Die Kandidaten in der
Präsidentschaftsstichwahl:
Luisa González (links)
und Daniel Noboa (rechts)

Die vorgezogene Präsidentschafts- und Parlamentswahl in Ecuador findet 2023 statt, die erste Wahlrunde am 20. August. In der Stichwahl am 15. Oktober treten Luisa González und Daniel Noboa gegeneinander an.

Die neu gewählten Vertreter werden ihr Amt bis zum Ende der Wahlperiode, bis zum Mai 2025, ausüben. Eine reguläre Wahl für eine volle 5-Jahre-Wahlperiode wird voraussichtlich Anfang 2025 erfolgen.

Präsidentschaftswahl

Hintergrund

Der seit der Wahl 2021 amtierende Präsident, Guillermo Lasso, wäre für eine zweite Amtszeit wählbar, trat aber nicht erneut an. Am 17. Mai 2023, einen Tag nachdem Lasso sich bezüglich eines Amtsenthebungsverfahren gegen ihn verteidigt hatte, wendete er den im Artikel 148 der Verfassung vorgesehenen Mechanismus des „muerte cruzada“ (spanisch: „wechselseitiger Tod“) an, der dem Präsidenten erlaubt, die Nationalversammlung aufzulösen und vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen auszurufen.

Ein Präsidentschaftskandidat wird mithilfe eines modifizierten Zwei-Runden-Systems gewählt, wobei derjenige Kandidat gewinnt, der über 50 % der Stimmen in der ersten Runde erhält oder über 40 % der Stimmen und mit 10 % vor dem Zweitplatzierten liegt. Ein Präsident kann nur für zwei fortlaufende 5-Jahre-Perioden amtieren.

Kandidaten

Für die Nachfolge von Lasso bewarben sich acht Kandidaten. Im Namen der Bewegung „Revolución Ciudadana“ des ehemaligen, im Exil lebenden Präsidenten Rafael Correa, deren Kandidat Andrés Arauz bei der Präsidentschaftswahl 2021 in der Stichwahl auf den zweiten Platz kam, tritt Luisa González an, die bereits mehrfach Ministerin war. Arauz wurde für den Fall eines Wahlsieges für das Amt des Vizepräsidenten nominiert.

Für das Bündnis Actuemos aus zwei Parteien trat der konservative Otto Sonnenholzner an. Der deutschstämmige Sonnenholzner war von 2017 bis 2021 Vizepräsident unter Lenín Moreno. Ein weiterer Kandidat war der liberale Unternehmer Daniel Noboa, Sohn des viermaligen Präsidentschaftskandidaten und Unternehmers Álvaro Noboa und mit 35 Jahren gleichzeitig der jüngste der acht Bewerber. Auch Yaku Pérez, der 2021 als Kandidat der vor allem die Indigenen des Landes vertretenden Partei Pachakutik im ersten Wahlgang knapp hinter dem späteren Wahlsieger Lasso Dritter geworden war, trat für ein Wahlbündnis aus drei Parteien wieder an. Ebenso stand der linksgerichtete Xavier Hervas nach 2021 erneut zur Wahl. Mit Jan Topić bewarb sich ein bisher politisch unerfahrener Unternehmer aus der Sicherheitsbranche für das Präsidentenamt. Topić legte den Fokus seines Wahlprogramms auf Sicherheit und kündigte ein rigoroses Vorgehen gegen das organisierte Verbrechen nach dem Vorbild des salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele sowie eine bessere Ausstattung der Sicherheitskräfte und verschärfte Kontrollen an Grenzen und in Gefängnissen an.

Der Kandidat Fernando Villavicencio wurde am 9. August 2023, weniger als zwei Wochen vor der Wahl, nach einer Wahlkampfveranstaltung in Quito erschossen. Villavicencio war Investigativjournalist und setzte sich gegen die weit verbreitete Korruption in Ecuador sowie für eine Bekämpfung der Drogenkartelle ein. Als Mitglied der Nationalversammlung war er Vorsitzender der Untersuchungskommission, die zu Jahresbeginn aufgrund von Korruptionsvorwürfen ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Lasso anstrengte. Er trat ebenfalls als Kritiker Rafael Correas auf. Der Mord an dem Präsidentschaftskandidaten löste weltweites politisches und mediales Echo aus. Die für die folgenden Tage geplanten Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag Ecuadors (10. August) wurden abgesagt, Präsident Lasso rief für 60 Tage den Ausnahmezustand aus und ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Das Movimiento Construye, dessen Kandidat Villavicencio war, nominierte zunächst die bisher als Vizepräsidentin vorgesehene Andrea Gonzáles als Ersatzkandidatin. Da ihre Kandidatur für das Vizepräsidentenamt bereits bei der Wahlbehörde registriert war und unklar blieb, ob sie aus dieser Position aufrücken könne, entschied sich die Partei schließlich aber für den Journalisten Christian Zurita, der eng mit Villavicencio befreundet war.

Wahlausgang

Den ersten Wahlgang konnte Luisa Gonzáles mit etwa zehn Prozentpunkten Vorsprung vor Daniel Noboa gewinnen. Da González mit 33,6 % der Stimmen nicht die erforderliche Mehrheit für einen Sieg im ersten Wahlgang erreichte, wird am 15. Oktober eine Stichwahl zwischen ihr und Noboa ausgetragen. Den dritten Platz erreichte mit Christian Zurita der anstelle des ermordeten Fernando Villavicencio für das Movimiento Contruye angetretene Kandidat. Zurita konnte 16,4 % der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen, auf den vierten Platz kam der Unternehmer Jan Topić (14,7 %). Die übrigen vier Kandidaten erreichten weniger als zehn Prozent. Yaku Pérez und Xavier Hervas, die beide bereits 2021 Präsidentschaftskandidaten waren, verpassten ihr Ergebnis aus der vorigen Wahl (Pérez: 4 % zu 19 %; Hervas: 0,5 % zu 16 %) deutlich.

Während allgemein mit einem Sieg González’ im ersten Wahlgang gerechnet wurde, war der zweite Platz Noboas durchaus überraschend, da er in Umfragen zuvor lange Zeit hinter anderen Kandidaten wie Sonnenholzner oder Pérez gelegen hatte. Sein Erfolg wird auf eine gut aufgebaute Wahlkampagne und einen starken Auftritt in der letzten Fernsehdebatte vor der Wahl zurückgeführt.

Ergebnisse der Präsidentschaftswahl
Liste Partei oder Bündnis Kandidat Vize Erste Runde Zweite Runde
Stimmen % Stimmen %
2 / 17 / 20 Claro Que Se Puede
(Unidad Popular / Partido Socialista Ecuatoriano / Democracia Sí)
Yaku Pérez Nory Pinela 391.674 3,97
4 / 35 Acción Democrática Nacional (ADN)
(Pueblo, Igualdad y Democracia / Movimiento MOVER)
Daniel Noboa Verónica Abad 2.315.296 23,47
5 Revolución Ciudadana Luisa González Andrés Arauz 3.315.663 33,61
6 / 3 / 1 Por un País Sin Miedo
(Partido Social Cristiano / Partido Sociedad Patriótica / Centro Democrático)
Jan Topić Diana Jácome 1.446.812 14,67
8 / 23 Actuemos
(Partido Avanza / Partido SUMA)
Otto Sonnenholzner Erika Paredes 696.548 7,06
16 Movimiento AMIGO Bolívar Armijos Linda Romero 35.785 0,36
25 Movimiento Construye
Fernando Villavicencio
Christian Zurita
Andrea González 1.614.434 16,37
33 Movimiento RETO Xavier Hervas Luz Marina Vega 48.428 0,49

Parlamentswahl

Zusammensetzung

Die 137 Mitglieder der Nationalversammlung werden unter Anwendung dreier Methoden gewählt. Fünfzehn Mitglieder werden in einem landesweiten Wahlkreis (nacional) mit geschlossener Liste nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Sechs werden von ausländischen Wählern (exterior), jeweils zwei für Nordamerika, Lateinamerika und Asien, Europa und Ozeanien gewählt. Die verbleibenden 116 Mitglieder werden in Mehrpersonenwahlkreisen nach dem Verhältniswahlrecht mit geschlossenen Listen gewählt (provincial), wobei alle Sitze nach dem Sainte-Laguë-Verfahren vergeben werden. Mitglieder der Nationalversammlung können maximal zwei Wahlperioden amtieren, dabei ist unerheblich, ob die Perioden fortlaufend sind oder nicht. Es gibt eine Geschlechterparität für die Wahllisten. Die 116 über Provinzlisten gewählten Abgeordneten verteilen sich wie folgt auf die 24 Provinzen Ecuadors:

Anzahl der Parlamentssitze je Provinz
Provinz Sitze
Azuay 5
Cañar 3
Chimborazo 4
El Oro 5
Galápagos 2
Imbabura 4
Los Ríos 6
Morona Santiago 2
Orellana 2
Pichincha 16
Santo Domingo de los Tsáchilas 4
Tungurahua 4
Bolívar 3
Carchi 3
Cotopaxi 4
Esmeraldas 4
Guayas 20
Loja 4
Manabí 9
Napo 2
Pastaza 2
Santa Elena 3
Sucumbíos 3
Zamora Chinchipe 2

Wahlausgang

Partei oder Bündnis Stimmen Anteil Sitze
national Provinzen Emigranten Gesamt
Revolución Ciudadana 3.342.328 39,71 6 42 ? ?
Movimiento Construye 1.722.913 20,47 3 25 ? ?
Acción Democrática Nacional 1.222.566 14,52 2 11 ? ?
Partido Social Cristiano 1.000.319 11,88 2 12 ? ?
Actuemos 379.855 4,51 1 7 ? ?
Partido Sociedad Patriótica 264.772 3,15 1 2 ? ?
Claro Que Se Puede 241.458 2,87 0 3 ? ?
Movimiento RETO 141.779 1,68 0 2 ? ?
Movimiento AMIGO 101.108 1,20 0 1 ? ?
Centro Democrático 0 1 ? ?
Izquierda Democrática 0 0 ? ?
Pachakutik 0 4 ? ?
Lokale Bündnisse 0 6 ? ?
Gesamt 15 116 6 137

Einzelnachweise

  1. Lasso quisiera gobernar nuevamente en 2025. In: Radio La Calle. 22. Februar 2022, abgerufen am 18. Mai 2023 (spanisch).
  2. Süddeutsche Zeitung: Staatskrise in Ecuador: Neuwahlen im August angesetzt. 24. Mai 2023, abgerufen am 3. August 2023.
  3. Autor: Redaktion: Ecuador: Termin für vorgezogene Präsidentschafts- und Parlamentswahlen festgelegt. In: latinapress Nachrichten. 24. Mai 2023, abgerufen am 3. August 2023 (deutsch).
  4. Anne Herrberg: Nach Wahlen: Wer befreit Ecuador von Korruption und Gewalt? Abgerufen am 21. August 2023.
  5. Ecuador deberá vivir un proceso eleccionario en pocos meses. ¿Guillermo Lasso se puede presentar a elecciones? In: El Universo, 17. Mai 2023. Abgerufen am 18. Mai 2023. (spanisch) 
  6. Guillermo Lasso no descarta buscar la reelección en el 2025 - Radio Pichincha. In: Pichincha Comunicaciones EP. 22. Februar 2022, abgerufen am 18. Mai 2023 (spanisch).
  7. Nach Vorwürfen der Veruntreuung: Präsident Lasso steht nicht auf der Liste für Neuwahlen in Ecuador. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 3. August 2023]).
  8. Alexandra Valencia: Ecuador president dissolves legislature, bringing elections forward In: Reuters, 17. Mai 2023 (englisch) 
  9. Autor: Redaktion: Acht Kandidaten konkurrieren um die Präsidentschaft in Ecuador. In: latinapress Nachrichten. 14. Juni 2023, abgerufen am 3. August 2023 (deutsch).
  10. Autor: Redaktion: Acht Kandidaten konkurrieren um die Präsidentschaft in Ecuador. In: latinapress Nachrichten. 14. Juni 2023, abgerufen am 3. August 2023 (deutsch).
  11. Nach Vorwürfen der Veruntreuung: Präsident Lasso steht nicht auf der Liste für Neuwahlen in Ecuador. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 3. August 2023]).
  12. Carolina Mella: Jan Topic, the millionaire businessman vying to emulate Bukele in Ecuador to the sound of ‘Top Gun’. In: El País. 19. Juni 2023, abgerufen am 28. September 2023 (spanisch).
  13. Ecuador: Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio im Wahlkampf ermordet. In: Der Spiegel. 10. August 2023, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 10. August 2023]).
  14. Fernando Villavicencio: Was hinter dem Mord am Präsidentschaftskandidat in Ecuador steckt. In: Kleine Zeitung. 10. August 2023, abgerufen am 28. September 2023.
  15. Knut Henkel: Ecuador: Mord an einem Unbequemen. In: Menschen Machen Medien (ver.di). 11. August 2023, abgerufen am 28. September 2023 (deutsch).
  16. Nach Attentat auf Kandidaten: Präsident verhängt Ausnahmezustand in Ecuador. In: tagesschau.de. 10. August 2023, abgerufen am 28. September 2023.
  17. Partei des ermordeten Villavicencio nominiert neuen Ersatzkandidaten. In: Zeit Online. 14. August 2023, abgerufen am 28. September 2023.
  18. Präsidentenwahlen in Ecuador - Linke gegen Bananen-Unternehmer: Ecuador vor spannender Stichwahl. 21. August 2023, abgerufen am 28. September 2023.
  19. Knut Henkel: In Ecuador kommt es zur Stichwahl: Ein Votum für den Wandel. In: Die Tageszeitung: taz. 21. August 2023, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 28. September 2023]).
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