Strukturformel
Strukturformel des natürlich vorkommenden L-Lysins
Allgemeines
Name Lysin
Andere Namen
Summenformel C6H14N2O2
Kurzbeschreibung

farblose Nadeln oder hexagonale Plättchen

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 200-740-6
ECHA-InfoCard 100.000.673
PubChem 866
ChemSpider 843
Wikidata Q178430
Arzneistoffangaben
ATC-Code
Eigenschaften
Molare Masse 146,19 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt
  • 224–225 °C (Zersetzung) (freie Base, Enantiomer)
  • 263–264 °C (Monohydrochlorid)
  • 260–263 °C (DL-Lysin Monohydrochlorid)
  • 193 °C (L-Lysin Dihydrochlorid)
  • 187–189 °C (DL-Lysin Dihydrochlorid)
pKS-Wert
  • pKS, COOH = 2,20
  • pKS, α-NH3+ = 8,90
  • pKS, ε-NH3+ = 10,28
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Lysin, abgekürzt Lys oder K, ist in seiner natürlichen L-Form eine essentielle proteinogene α-Aminosäure.

Stereoisomerie

In den Proteinen kommt, neben anderen Aminosäuren, ausschließlich L-Lysin [Synonym: (S)-Lysin] peptidisch gebunden vor. Enantiomer dazu ist das spiegelbildliche D-Lysin [Synonym: (R)-Lysin], das in Proteinen nicht vorkommt. Racemisches DL-Lysin [Synonyme: (RS)-Lysin und (±)-Lysin] hat eine geringere Bedeutung als L-Lysin, besitzt jedoch kommerzielle Bedeutung als basische Komponente in Arzneistoff-Salzen, z. B. mit Acetylsalicylsäure.

Wenn in diesem Text oder in der wissenschaftlichen Literatur „Lysin“ ohne weiteren Namenszusatz erwähnt wird, ist L-Lysin gemeint.

Isomere von Lysin
Name L-LysinD-Lysin
Andere Namen (S)-Lysin(R)-Lysin
Strukturformel
CAS-Nummer 56-87-1923-27-3
70-54-2 (DL)
EG-Nummer 200-294-2213-091-9
200-740-6 (DL)
ECHA-Infocard 100.000.268100.011.902
100.000.673 (DL)
PubChem 596257449
866 (DL)
DrugBank DB00123-
- (DL)
FL-Nummer 17.026-
17.013 (DL)
Wikidata Q20816880Q27077084
Q178430 (DL)

Geschichte

Nach der Entdeckung des Phenylalanins ging der deutsche Chemiker Ernst Schulze davon aus, dass die Proteine aus weiteren Aminosäuren zusammengesetzt sein müssten als den bis dahin bekannten Aminosäuren. Unter anderem diese Erwägungen veranlassten Edmund Drechsel erneut die Bestandteile der Salzsäurespaltung von Casein zu untersuchen. Nach der Behandlung mit Phosphorwolframsäure gelang es Drechsel 1889 die Platinsalze von Lysin zu isolieren. Die richtige Zusammensetzung dieser Aminosäure wurde 1891 durch seinen Schüler Max Siegfried veröffentlicht, und die finale Aufklärung der Strukturformel erfolgte 1902 über die Synthese von Lysin durch den Nobelpreisträger Emil Fischer und seinen Assistenten Fritz Weigert.

Eigenschaften

Gemeinsam mit L-Arginin und L-Histidin gehört L-Lysin in die Gruppe der basischen und zugleich proteinogenen α-Aminosäuren oder Hexonbasen. Lysin besitzt zwei basische primäre Aminogruppen, eine in α-Position zur Carboxygruppe und eine in der ε-Position der Seitenkette. Die Ladung des Lysins ist – wie bei allen Aminosäuren – vom pH-Wert abhängig. Lysin liegt überwiegend als „inneres Salz“ bzw. Zwitterion vor, dessen Bildung dadurch zu erklären ist, dass das Proton der Carboxygruppe zum freien Elektronenpaar des Stickstoffatoms der ε-Aminogruppe wandert, die stärker basisch ist als die α-Aminogruppe:

Im elektrischen Feld wandert das Zwitterion nicht, da es als Ganzes ungeladen ist. Genaugenommen ist dies am isoelektrischen Punkt (bei einem bestimmten pH-Wert, hier 9,82) der Fall, bei dem das Lysin auch seine geringste Löslichkeit in Wasser besitzt.

Weitere physikochemische Daten für Lysin sind:

Industrielle Herstellung

Industriell werden mehrere 100.000 Tonnen L-Lysin pro Jahr hergestellt. L-Lysin wird heute ausschließlich nach der Fermentationsmethode hergestellt, obgleich organisch-chemische Syntheserouten entwickelt wurden.

Vorkommen

Lysin ist eine für den Menschen und andere Säugetiere, wie beispielsweise Schweine, essentielle Aminosäure und muss mit der Nahrung zugeführt werden. Die folgenden Beispiele für den Gehalt an Lysin beziehen sich jeweils auf 100 g des Lebensmittels, zusätzlich ist der prozentuale Anteil am Gesamtprotein angegeben:

LebensmittelGesamtproteinLysinAnteil
Rindfleisch, roh 21,26 g 1,797 g 8,5 %
Hähnchenbrustfilet, roh 23,09 g 1,962 g 8,5 %
Kürbiskern 35,49 g 2,283 g 6,4 %
Lachs, roh 20,42 g 1,870 g 9,2 %
Erbsen, getrocknet 24,55 g 1,772 g 7,2 %
Tofu, fest 15,51 g 1,000 g 6,4 %
Hühnerei 12,58 g 0,914 g 7,3 %
Kuhmilch, 3,7 % Fett 3,28 g 0,260 g 7,9 %
Walnüsse 15,23 g 0,424 g 2,8 %
Weizen-Vollkornmehl 13,70 g 0,378 g 2,8 %
Mais-Vollkornmehl 6,93 g 0,195 g 2,8 %
Reis, ungeschält 7,94 g 0,303 g 3,8 %
Buchweizen-Mehl 11,73 g 0,595 g 5,1 %
Quinoa 13 g 0,860 g 6,6 %

Alle diese Nahrungsmittel enthalten praktisch ausschließlich chemisch gebundenes L-Lysin als Proteinbestandteil, jedoch kein freies L-Lysin. Getreide enthalten meist geringere L-Lysin-Anteile unter den Aminosäuren des Proteinbestandteils, als es für die menschliche Ernährung optimal ist.

Die Einschätzungen des Tagesbedarfs für gesunde Erwachsene reichen, je nach verwendeter Methode, von 8 bis 45 mg Lysin pro Kilogramm Körpergewicht. Eine Expertenkommission der FAO/WHO/UNU ging im Jahr 2002 von einem täglichen Bedarf zwischen 30 mg und 64 mg pro Kilogramm Körpergewicht für Säuglinge und Erwachsene aus.

Funktionen

Lysin ist eine der Aminosäuren, die bevorzugt posttranslational modifiziert werden. Dabei kann die Ladung erhalten bleiben (mono- und di-Methylierung) oder verschwinden (Acetylierung). Im Kollagen wurde ein modifiziertes Lysin gefunden, das Hydroxylysin mit einer OH-Gruppe in der Seitenkette, katalysiert unter Mitwirkung des Enzyms Lysylhydroxylase und des Cofaktors Ascorbinsäure (Vitamin C). Hydroxylysin erlaubt die nachfolgende O-Glykosylierung des Kollagenmoleküls im Endoplasmatischen Retikulum und Golgi-Apparat. Die Glykosylierung bestimmt die Packungsdichte dieses wichtigen Bindegewebeproteins und wird auch mit der Steuerung der Kollagenabgabe aus der Zelle (Exozytose) in Verbindung gebracht.

Eine herausragende Bedeutung haben die Aminosäure Lysin und ihre methylierten Formen bei der Histonmodifikation. Speziell die Lysin-Reste am Histon 3 und 4 sind die bevorzugten Substrate von Histon-modifizierenden Enzymen (Histon-Acetyltransferasen, Histon-Deacetylasen, Histon-Methyltransferasen, Histon-Demethylasen). Durch die dadurch erfolgte Lysin-Acetylierung oder Lysin-Methylierung (oft an mehreren Stellen im Molekül) ändert sich die elektrostatische Wechselwirkung zwischen den Histonen und der genomischen DNA, wodurch bei letzterer der Zugang von Transkriptionsfaktoren und DNA-modifizierenden Enzymen reguliert wird. Diese Histon-Lysin-Modifikationen sind damit ein wesentlicher, molekularer Mechanismus der epigenetischen Gen-Regulation.

Eine weitere Modifikation ist die Ubiquitinierung in Proteinen, die damit für den Abbau durch das Proteasom markiert werden.

Beim Abbau des Lysins (Eiweißfäule) entsteht über Pipecolinsäure das Leichengift Cadaverin.

Verwendung

Die Hauptmengen des industriell erzeugten L-Lysins werden in der Futtermittelsupplementierung eingesetzt, um den Nährwert natürlicher Futtermittel (Getreide) mit einem geringen Gehalt an L-Lysin deutlich zu steigern.

Racemisches DL-Lysin besitzt kommerzielle Bedeutung als basische Komponente in Arzneistoff-Salzen, z. B. mit Acetylsalicylsäure (ASS).

L-Lysin ist Bestandteil von Infusionslösungen zur parenteralen Ernährung und zur Behandlung hypochlorämischer Alkalosen.

Lysin wird auch zur Wirkbeschleunigung bei schmerzhemmenden Mitteln verwendet, insbesondere in Verbindung mit Ibuprofen.

Biochemie

Für detaillierte Strukturformeln siehe auch Abschnitt Weblinks

L-Lysin kann in zwei Moleküle Acetyl-CoA abgebaut werden.

Weiterführende Literatur

Wikibooks: Lysin-Stoffwechsel – Lern- und Lehrmaterialien
Wiktionary: Lysin – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 5 6 Eintrag zu L-Lysin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 29. Mai 2014.
  2. The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, S. 698, ISBN 978-0-911910-00-1.
  3. 1 2 J. C. Eck and C. S. Marvel: dl-Lysine Hydrochlorides In: Organic Syntheses. 19, 1939, S. 61, doi:10.15227/orgsyn.019.0061; Coll. Vol. 2, 1943, S. 374 (PDF).
  4. 1 2 Datenblatt Lysin bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 12. Juni 2011 (PDF).
  5. Sabine Hansen: Die Entdeckung der proteinogenen Aminosäuren von 1805 in Paris bis 1935 in Illinois. (Memento vom 15. Juni 2016 im Internet Archive) Berlin 2015.
  6. E. Drechsel, Zur Kenntniss der Spaltungsprodukte des Caseins. In: Journal für Praktische Chemie. Band 39, 1889, S. 425ff doi:10.1002/prac.18890390135.
  7. M. Siegfried: Zur Kenntnis der Spaltungsprodukte der Eiweisskörper. In: Ber Deutschen Chem Ges. Band 24, 1891, S. 418ff
  8. E. Fischer, F. Weigert: Synthese der α, ϵ-Diaminocapronsäure (Inactives Lysin). In: Ber Deutschen Chem Ges. Band 35(3), 1902, S. 3772ff
  9. Hans-Dieter Jakubke und Hans Jeschkeit. Aminosäuren, Peptide, Proteine, Verlag Chemie, 1982, S. 41, ISBN 3-527-25892-2.
  10. P. M. Hardy: The Protein Amino Acids in G. C. Barrett (Herausgeber): Chemistry and Biochemistry of the Amino Acids, Chapman and Hall, 1985, ISBN 0-412-23410-6, S. 9.
  11. Paul G. Higgs, Teresa K. Attwood: Bioinformatics and Molecular Evolution. John Wiley & Sons, 2009, ISBN 1-4443-1118-2, S. 24 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  12. 1 2 Y. Izumi u. a.: Herstellung und Verwendung von Aminosäuren. In: Angewandte Chemie 90, 1978, S. 187–194. doi:10.1002/ange.19780900307
  13. Nährstoffdatenbank des US-Landwirtschaftsministeriums, 21. Auflage.
  14. Tofu fest
  15. Jesse P. Greenstein, Milton Winitz: Chemistry of the Amino Acids, Robert E. Krieger Publishing Company, Malabar (Florida), 1961, S. 4, ISBN 0-89874-484-9.
  16. G. C. Barrett: Chemistry and Biochemistry of the Amino Acids, Chapman and Hall, London, New York, 1985, S. 12, ISBN 0-412-23410-6.
  17. D. Tomé und C. Bos: Lysine requirement through the human life cycle. 137, 2007, S. 1642S–1645S, PMID 17513440.
  18. Biolys®—the lysine source with added extras
  19. S. Ebel und H. J. Roth (Herausgeber): Lexikon der Pharmazie, Georg Thieme Verlag, 1987, S. 406, ISBN 3-13-672201-9.
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