iran wurde durch das Referendum am 3. Dezember 1979 angenommen. Nach offiziellen Angaben lag die Zustimmung wie schon bei dem Referendum vom 31. März bei nahezu 100 %, andere Quellen sprechen jedoch nur von etwa 60 %. Somit wurde die einstige konstitutionelle Monarchie Iran zur Islamischen Republik, einem schiitischen Gottesstaat, geführt von der höchsten religiösen Autorität. Der deutsche Botschafter Ritzel berichtete am 4. Dezember 1979 aus Teheran:
„Das Verfassungsreferendum ist ohne schwere Auseinandersetzungen über die Bühne gegangen. Zwar kam es zu Zusammenstößen in Täbris zwischen Verfassungsgegnern aus dem Lager Schariatmadaris und Chomeini-Anhängern, und in den großen Städten Belutschistans konnte überhaupt nicht abgestimmt werden, weil die Wahllokale blockiert wurden. Aber die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht. … Revolutionssprecher Habib kündigte gestern abend die nächsten Etappen im Staatswerdungsprozess der Islamischen Republik an. Danach sind in zwei Monaten Wahlen zum Amt des Staatspräsidenten und des Majles (Parlament) geplant. Chomeini werde voraussichtlich Ende dieser Woche die von ihm laut Verfassung zu bestimmende Hälfte des ‚Wächterausschusses‘ (Kontrolle der Gesetzgebung des Parlaments auf ihre Vereinbarkeit mit islamischen Prinzipien) benennen.“
Die Ära Chomeini (1979–1989)
Der erste geistige und politische Führer der Islamischen Republik Iran war Ajatollah Ruhollah Chomeini. Von ihm stammt der Verfassungsentwurf und das Prinzip der Herrschaft der Rechtsgelehrten. Bei seinem Amtsantritt 1979 war die Lage im Iran äußerst brisant. Die breite Oppositionsfront, die den Schah in der Islamischen Revolution gestürzt hatte, war äußerst heterogen und oft nur in dem Ziel einig, das Schahregime abschaffen zu wollen. Chomeini verkörperte allerdings den Führer der wichtigsten Bewegung, der islamischen Opposition, und wurde somit zur Symbolfigur der Revolution überhaupt. Durch diese Autorität gelang es ihm, die wichtigsten Gruppen in der Anfangsphase der jungen Islamischen Republik zu integrieren.
So wurde Mehdi Bāzargān, ein führendes Mitglied der Nationalen Front, zum ersten Premierminister erkoren. Auch Vertreter aus dem kommunistischen und sozialistischen Lager, z. B. Funktionäre der Tudeh-Partei erhielten Posten im Staatsapparat. 1980, nach Abschaffung des Amts des Premierministers wurde Abolhassan Banisadr zum ersten Präsidenten der Islamischen Republik gewählt. Die Volksmudschahedin (Heilige Kämpfer des Volkes), die auch gegen den Schah gekämpft hatten, stemmten sich gegen die vollständige politische Kontrolle durch Chomeini, da sie darin eine Diktatur wie zu Schahzeiten sahen. Zwischen ihnen und dem Chomeini-Regime entbrannte ein Kampf, der in blutigen Auseinandersetzungen mündete.
Unmittelbar nach der Verabschiedung der Verfassung begann die Verfolgung von Revolutionsgegnern. Hier rückten zunächst die verbliebenen Schahanhänger und Monarchisten in den Blickpunkt. Es dauerte allerdings nicht lange, bis das Feindbild der Revolution auf die USA und Israel ausgedehnt wurde. Es kam noch 1979 zum Geiseldrama von Teheran in der US-Botschaft, bei dem 52 amerikanische Staatsbürger insgesamt 444 Tage festgehalten wurden. Dieser Vorfall brachten die amerikanisch-iranischen Beziehungen zum Erliegen und führten zu einem feindlichen Verhältnis zwischen den beiden Staaten.
Auf Chomeinis Agenda standen vor allem zwei Punkte: erstens die Konsolidierung der Republik und zweitens der Export der Revolution.
Die Machtsicherung und Stabilisierung des Systems waren in den ersten Jahren der Revolution von besonderer Wichtigkeit. Chomeini veranlasste eine umfassende Islamisierung (auch als Kulturrevolution bezeichnet) der iranischen Gesellschaft. Er führte eine strenge Kleiderordnung für Frauen ein, verbot nicht-islamische Zeitungen und Parteien und machte unmissverständlich deutlich, dass jeder Verstoß gegen eine vom Revolutionsregime verhängte Regel als Angriff auf die Revolution gewertet und dementsprechend hart bestraft würde.
Auch die integrative Haltung zu den an der Revolution beteiligten Gruppierungen wurde aufgekündigt. Mehdi Bāzargān und alle anderen Vertreter einer nicht-islamistischen Politik, die eben noch Staatsämter innehatten, sahen sich plötzlich von der Chomeini-Miliz, den sogenannten Revolutionswächtern (in vielen Quellen auch Revolutionsgarde genannt), verfolgt. Hierbei kam es zu blutigen und brutalen Szenen. Das Chomeini-Regime ging 1980 bis 1982 mit schonungsloser Härte gegen jeden vor, der in ihren Augen eine Gefahr für die Islamische Republik darstellte. Es kam zu öffentlichen Massenhinrichtungen und regelrechten Verhaftungsorgien durch die Revolutionsgarde. Allein 1982 wurden zwischen 5.000 und 10.000 Menschen hingerichtet. In den Gefängnissen befinden sich bis zu 40.000 politische Gefangene, für die meisten bedeutet eine Inhaftierung Hunger, Folter und Krankheit. Die Brutalität des Vorgehens trug sicherlich erheblich dazu bei, dass sich die Opposition innerhalb des Landes bald auf ein fast irrelevantes Maß verringert hatte. Einzig die Modjahedin leisteten heftigen Widerstand. Zwischen ihnen und Revolutionsgarden kam es immer wieder zu Straßenschlachten mit vielen Toten. Letztendlich konnten sich das Regime und die chomeinitreuen Milizen durchsetzen. Die Modjahedin blieben bis weit in die 80er Jahre hinein durch Attentate und bewaffneten Widerstand aktiv.
Die Erlangung der Stabilität des Systems ist darüber hinaus aber auf einen weiteren Faktor zurückzuführen. Am 22. September 1980 griff der Irak unter der Führung Saddam Husseins die Islamische Republik Iran an und begann damit den Ersten Golfkrieg (auch Iran-Irak-Krieg genannt). Aus irakischer Sicht glaubte man, die innere Instabilität des Iran ausnützen zu können. Aber die Rechnung ging nicht auf. Stattdessen entwickelte sich ein achtjähriger, zermürbender Krieg, der insgesamt fast eine Million Opfer forderte. (Die Schätzungen gehen weit auseinander, es handelt sich um mindestens 300.000 Iraner, darunter 50.000 bis 100.000 Kinder und Jugendliche.) Für die iranischen Kriegsopfer hatte die Islamische Republik Iran bereits zu Beginn des Krieges 500.000 Plastikschlüssel aus Taiwan bestellt, die nach dem Märtyrertod den iranischen Soldaten die Pforte zum Paradies öffnen sollten. Ein iranisches Gesetz erlaubte, dass Kinder ab dem 12. Lebensjahr auch gegen den Willen ihrer Eltern am Krieg teilnehmen durften.
Im Verlauf des Ersten Golfkrieges wurde die iranische Aufmerksamkeit auf die äußere Bedrohung gebündelt, so dass Oppositionelle noch weniger Aussicht auf Erfolg hatten den Feind im eigenen Land massenwirksam ins Bewusstsein zu rücken. Auch das Militär stand angesichts des Krieges geschlossen hinter Chomeini. Nachdem Banisadr aufgrund seiner zunehmenden Oppositionshaltung gegenüber Chomeini und seiner Annäherung an die Modjahedin im Juni 1981 vom Parlament als Staatspräsident abgesetzt worden war, gewann Mohammad Ali Radschai die darauf folgenden Wahlen und wurde im Juli neuer Staatspräsident (siehe: Präsidentschaftswahl im Iran im Juli 1981). Bereits im August fiel er allerdings einem Attentat zum Opfer und wurde im Oktober desselben Jahres durch Seyyed Ali Chamenei ersetzt, der das Amt des Staatspräsidenten bis zum Tod Chomeinis innehatte (siehe: Präsidentschaftswahl im Iran im Oktober 1981, Präsidentschaftswahl 1985) und dann oberster Rechtsgelehrter wurde. Innerstaatlich zeichneten sich immer deutlicher Konfliktlinien zwischen den Chomeinitreuen Parlamentariern ab.
Grob eingeordnet stritten die Linksislamisten mit der Forderung nach einer stärkeren Regulierung des Marktes durch den Staat mit den konservativen Islamisten, die dieses Modell ablehnten. Chomeini war hier mehr als einmal Schlichter, ohne aber jemals endgültig Partei zu ergreifen. Der Wächterrat als Gegenspieler des Parlaments trug das seinige zu äußerst lebhaften Auseinandersetzungen im iranischen Staatsapparat bei. 1988 errichtete Chomeini auf die immerwährenden Konflikte zwischen Parlament und Wächterrat den Schlichtungsrat, der ähnlich dem deutschen Vermittlungsausschuss die Streitigkeiten über Kompromissfindung beilegen sollte.
Der Krieg indes entwickelte sich für Chomeini, der bis 1983 alle nennenswerten innerstaatlichen Oppositionsgruppen hatte auflösen und ihre Mitglieder hinrichten lassen, bald zu einem Krieg um sein Ziel, die islamische Revolution zu exportieren. Dazu bot sich der teilweise schiitische Irak an, wenn man dessen Diktator Saddam Hussein im Laufe des Krieges hätte stürzen können. Ansonsten wollte Chomenei sein Staatsmodell erklärtermaßen in alle islamischen Länder einführen, notfalls auch mit militärischer Gewalt.
Seit 1987 kam Chomenei langsam vom Vorhaben eines Revolutionsexportes ab. Er sprach sich das Recht zu, jenseits religiöser Vorschriften zu stehen und nun die absolute Herrschaft des obersten Rechtsgelehrten anzutreten. Mit der Annahme des UN-Waffenstillstandsabkommens 1988 erkannte der Iran an, dass er die Revolution nicht in den Irak tragen konnte. Das Unternehmen, für das hunderttausende Iraner ihr Leben gelassen hatten, war gescheitert. Es gab allerdings gute Gründe für Chomeini, den Krieg zu beenden. Die leeren Staatskassen ließen einen Systemkollaps befürchten, die Verluste in der Bevölkerung waren enorm und die Wirtschaft war nach acht Kriegsjahren fast gänzlich zum Erliegen gekommen.
Dennoch war Chomeinis Ansehen in der iranischen Bevölkerung ungebrochen. Nach wie vor wurde er als Heiliger verehrt und nach wie vor konnte er seine Macht auch auf seine charismatische Ausstrahlung stützen. Die Glaubwürdigkeit Chomeinis litt 1986 allerdings unter der Aufdeckung der Iran-Contra-Affäre, als bekannt wurde, der Iran mit Chomeneis Wissen geheime Abkommen mit den USA getroffen hatte, denen zufolge der Iran amerikanische Waffen erhielt und im Gegenzug gefangene Amerikaner freiließ.
Der Gesundheitszustand Chomeinis hatte sich bis 1988 erheblich verschlechtert und man begann sich Gedanken über die Nachfolge zu machen. Aussichtsreichster Anwärter war Ayatollah Hossein Ali Montazeri, der einzige Groß-Ayatollah, der Chomeinis welayat-e-faghih akzeptierte. Die anderen geistigen Führer des schiitischen Islams lehnten es weiterhin ab, sich in die Politik einzumischen. Montazeri, der bereits 1986 von der Expertenversammlung zum Nachfolger Chomeinis ernannt wurde, fiel bei Chomeini allerdings durch allzu kritische Äußerungen in Bezug auf den Krieg, durch seinen Plan, unmittelbar nach Chomeinis Tod Neuwahlen unter Berücksichtigung aller Parteien abzuhalten und durch den Einfluss Rafsandschānis, der Montazeri bekämpfte, in Ungnade. Nachdem er sich für die Begnadigung des zum Tode verurteilten Mehdi Haschemi eingesetzt hatte (im Jahr 1988 kam es zur Massenhinrichtung politischer Gefangener im Iran), dieser aber öffentlich den Verrat an der Revolution „gestanden“ hatte, kam es 1989 zum endgültigen Bruch. Montazeri weckte durch Äußerungen wie: „Die radikalen Fundamentalisten sind daran schuld, dass wir im Ausland so einen schlechten Ruf haben. Wir brauchen eine Vielfalt an Meinungen und nicht nur eine einzige Meinung, die von einer einzigen politischen Linie monopolisiert wird.“ in den westlichen Medien den Anschein eines Demokraten, isolierte sich in der iranischen Führungsriege aber zusehends.
Es gab niemanden, auf den die in der Verfassung festgeschriebenen Kriterien für den obersten Rechtsgelehrten zutrafen und der gleichzeitig auch bereit war, die politische Herrschaft zu übernehmen. Diese Tatsache in Verbindung mit Chomeinis schlechtem Gesundheitszustand führte zur Verfassungsrevision am 28. Juli 1989. Das Amt des obersten Rechtsgelehrten musste fortan nicht mehr von einem Ayatollah besetzt werden. Stattdessen wurde festgeschrieben, dass politische und soziale Fähigkeiten den entscheidenden Ausschlag geben sollen.
Am 3. Juni 1989 starb Chomeini. Als sein Nachfolger wurde der seit 1981 amtierende Staatspräsident Seyyed Ali Chāmene'i bestimmt.
Die Ära Chamenei (seit 1989)
Zum Zeitpunkt seines Amtsantrittes als Führer der Islamischen Republik Iran bekleidete Seyyed Ali Chamenei in der Hierarchie des schiitischen Klerus nur den Rang eines Hodschatoleslam. Er wurde zwar im Zuge der Amtsübernahme formal zum Ayatollah „aufgewertet“, ohne das entsprechende Prüfungsverfahren zu absolvieren, und erlangte deshalb nie die notwendigen Reputationen innerhalb der Schia-Geistlichkeit, die diesen Rang gerechtfertigt hätten. Damit hatte Chamenei vom Beginn seiner Amtszeit an einen ungleich schwereren Stand als Chomeini. Ihm fehlte der Rückhalt in der gläubigen Bevölkerung, die Chomeini noch sicher hinter sich wusste.
Zwei weitere Faktoren führten zu der Tatsache, dass Chamenei bis heute den Status Chomeinis nicht erreichen konnte: Zum einen war im Zuge der Verfassungsänderung das Amt des Premierministers abgeschafft worden, seine Befugnisse und Aufgaben erhielt der Staatspräsident. Dieses Amt hatte dadurch erheblich an Macht gewonnen, denn von nun an repräsentierte der Staatspräsident den Iran nach außen und war gleichzeitig die ausführende Gewalt im Inneren. Es war abzusehen, dass die Politik des Landes in Zukunft von der Zusammenarbeit von Staatspräsidenten und Führer abhängen würde. Zum anderen war Chamenei kein Charismatiker wie Chomeini. Er konnte die Massen nur schwerlich durch seine bloße Anwesenheit begeistern.
Trotz der relativ schlechten Voraussetzungen übernahm Chamenei ein mächtiges Amt mit umfangreichen bis totalitären Kompetenzen. Sein Anteil an der Herrschaft hatte zwar an Ansehen und Vertrauen eingebüßt, gerade weil die entscheidende Legitimation, nämlich die Vertretungsfunktion der größten weltlich-religiösen Kapazität – des 12. Imam – durch die Abschwächung der klerikalen Voraussetzungen für das Amt nicht mehr gegeben war. Eine oppositionelle Bewegung, die Chamenei hätte gefährlich werden können, war aber nicht in Sicht.
Regierung Rafsandschāni (1989–1997)
Im Juli 1989 wurde Ali Akbar Hāschemi Rafsandschāni ins Amt des iranischen Staatspräsidenten gewählt (siehe: Präsidentschaftswahl im Iran 1989). Während der Anfangsphase seiner Amtszeit lag das Land in weiten Teilen in Schutt und Asche. Der Krieg hatte der Infrastruktur und der Ökonomie stark geschadet. Nach dem Ende des Krieges gab es Hoffnung auf Besserung der Lage.
Rafsandschāni war schon vor 1989 ein einflussreicher Politiker. Seit der Revolution 1979 war er ständig in mächtigen Positionen. Er war Mitglied im Revolutionsrat, bis 1989 Präsident des Parlamentes und gehörte zur Clique um Chomeini. Er hatte wohl erheblichen Einfluss auf die Verfassungsänderung und den Machtzuwachs des Staatspräsidentenamtes, den er zur Voraussetzung für seine Kandidatur machte. In der neuen Rolle des Regierungschefs war Rafsandschāni entschlossen, die Wirtschaft anzukurbeln, durch eine Liberalisierung des Marktes Fortschritte in Richtung Wohlstand machen zu können.
Im Zweiergespann an der Spitze des iranischen Staates war Rafsandschāni neben Chamenei klar der präsentere. Der Staatspräsident verstand es, seine Wirtschaftspolitik durchzusetzen und gleichzeitig einen neuen außenpolitischen Kurs einzuschlagen. So ist seine Amtszeit durch viele Versuche der vorsichtigen Annäherung an den Westen gekennzeichnet. Es gab nach wie vor Anti-USA- und Anti-Israel-Demonstrationen und -Kundgebungen, aber Rafsandschāni entschärfte den Ton gegenüber Europa und sprach nicht mehr von einem Export der Revolution.
Die diesbezüglichen Bemühungen Rafsandschānis wurden allerdings durch mehrere Attentate von Angehörigen des iranischen Geheimdienstes an Oppositionellen im ausländischen Exil untergraben. Der wichtigste Vorfall dieser Art, der nach Aufklärung die deutsch-iranischen Beziehungen zum Erliegen brachte, war das sogenannte Mykonos-Attentat 1992 in Berlin, bei dem drei hochrangige Exiliraner ums Leben kamen. Der iranischen Führung und damit auch Rafsandschāni selbst wurde nachgewiesen, schon vorab vom Attentat gewusst zu haben.
Auch innerhalb des Iran stand der Präsident vor Problemen. Den größten Widerstand gegen Rafsandschānis Marktliberalisierung leistete die linksislamistische Fraktion im Parlament, die einen Staatsdirigismus für die geeignetere Antwort auf die wirtschaftliche Lage in der Nachkriegszeit hielt. Die Linksislamisten hatten schon zu Chomeinis Zeiten oft Anspruch auf Gestaltung der Wirtschaftspolitik erhoben, eine Eskalation konnte aber durch Chomeinis Vermittlungskünste stets verhindert werden. Diese Fraktion war auch Chamenei ein Dorn im Auge, ein Grund mehr, weshalb er Rafsandschāni zunächst gewähren ließ. Dieser schaffte es bis 1990 alle Linksislamisten aus den Regierungskreisen und wichtigen Staatsämtern zu entfernen.
Obwohl Rafsandschāni seine Pläne durchsetzen konnte, schaffte er es nicht die Wirtschaft nachhaltig zu beleben. Stattdessen hatte er sich mit der Aufnahme von Auslandskrediten zu Investitionszwecken und dem Massenimport von Konsumgütern deutlich übernommen. 1993 war die Islamische Republik Iran praktisch zahlungsunfähig. Rafsandschāni hatte binnen vier Jahren ca. 25 Milliarden US-Dollar Staatsschulden angehäuft. Hinzu kam eine seit 1992 überproportional steigende Inflationsrate. Es kam zu Unruhen und Protesten in der Bevölkerung.
1993 wurde Rafsandschāni dennoch wiedergewählt (siehe: Präsidentschaftswahl im Iran 1993), es zeichnete sich allerdings ab, dass er in seiner zweiten Legislaturperiode mit wesentlich mehr Widerstand und Einmischung durch den obersten Rechtsgelehrten zu rechnen hatte. Tatsächlich drängte Chamenei mehr und mehr in den politischen Vordergrund. Er gab Rafsandschāni öffentlich die Schuld an der katastrophalen Lage des Landes und machte in wesentlich größerem Maße von seiner Macht Gebrauch als noch zu Beginn der ersten Amtszeit Rafsandschānis. So installierte er nach und nach über den Kopf des Staatspräsidenten hinweg seine Gefolgsleute in wichtige Ämter, verhinderte Gesetze und drängte Rafsandschāni in den letzten Jahren seiner Amtszeit an den Rand der Bedeutungslosigkeit.
1995 verschärfte sich die wirtschaftliche Situation erneut, als US-Präsident Bill Clinton im sogenannten Iran-Lybia Sanctions Act (ILSA) einen völligen Handels- und Investitionsboykott gegen den Iran durchsetzte, der bis heute andauert.
In der iranischen Gesellschaft entstand Mitte der 1990er-Jahre große Unzufriedenheit wegen der Misserfolge der Regierung, der Auseinandersetzungen zwischen geistigem Führer und Staatspräsident sowie der internationalen Isolation des Landes. Es wurden Stimmen lauter, die eine Reform des unflexiblen und aufgrund der Vetomöglichkeiten für Wächterrat und obersten Rechtsgelehrten oft handlungsunfähigen Systems forderten.
Bei den Präsidentschaftswahlen 1997 durfte Rafsandschāni nicht erneut kandidieren. Der Weg war frei für politische Veränderung.
Regierung Chātami (1997–2005)
Von 238 Bewerbern auf eine Kandidatur zum Staatspräsidenten ließ der Wächterrat 1997 lediglich vier zu. Alle anderen wurden unter Hinweis auf Unverträglichkeit mit „islamischen Prinzipien“ abgelehnt. Die Wahl gewann, für viele überraschend, Mohammad Chātami (siehe: Präsidentschaftswahl im Iran 1997). Dieser war unter Rafsandschāni Kulturminister gewesen und 1992 aus Protest über die zunehmende Einschränkungen der Meinungsfreiheit zurückgetreten. Seitdem war er nicht mehr politisch aktiv. Zu seiner Kandidatur wurde er überredet. Sein Wahlerfolg erschien nach dem erbitterten Kampf der Vorgängerregierung gegen das Lager der gemäßigten Linksislamisten, dem Chātami zugerechnet wurde, besonders erstaunlich.
Trotz seiner politischen Vorgeschichte hatte der Wächterrat ihn zugelassen und Chātami ließ bereits im Wahlkampf anklingen, für wie wichtig er Reformen (zum Beispiel im Staatsapparat und bei den Themen Menschenrechte, Unterdrückung der Frauen, Zensur, außenpolitische Isolation) hielt. Er traf mit diesen Themen den Nerv vieler junger Iraner, die enttäuscht von ihrem Staat waren. Chātami erhielt 70 % der Stimmen. Unterstützt wurde er durch die 1997 gegründete Partizipationsfront des islamischen Iran, die sich zur wichtigsten Reformpartei des Iran entwickelte.
Vor allem in den westlichen Demokratien hoffte man durch den Einfluss Chātamis auf eine Reform des iranischen Staates und beschwor die Selbstheilungskräfte der erstarkenden iranischen Zivilgesellschaft und einen Demokratisierungsprozess. Zu Beginn seiner Regierungszeit sahen seine Erfolge tatsächlich vielversprechend aus. Er hatte eine Liberalisierung der Presselandschaft durchsetzen und so den kritischen Stimmen im Land zu mehr Gehör verhelfen können. In Iran etablierten sich ein kritischer Diskurs über die Errungenschaften der Islamischen Revolution auf der einen und Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat auf der anderen Seite. Als die konservativen Kräfte erkannten, dass Chātami sich tatsächlich zu einer Integrationsfigur für politische und gesellschaftliche Veränderungen entwickeln könnte, leiteten sie Gegenmaßnahmen ein.
Der Geheimdienst VEVAK verübte 1998 eine Reihe von Morden und Entführungen an Oppositionellen und Intellektuellen. Diese als Kettenmorde bezeichneten Angriffe auf die Stabilität der jungen Regierung waren die heftigsten Gewaltausbrüche seit den Hinrichtungswellen unter Chomeini. Chātami verurteilte die Morde scharf und ließ sich nicht von seinem Reformkurs abbringen. Er hatte nicht nur die religiösen Hardliner gegen sich, sondern auch das Parlament. Dort verfügten die Konservativen über die Mehrheit, verhinderten die Reformgesetze Chātamis und brachten teilweise Gesetze auf den Weg, die aus reformerischer Sicht Rückschritte waren.
Mit der Parlamentswahl am 18. Februar 2000 schien sich das Blatt zu Gunsten Chātamis zu wenden; die Reformer waren nun auch die stärkste Fraktion im Parlament. Chātami, auf dessen politischer Agenda zum ersten Mal in der Geschichte des Iran nach 1979 die Frauenrechte eine wichtige Rolle spielten, wollte nun u. a. die rigorose Trennung der Geschlechter in der iranischen Gesellschaft auflockern. Die Mehrheit im Parlament stellte sich aber als wertlos heraus, weil der Wächterrat in den politischen Gestaltungsprozess Chātamis eingriff.
Die Bilanz war für die Anhänger der Reformbewegung ernüchternd. Der Wächterrat blockierte fortan nicht nur nahezu alle Gesetze der Regierung Chātami, er machte auch eine Vielzahl bereits verabschiedeter und in Kraft getretener Gesetze rückgängig. Kritische Zeitungen wurden geschlossen, Journalisten verhaftet und der Ton und Umgang mit Regimekritikern generell verschärft. Der politische Stil der Reformer wurde von konservativer Seite als Säkularismus bezeichnet und bekämpft. Chātami stellte resigniert fest, er habe nicht mehr Macht als jeder andere Iraner und drückte damit die sich ausbreitende Stimmung in Iran aus. Es verbreitete sich Resignation und Desinteresse, als klar wurde, dass der geistige Führer Chamenei letztendlich die Geschicke des Staates lenken konnte.
Bei der Präsidentschaftswahl im Juni 2001 erhielt Chātami trotz der sich abzeichnenden Machtlosigkeit 77 % der Stimmen. An den Machtverhältnissen änderte sich nichts mehr. Chamenei blieb der starke Mann im Hintergrund, der dafür sorgte, dass es zu keinem ernsthaften Versuch kommen konnte, das politische System mit seinen theokratischen und demokratischen Institutionen nachhaltig zu verändern. Aus diesem Grund wird der Reformbewegung um Chātami oft nur eine Reform des Diskurses bescheinigt, die die institutionelle Ordnung des Landes unberührt ließ. Die Resignation führte zu immer geringeren Wahlbeteiligungen. So gingen bei den Kommunalwahlen 2003 nur noch 36 % der Wahlberechtigten an die Urnen. Auch bei den Parlamentswahlen ein Jahr später wurde mit 50,7 % ein neuer Tiefstand erreicht. Im Vorfeld der Wahlen waren 2.500 (hauptsächlich reformorientierte) der 8.000 Bewerber durch den Wächterrat von der Wahl ausgeschlossen worden. Die Konservativen fuhren einen grandiosen Wahlsieg ein. Ein Indiz dafür, dass vor allem die Anhänger der Reformbewegung auf eine Stimmabgabe verzichtet haben.
Die zweite Amtszeit Chātamis endete 2005. Gemäß der iranischen Verfassung durfte er nicht erneut kandidieren. Seine achtjährige Amtszeit hatte große Erfolge in der Außenpolitik. Chātami war international angesehen und schaffte es die Beziehungen zu vielen Staaten sowie zur EU zu entspannen. Außenminister war die gesamten 8 Jahre Kamal Charrazi. Außenpolitische Rückschläge waren zum einen die Einreihung des Iran in die Achse des Bösen unter George W. Bush, zum anderen das Scheitern des Schweizer Memorandums. In der Innenpolitik musste sich Chātami schließlich dem Machtübergewicht des geistigen Führers Chamenei beugen.
Regierung Ahmadineschād (2005–2013)
Bei der Präsidentschaftswahl 2005 trat als aussichtsreichster Kandidat erneut Rafsandschāni an. Rafsandschāni war bemüht von sich das Bild eines weltoffenen und reformorientierten Präsidenten zu vermitteln, was ihm neben seinem Image als Pragmatiker und Mann der Tat auch die meisten Stimmen bescherte. Doch mit 21 % verfehlte er die erforderliche absolute Mehrheit deutlich.
Es kam zu einem Novum in der Geschichte des Iran: Eine Stichwahl zwischen den beiden erfolgreichsten Kandidaten musste die Entscheidung bringen. Die zweitmeisten Stimmen vereinigte der zur Zeit der Wahl amtierende Bürgermeister Teherans Mahmud Ahmadineschād auf sich. Er war eine politisch eher unbekannte Figur, war aber bereits des Öfteren durch radikale Äußerungen gegen Israel und die „Feinde des Islams“ aufgefallen. Sein Wahlkampf war unscheinbar, er holte seine Stimmen vorwiegend in den Armenvierteln Teherans, deren Bewohnern er Besserung der Lebensverhältnisse, Arbeit und Zukunft versprach. Es gibt Gerüchte, dass es Wahlmanipulationen gegeben haben soll.
Die noch wenige Jahre zuvor in vielen westlichen Zeitungen hochgelobte iranische Zivilgesellschaft konnte zur Stichwahl zum Präsidentenamt nicht ausreichend mobilisiert werden, um die Entwicklung zu verhindern. Mahmud Ahmadineschād gewann die Stichwahl deutlich mit knapp 62 % der Stimmen. Mit ihm zogen die sogenannten Fundamentalisten, Hardliner oder Radikalislamisten in die Teheraner Regierung ein. Die meisten Mitglieder seines Kabinetts sind ehemalige Mitglieder der Revolutionsgarde. Ihr Auftreten – Drohungen gegen Israel und feindlichen Parolen gegen die USA und Europa – trieb den Iran erneut in die außenpolitische Isolation, nachdem unter der Regierung Chātami leichte Annäherungen zur westlichen Welt zu verzeichnen waren. Erster Außenminister unter Ahmadineschād war Manutschehr Mottaki. Er galt als Gefolgsmann von Laridschani, einem Konkurrenten Ahmadineschāds. Mottaki wurde während eines Besuchs im Senegal entlassen. Sein kommissarischer Nachfolger wurde der MIT-Absolvent Ali Akbar Salehi. Mottaki hatte bei seiner Afrika-Reise angeblich versucht, illegale und geheimgehaltene Waffenlieferungen, die ohne Wissen des Teheraner Außenamtes – aber wohl mit Wissen einflussreicher, dem Präsidenten nahestehender Kreise – nach Nigeria und weiter nach Gambia verschifft werden sollten – gegen den eigenen Präsidenten – zu entschuldigen. Gambia hatte die diplomatischen Beziehungen zum Iran beendet, der Botschafter im nigerianischen Lagos wurde ausgetauscht, einer von zweien in die Botschaft geflohener Diplomaten im Flugzeug mit zurückgenommen.
Seit der Regierungsübernahme Ahmadineschāds verschärfte sich der Streit um das iranische Atomprogramm und drohte mehrmals zu eskalieren. Nach Informationen der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) unterhält Iran mehrere Atomanlagen, die bei der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages seitens Iran nicht angegeben wurden. Seither vermutet das Ausland, dass der Iran Atombomben herstellen will. Die iranische Regierung weist immer wieder auf das im Atomwaffensperrvertrag festgeschriebene Recht der zivilen Nutzung von Kernenergie hin. Ahmadineschād sagte, Israels Präsenz in Jerusalem müsse Geschichte werden, was zunächst falsch als „Israel muss von der Landkarte getilgt werden“ übersetzt und verbreitet wurde. Dies hat die Sorgen genährt, der Iran verfüge bald über Kernwaffen und könne Israel bedrohen oder angreifen.
Am 15. Dezember 2006 fanden mit den Kommunalwahlen und den Wahlen zum Expertenrat die ersten Wahlen nach dem Amtsantritt Ahmadineschāds statt. Überraschend wurde mit einem Landesdurchschnitt von 65 % eine außergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung erreicht, die den Trend der letzten Jahre beendete. Im gesamten Iran erlitten die Radikalislamisten um Ahmadineschād eine Niederlage, obwohl auch diesmal der Wächterrat den Kreis der Kandidaten wieder erheblich beschränkte.
Nicht nur in den Stadt- und Gemeinderäten schnitten die Kandidaten aus dem Präsidentenlager deutlich schlechter ab als die Konservativen und vielerorts auch als die Reformer. Im fünfzehnköpfigen Teheraner Stadtrat befinden sich auf Platz 8 und 15 die einzigen Vertreter der Radikalen. In anderen Städten war deren Ergebnis noch schlechter, selbst in der Hochburg Qom konnten sie nur 30 % der Stimmen erringen. Auch die Wahl des Expertenrates, der den geistigen Führer des Irans einsetzt und theoretisch auch wieder absetzten kann, nahm ein enttäuschendes Ende für Ahmadineschāds Kandidaten, seinen „geistigen Ziehvater“ Mesbah Yazdi. Dieser unterlag nach erbittert geführtem Wahlkampf dem Überraschungssieger Rafsandschāni und landete selbst sogar nur auf Platz 6.
Der deutliche Wahlausgang und die hohe Wahlbeteiligung wurden weltweit einvernehmlich als „Denkzettel“ für Ahmadineschād und Aufbegehren der iranischen Gesellschaft interpretiert. So wurde, vornehmlich in westlichen Zeitungen, die Hoffnung genährt, die Menschen im Iran würden sich des „Problems“ Ahmadineschād vermittels der demokratischen Elemente ihrer Verfassung letztendlich selbst entledigen. Dass Chamenei eine solche Entwicklung behindern würde, galt als eher unwahrscheinlich. Ahmadineschāds Vorstöße schienen auch dem geistigen Führer etwas zu radikal zu sein.
Ahmadineschāds Ansehen wurde am 14. März 2008 bei der Parlamentswahl einem weiteren Test unterzogen. Der Wächterrat schloss allerdings vor der Wahl bereits einen Großteil der reformerischen Kandidaten von der Wahl aus, so dass der deutliche Sieg der konservativen Kräfte wenig aussagekräftig ist. Da die Reformer im iranischen Parlament keine wichtige Rolle spielten, rückte die Fraktionierung innerhalb des konservativen Flügels zunehmend in den Blickpunkt westlicher Medien. Hier wurde vor allem auf die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Lager um Präsident Ahmadineschād und den Abgeordneten um Ali Laridschani, den ehemaligen iranischen Unterhändler in den Atomverhandlungen, hingewiesen. Laridschani, der zu den moderaten Konservativen zählte, galt nach Mir Hossein Mussawi als aussichtsreicher Herausforderer Ahmadineschāds bei der Präsidentschaftswahl am 12. Juni 2009.
Die Wahl löste die größten Unruhen seit der Islamischen Revolution aus. Ahmadineschād wurde noch am Wahlabend mit 62,63 % der Stimmen zum Wahlsieger erklärt. Das erwartet knappe Ergebnis blieb aus, was den Verdacht auf Wahlmanipulation aufkommen ließ. Der aussichtsreichste Gegenkandidat Mir Hossein Mussawi, der nur 33,75 % der Stimmen erhielt, sprach offen von Wahlbetrug und forderte Neuwahlen. Daraufhin gingen seine Anhänger in vielen iranischen Großstädten auf die Straße. Die Proteste nach den Wahlen erstreckten sich über mehrere Monate. Bei Zusammenstößen der Demonstranten und den Sicherheitskräften kamen mehrere Personen ums Leben. Trotz gewaltsamer Niederschlagung auch friedlicher Demonstrationen nahmen die Proteste vor allem gegen Ende 2009 weiter zu.
Im März 2011 wurde Mohammed Reza Mahdavi-Kani Nachfolger des ehemaligen Präsidenten Haschemi Rafsandschani als Vorsitzender des Expertenrats. Im April 2011 griff Chamenei direkt in die Regierungsgeschäfte ein und machte erstmals in der Geschichte der Islamischen Republik Iran eine Entscheidung bezüglich eines Ministerpostens rückgängig. Ahmadineschād hatte das Rücktrittsgesuch des Geheimdienstministers Heydar Moslehi akzeptiert, Chamenei berief ihn jedoch ins Amt zurück.
Bei der Parlamentswahl im März 2012 erwarteten Beobachter wegen der Nichtteilnahme der Reformer eine Auseinandersetzung zwischen Unterstützern und Gegnern von Mahmud Ahmadineschād innerhalb des konservativen Lagers.
Regierung Rohani (2013–2021)
Am 11. April 2013 gab Hassan Rohani, der für iranische Verhältnisse als moderat und politisch dem ehemaligen Präsidenten Rafsandschani nahestehend gilt, seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl im Juni 2013 bekannt. Er bekundete u. a. die Absicht, eine Bürgerrechts-Charta einzuführen, die Wirtschaft wiederaufzubauen und die Zusammenarbeit mit der Weltgemeinschaft zu verbessern, also insbesondere die Isolation des Iran und die Sanktionen, welche zu einer verheerenden Wirtschaftskrise führten, aufgrund des Streits um das iranische Atomprogramm zu überwinden. Im Wahlkampf verteidigte Rohani vehement sein Vorgehen als Chefunterhändler und beharrte in einem TV-Interview darauf, dass es auch unter seiner Verhandlungsführung nie einen Stopp des Atomprogramms gegeben habe, der Ausbau des iranischen Atomprogrammes vielmehr erfolgreich vorangetrieben wurde. „Besonnenheit und Hoffnung“ sei das Motto der Regierung, die er bilden wolle. Nach den vorläufigen Angaben des Innenministeriums gewann Rohani mit 18.613.329 Stimmen und einer Quote von 50,71 Prozent bereits in der ersten Runde die Wahl. Im August 2013 nominierte Rohani den konservativen Kleriker Mostafa Pour-Mohammadi als Justizminister.
Kurz vor einem Besuch Rohanis bei der UN-Vollversammlung in New York am 25. September 2013 kündigte er gemeinsam mit dem obersten religiösen und politischen Führer Ali Chamenei an, dass sich die Iranische Revolutionsgarde künftig aus der Politik fernhalten solle. Die Garde pflegt enge Verbindungen zu Rohanis Vorgänger Ahmadineschād und hatte während dessen Präsidentschaft einen entsprechenden Einfluss auf seine Politik. Zudem wurden um den 18. September 2013 rund ein Dutzend politische Gefangene vorzeitig aus der Haft entlassen, u. a. die Menschenrechtsaktivistin Nasrin Sotudeh. Einige Beobachter werteten dies als ersten Ansatz Rohanis, sein Wahlversprechen umzusetzen, im Iran künftig mehr politische Freiheiten zuzulassen, gleichzeitig aber auch als Signal für die vom Iran erhoffte Entspannung des Verhältnisses zum westlichen Ausland. In der Tat erreichte Rohani die Aufnahme direkter Gespräche zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran bezüglich des Atomstreits. Andere, wie Human Rights Watch, begrüßten zwar die Freilassungen, sahen darin aber nicht viel mehr als eine symbolische Geste, da weiterhin hunderte politische Gefangene in iranischen Gefängnissen säßen. Auch müsse das Regime dafür sorgen, dass die Freigelassenen nicht erneut Ziel der Sicherheitskräfte und der Justiz würden.
Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi kritisierte die Menschenrechtsbilanz von Präsident Hassan Rohani scharf und warf der Regierung vor, über die Freilassung von politischen Gefangenen zu lügen. Keine ihrer Erwartungen sei erfüllt. Laut Ebadi habe Rohani vielleicht „den Ruf eines moderaten Reformers“, sende bisher aber in Bezug auf Menschenrechte die „falschen Signale“. Ebadi und Amnesty International weisen dabei auch auf den starken Anstieg der Hinrichtungszahlen auf ein Rekordniveau seit Rohanis Amtsantritt hin.
Zwar zeigte Rohani nicht die exzessive israelfeindliche Rhetorik seines Vorgängers, vollzog inhaltlich jedoch keinen Wandel. So erklärte er anlässlich des al-Quds-Tags 2014, es könne für die Palästinenser keinen diplomatischen Ausweg, sondern nur den des Widerstands geben: „Was die Zionisten in Gaza machen, ist ein unmenschlicher Völkermord, daher muss die islamische Welt heute einheitlich ihren Hass und Widerstand gegen Israel erklären.“ Zudem verneinte er bei einem Podiumsgespräch auf dem 44. Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums Nachfragen des WEF-Gründers Klaus Schwab, ob er auch freundschaftliche Beziehungen zu Israel anstrebe, das von der Islamischen Republik Iran bisher nicht anerkannt wurde. Auch seine Betonung einer friedlichen Nutzung der Kernkraft sowie sein Angebot zur Vermittlung im syrischen Bürgerkrieg, in welchem der Iran auf Seiten Baschar al-Assads involviert ist, sorgten Mitte September 2013 für internationale Aufmerksamkeit. Kritische Stimmen bemerkten, Rohani tue so, „als sei er ein neutraler Beobachter“, obwohl Iran längst Kriegspartei ist.
Chronik
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Literatur
- Natalie Amiri: Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran. Aufbau, Berlin 2021, ISBN 978-3-351-03880-9.
- Wilfried Buchta: Ein Vierteljahrhundert Islamische Republik Iran. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Aus Politik und Zeitgeschichte. B9/2004, 2004, ISSN 0479-611X (bpb.de [PDF; 600 kB]).
- Katajun Amirpur, Reinhard Witzke: Schauplatz Iran. Freiburg im Breisgau 2004, ISBN 3-451-05535-X.
- Katajun Amirpur: Gibt es in Iran noch einen Reformprozess? In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Aus Politik und Zeitgeschichte. B9/2004, 2004, ISSN 0479-611X.
- Amir Taheri: Chomeini und die Islamische Revolution. Hamburg 1985, ISBN 3-455-08237-8.
- Ray Takeyh: Hidden Iran – Paradox and Power in the Islamic Republic. New York 2006, ISBN 0-8050-7976-9.
- Volker Pethes: Die Ratio des Iran. In: Blätter für Deutsche und Internationale Politik. Ausgabe 9, Jahrgang 2008, Berlin/ Bonn 2008, S. 44–56.
- Cheryl Benard und Zalmay Khalilzad: The Government of God: Iran's Islamic Republic (1984), ISBN 0-231-05376-2; deutsch: Gott in Teheran. Irans Islamische Republik. Aus dem Amerikanischen vom Charlotte Blaschke, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-518-11327-5.
Weblinks
- Monatliche Iran-Reporte der Heinrich-Böll-Stiftung mit aktuellen Informationen zur Innen- und Außenpolitik (seit 2002)
- Machtpoker am Persischen Golf, Jahrbuch 2005 zur Brockhaus Enzyklopädie; Essay von Ulrich Ladurner (Memento vom 10. Oktober 2006 im Internet Archive)
- (2012): Die iranische Gesellschaft säkularisiert allmählich. Das klerikale Regime hat mit seinen strikten Verhaltensregeln bei vielen Menschen das Gegenteil einer tieffrommen Gesinnung erreicht
Einzelnachweise
- ↑ Natalie Amiri: Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran. Aufbau, Berlin 2021, ISBN 978-3-351-03880-9; Taschenbuchausgabe ebenda 2022, ISBN 978-3-7466-4030-3, S. 218.
- ↑ Michael Ploetz, Tim Szatkowski: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1979. Bd. II: 1. Juli bis 31. Dezember 1979. R. Oldenbourg Verlag, München 2010, S. 1873.
- ↑ Amir Taheri: Chomeini und die Islamische Revolution. Hamburg 1985, S. 390.
- ↑ Ich fürchte, wir kommen in die Hölle. In: Der Spiegel. Nr. 9, 1989, S. 160–168 (online – 27. Februar 1989, hier S. 160).
- ↑ Natalie Amiri: Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran. Aufbau, Berlin 2021, ISBN 978-3-351-03880-9; Taschenbuchausgabe ebenda 2022, ISBN 978-3-7466-4030-3, S. 34.
- ↑ Ich fürchte, wir kommen in die Hölle. In: Der Spiegel. Nr. 9, 1989, S. 160–168 (online – 27. Februar 1989, hier S. 167).
- ↑ Christopher de Bellaigue: Im Rosengarten der Märtyrer. München 2006, S. 188.
- ↑ Translation of Ayatollah Chomeini Letter Dismissing Montazeri (Memento vom 29. Juli 2013 im Internet Archive) (englisch)
- ↑ Ich fürchte, wir kommen in die Hölle. In: Der Spiegel. Nr. 9, 1989, S. 160–168 (online – 27. Februar 1989, hier S. 165).
- ↑ Helene Mutschler: Stiller Wandel oder Stillstand? (Memento des vom 27. September 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Ein Kleriker ohne Charisma (Memento vom 29. November 2012 im Internet Archive)
- 1 2 Wilfried Buchta: Ein Vierteljahrhundert Islamische Republik Iran. S. 13.
- ↑ Katajun Amirpur/Reinhard Witzke: Schauplatz Iran. Freiburg im Breisgau 2004, S. 103f.
- ↑ Wilfried Buchta: Ein Vierteljahrhundert Islamische Republik Iran. S. 12.
- ↑ Christopher Lockwood: Calls for reform grow louder as Iran goes to polls; Electronic Telegraph Nr. 729, 24. Mai 1997 (englisch)
- ↑ Michael Rubin: Iran’s Myth of Moderation (Memento vom 18. Juni 2009 im Internet Archive); 18. März 2002. (englisch)
- ↑ Johannes Reissner: Stabilitätsanalyse Iran; In: Sigrid Faath (Hrsg.): Stabilitätsprobleme zentraler Staaten; Hamburg 2003
- ↑ Katajun Amirpur: Gibt es in Iran noch einen Reformprozess? S. 21.
- ↑ Michael Rubin: WHAT ARE IRAN'S DOMESTIC PRIORITIES? (Memento vom 23. April 2007 im Internet Archive); MERIA Journal Vol. 6, Nr. 2; Juni 2002 (englisch)
- ↑ Matthias Nass: Die Qual der Nichtwahl. In: Die Zeit vom 26. Februar 2004
- ↑ Naika Foroutan: Iran nach den Wahlen – das Ende der Reformen von oben
- ↑ Andreas Jacobs: Die Präsidentschaftswahlen im Iran. In: Konrad Adenauer-Stiftung (Hrsg.): Analysen und Argumente, Nr. 21/2005 PDF (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive)
- ↑ Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Die Beziehungen zwischen der EU und der Islamischen Republik Iran.
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- ↑ Katajun Amirpur: Der iranische Schlüsselsatz. In: Süddeutsche Zeitung vom 15. März 2008, S. 15.
- ↑ Mariella Ourghi: Agitator des letzten Kampfes. In: Süddeutsche Zeitung. 26. März 2008.
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- ↑ Ulrich Ladurner: Anschwellendes Kampfgeheul. In: Die Zeit. Nr. 4/2007 vom 18. Januar 2007
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- ↑ TV-Interview mit Rohani im Wahlkampf (Memento vom 2. Juli 2014 im Internet Archive) (abgerufen am 24. Februar 2014).
- ↑ Der iranische Präsident Rohani fragt: „Wir sollen das Atomprogramm gestoppt haben?“ (Memento vom 28. April 2015 im Internet Archive), Von Tunis nach Teheran (Jungle World Blog), 7. August 2013.
- ↑ After Rohani’s Election: How Washington Should Engage Iran (Memento vom 21. Februar 2015 im Internet Archive), goingtotehran.com (Buchblog), 18. Juni 2013, abgerufen am 24. Februar 2014.
- ↑ presstv.ir (Memento des vom 16. Juni 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Rohani becomes Irans new President (abgerufen am 15. Juni 2013)
- ↑ president.ir – vgl. khodnevis.org (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive) & irannewsupdate.com (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive)
- ↑ Thomas Pany: Das langsame Ende des Feindbilds Iran?. Telepolis, 19. September 2013, abgerufen am Tage darauf.
- ↑ Nina Fargahi: Teheran lässt politische Gefangene frei. NZZ, 19. September 2013, abgerufen am Tage darauf.
- ↑ Präsident Rohani: Iran lässt prominente Regimekritiker frei. Spiegel Online, 19. September 2013, abgerufen am 20. September 2013
- ↑ sueddeutsche.de Rohani beteuert Verzicht auf Atombombe (abgerufen am 20. September 2013)
- ↑ Iran frees political prisoners ahead of Hassan Rouhani's UN visit, The Guardian, 18. September 2013.
- ↑ Nobelpreisträgerin Ebadi kritisiert Menschenrechtslage im Iran, Deutsche Welle, 9. Dezember 2013.
- ↑ Nobelpreisträgerin Ebadi kritisiert Rouhani und Westen, orf.at, 5. November 2013.
- ↑ Ebadi Criticizes Rohani's Rights Record Radio Free Europe, 6. November 2013.
- ↑ IRAN: President Rouhani must deliver on human rights promises (Memento vom 3. Januar 2014 im Internet Archive), Amnesty International, 25. November 2013.
- ↑ Vgl. UN Bericht zur Lage der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran vom 23. Oktober 2014; abgerufen am 2. November 2014, S. 4, Abb. 1. (Memento vom 22. März 2015 im Internet Archive) (PDF; 784 kB)
- 1 2 spiegel.de Gaza-Konflikt: Millionen Iraner demonstrieren gegen Israel (abgerufen am 27. Juli 2014)
- ↑ Der Standard: Iran wirbt, Israel warnt
- ↑ Rohani bietet sich als Vermittler an (Memento vom 21. September 2013 im Internet Archive) In: Tagesschau, 20. September 2013.
- ↑ Reinhard Baumgarten: Moderat im Ton, hart in der Sache (Memento vom 20. August 2013 im Internet Archive) In: Tagesschau, 18. September 2013.
- ↑ Rohani will im Syrien-Konflikt vermitteln, Spiegel Online, 20. September 2013.