Das Poussay-Evangelistar ist ein illuminiertes Perikopenbuch des späten 10. Jahrhunderts aus der Reichenauer Malschule. Die Handschrift zählt zu den Hauptwerken der ottonischen Buchmalerei. Gemeinsam mit neun weiteren Handschriften von der Reichenau wurde sie 2003 von der UNESCO in die Liste des Weltdokumentenerbes aufgenommen. Der Kodex ist nach der Abtei von Poussay benannt; heute befindet die Handschrift sich unter der Signatur lat. 10514 in der französischen Nationalbibliothek.
Geschichte
Der Kodex entstand Ende des 10. Jahrhunderts und wurde von Bischof Berthold von Toul (996–1019) der von ihm im Jahr 1018 gegründeten Benediktinerinnen-Abtei in Poussay gestiftet. Der Band verblieb bis zur Aufhebung der Abtei 1783 in diesem Kloster in den Vogesen und gelangte danach zunächst in die Stadtbücherei von Mirecourt. Im Jahr 1844 wurde er für die Pariser Nationalbibliothek aufgekauft, wo er bis heute aufbewahrt wird.
Beschreibung
Der Pergament-Kodex enthält 233 Blatt im Format von 28,5 × 20,5 cm. Er ist in einen (von Leo IX. gestifteten) Prachteinband aus Elfenbein mit Gold- und Edelsteinschmuck gebunden und mit einem Stifterbild und weiteren ganzseitigen Miniaturen sowie historisierten Initialen reichlich geschmückt.
Der enthaltene Bibeltext ist der der Vulgata; wie alle Evangelistare enthält das von Poussay nur jene Abschnitte der Evangelien, die für die Lesung im Gottesdienst vorgesehen waren.
Literatur
- François Avril, Claudia Rabel, Manuscrits enluminés d’origine germanique, Vol. 1: Xe–XIVe siècle, Bibliothèque nationale de France, Paris 1995.
- Ulrich Kuder, Studien zur ottonischen Buchmalerei, Ludwig, Kiel 2018, ISBN 9783869352961.
- Henry Mayr-Harting, Ottonische Buchmalerei. Liturgische Kunst im Reich der Kaiser, Bischöfe und Äbte, Belser, Stuttgart 1991, ISBN 3763012168.