Als Fertigungsverfahren werden in der Fertigungstechnik alle Verfahren zur Herstellung von geometrisch bestimmten festen Körpern (Werkstücke) bezeichnet, also von Körpern mit bestimmten Maßen und Formen, wozu auch die Oberflächenrauheit zählt. Zu den wichtigsten Fertigungsverfahren zählt das Gießen, Schmieden, Fräsen, Bohren, Schweißen und Löten. Außerdem zählt zu den Fertigungsverfahren aus technischer Sicht das Ändern von Stoffeigenschaften, wie das Härten oder Weichglühen. Die Herstellung von Körpern ohne bestimmte Form ist dagegen Sache der Verfahrenstechnik.

Als Fertigungsverfahren werden in der Betriebswirtschaftslehre alle Produktionsprozesse bezeichnet, die den Arbeitsablauf in der Fertigung mit dem Unternehmensziel regeln, Produkte herzustellen.

Allgemeines

In der angloamerikanischen Fachliteratur wird zwischen „Fertigung“ (englisch manufacturing) und „Produktion“ (englisch production) unterschieden, wobei die Fertigung als Teilbereich der Produktion angesehen wird. Ein Teil der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Fachliteratur hat sich dem angeschlossen, die herrschende Meinung dagegen stuft „Fertigung“ und „Produktion“ und die entsprechenden Komposita als Synonyme ein. „Fertigungsverfahren“ kann daher durch „Produktionsverfahren“ ersetzt werden.

Fertigungstechnik

Die Werkstücke können sowohl Halbzeuge sein, die noch weiter verarbeitet werden müssen (Bleche, Barren, Stäbe) oder Fertigerzeugnisse. In der Regel müssen mehrere Fertigungsverfahren miteinander kombiniert werden, um aus Rohteilen über Halbfertigteile fertige Produkte herzustellen. Ausgangspunkt sind die Daten der Konstruktion, zum Beispiel technische Zeichnungen oder dreidimensionale CAD-Modelle. Darin sind die Maße der Werkstücke, ihr Werkstoff und die zulässigen Abweichungen (Toleranzen) enthalten.

Hauptgruppen nach DIN 8580

Die zahlreichen verschiedenen Fertigungsverfahren werden in der DIN 8580 nach gemeinsamen Verfahrensprinzipien eingeteilt in sechs Hauptgruppen, die sich jeweils in mehrere Gruppen, Untergruppen, Verfahren und Verfahrensvarianten aufteilen.

DIN 8580
Bereich Terminologie
Titel Fertigungsverfahren – Begriffe, Einteilung
Letzte Ausgabe Dezember 2022
Klassifikation 01.040.25; 25.020
Ersatz für DIN 8580:2003-09

Nach der DIN 8580 sind die Fertigungsverfahren in sechs Hauptgruppen unterteilt, deren Schwerpunkt in der Metallverarbeitung liegt. Merkmal der Einteilung ist der Zusammenhalt im Sinne des Zusammenhalts von Teilchen eines festen Körpers. Der Zusammenhalt wird entweder geschaffen (Urformen), beibehalten (Umformen, Umlagern von Stoffteilchen), vermindert (Trennen, Aussondern von Stoffteilchen) oder vermehrt (Fügen, Beschichten, Einbringen von Stoffteilchen).

Urformen (Formgebung, Zusammenhalt schaffen)
Fertigungsverfahren, in denen aus formlosem Stoff ein Werkstück hergestellt wird. Als formloser Stoff zählt Material, dessen Form nicht definiert ist, etwa eine Flüssigkeit, die sich an die Innenwände des Behälters anpasst. Das wichtigste Verfahren der Gruppe ist das Gießen mit schmelzflüssigem Ausgangsmaterial. Pulver und Granulate können gesintert werden. Aus plastische Massen wie Pasten, Kitte, Wachs, Lehm und Ton können in eine definierte Form gebracht werden. Auch generative Fertigungsverfahren wie 3D-Druck oder Rapid Prototyping werden seit der Aktualisierung im Januar 2020 als urformende Fertigungsverfahren erwähnt.
Umformen (Formänderung ohne Materialabtrag, Zusammenhalt beibehalten)
Fertigungsverfahren in denen Werkstücke verformt werden, ohne dass dabei Material hinzugefügt oder entfernt wird. Die Masse des Rohteils ist gleich der Masse des Fertigteils. Die wichtigsten Umformverfahren sind Walzen, Gesenkschmieden, Fließpressen, Strangpressen, Tiefziehen und Biegen.
Trennen (Formänderung durch Zerteilen oder Materialabtrag, Zusammenhalt vermindern)
Verfahren, bei denen die Form eines Werkstücks durch die Aufhebung des Werkstoffzusammenhalts an der Bearbeitungsstelle verändert wird, nennt man Trennverfahren. Die wichtigste Gruppe ist das Zerspanen, bei dem Material durch Spanen mit geometrisch bestimmter Schneide (Sägen, Hobeln, Fräsen, Bohren …) oder Spanen mit geometrisch unbestimmter Schneide (Schleifen, Honen, Läppen, Strahlen, Bürsten …) in Form von Spänen entfernt wird. Weitere wichtige trennende Verfahren sind das Scherschneiden (Stanzen), Brennschneiden oder Funkenerodieren. Ebenfalls zum Trennen zählt das Zerlegen für die Demontage.
Fügen (Verbinden von Werkstücken, Zusammenhalt vermehren)
Fügen ist das Verbinden mehrerer Werkstücke. Dazu zählt insbesondere das Schweißen, Löten und Kleben aber auch das Nieten, Schrauben oder Zusammensetzen.
Beschichten (Auftrag dünner Schichten)
Aufbringen einer fest haftenden Schicht aus einem formlosen Stoff auf ein Werkstück. Beispiel: Lackieren, Galvanisieren, Pulverbeschichten, Feuerverzinken.
Stoffeigenschaften ändern (z. B. durch Beeinflussung der Kristallstruktur)
Verändern der Eigenschaften des Werkstoffes, aus dem ein Werkstück besteht. Dazu zählen insbesondere Arten der Wärmebehandlung wie Härten und Glühen (z. B. Erweichen um die Bearbeitung zu erleichtern).

Eigenschaften und Auswahlkriterien von Fertigungsverfahren

Viele Werkstücke lassen sich durch verschiedene Fertigungsverfahren herstellen. Zahnräder beispielsweise lassen sich durch Schmieden, Wälzfräsen, Wälzhobeln oder viele weitere Fertigungsverfahren herstellen. Diese Verfahren unterscheiden sich jedoch in der erreichbaren Genauigkeit, Oberflächenqualität (Rauheit), der nötigen Bearbeitungszeit, den benötigten Maschinen und Werkzeugen sowie der Flexibilität. Die Flexibilität kann sich dabei sowohl auf die Anzahl der Werkstücke, als auch auf die Bandbreite der herstellbaren Formen und zu bearbeitenden Werkstoffe beziehen.

Gießen und Schmieden von Metallen sind relativ ungenaue Fertigungsverfahren. Beim Spritzgießen von Kunststoffen können eng tolerierte Funktionsmaße recht genau eingehalten werden. Das Gießen und Schmieden eignet sich für große Stückzahlen und ist dann mit geringen Stückkosten verbunden. Beim Gießen müssen jedoch zunächst Formen oder Modelle gefertigt werden, beim Gesenkschmieden die Gesenke. Da sie recht teuer sind, eignen sich beide Verfahren nur für größere Stückzahlen. Schmieden ist auf Metalle als Werkstoff begrenzt. Metall, Holz oder Keramik lässt sich durch Fräsen, Schleifen oder Bohren bearbeiten. Dabei lassen sich recht gute Genauigkeiten und Oberflächenqualitäten erreichen.

Häufig kommen Kombinationen der Fertigungsverfahren vor, um die verschiedenen Vorteile zu kombinieren. Sogenannte Halbzeuge wie Bleche und Stangen werden mit massentauglichen Verfahren wie dem Walzen oder Ziehen hergestellt. Für den Metallguss werden Rohmaterialbarren oder Produktionsausschuss eingeschmolzen. Danach werden die Metallgussteile mit präziseren und flexibleren Verfahren zu den Endprodukten weiterverarbeitet. Für den Kunststoffspritzguss wird Rohmaterial in Granulatform verwendet, eine Nachbearbeitung ist nur in seltenen Fällen vorgesehen. Aus einem Blech lassen sich beispielsweise durch Stanzen und anschließendes Biegen und Tiefziehen Karosserieteile herstellen. Häufig durchlaufen die Werkstücke dabei die Verfahren in der Reihenfolge, in der sie in der DIN 8580 zu den Hauptgruppen zusammengefasst werden. Sie werden also zunächst durch Urformen hergestellt, anschließend durch Umformen weiterbearbeitet und schließlich durch Trennen und Fügen fertigbearbeitet.

Betriebswirtschaftslehre

Die Betriebswirtschaftslehre befasst sich mit den wirtschaftlichen, die Organisationslehre mit den organisatorischen Aspekten des Fertigungsverfahrens. Als Fertigungsverfahren werden die verschiedenen Formen der Produktion von Gütern bezeichnet. Je nach dem Anteil des Produktionsfaktors wird einerseits zwischen Handarbeit (Faktor Arbeit) und Muskelarbeit sowie andererseits Maschinenarbeit (Faktor Betriebsmittel) unterschieden.

Fertigungsverfahren nach Riebel

Paul Riebel beschrieb 1963 folgende Fertigungsverfahren im Hinblick auf ihren Mechanisierungsgrad, bei denen mehr oder weniger Handarbeit erforderlich ist:

Die Handarbeit bei Vollautomation beschränkt sich auf die Steuerungstechnik. In Industriestaaten haben sich während der Industrialisierung die Anteile zu Gunsten der Automation und Mechanisierung verschoben; in der Dritten Welt ist dagegen der Anteil der Handarbeit und Muskelkraft − insbesondere in der Agrarproduktion − noch sehr hoch.

Arten

Nach der Homogenität der Produkte und der Häufigkeit der Leistungswiederholung wird zwischen Einzelfertigung, Massenfertigung, Serienfertigung und Sortenfertigung unterschieden:

Fertigungstyp Merkmale Beispiele
Einzelfertigungein Produkt/eine Dienstleistung wird nur einmal hergestellt, auch wenn später gleiche oder ähnliche Produkte/Dienstleistungen hergestellt werdenBauwirtschaft, Friseur
Massenfertigunggroße Mengen an Produkten/Dienstleistungen werden wiederholt auf derselben Produktionsanlage hergestelltKonsumgüter, Zahlungsverkehr
Serienfertigungdie gleichzeitige oder unmittelbar aufeinander folgende Produktion mehrerer gleichartiger Produkte (Serie) auf verschiedenen ProduktionsanlagenAutomobilindustrie, Modeindustrie
Sortenfertigungproduktions- und absatzverwandten Produkten in verschiedenen Ausprägungen, die in größeren Stückzahlen nacheinander auf derselben Produktionsanlage hergestellt werdenBrauerei, Buchdruck

Nach der Methodik der Verfahren gibt es:

Alle Handarbeitsformen (Handarbeit, Muskelarbeit, Schwerarbeit, Schwerstarbeit) können vorkommen.

Siehe auch

Literatur

  • Karl-Heinrich Grote, Jörg Feldhusen (Hrsg.): Dubbel – Taschenbuch für den Maschinenbau. 22. Auflage. Springer, Berlin 2007. ISBN 3-540-68186-8
  • Günter Spur, Theodor Stöferle (Hrsg.): Handbuch der Fertigungstechnik. Karl Hanser/Hanser Fachbuch, München/Wien 1981, ISBN 978-3-446-12538-4 (6 Bände).
  • Alfred Herbert Fritz, Günter Schulze (Hrsg.): Fertigungstechnik. 10. neu bearbeitete Auflage. Springer, Berlin 2012. ISBN 978-3-642-29785-4

Einzelnachweise

  1. DIN 8580:2003-09, S. 4
  2. Roger G. Schroeder, Operations Management – Contemporary Concepts, 2000, S. 5
  3. Rolf Hackstein/Hans-Peter Sieper, Produktion in den Fertigungs- und Montageindustrien, in: Werner Kern/Hans-Horst Schröder/Jürgen Weber (Hrsg.), Handwörterbuch der Produktionswirtschaft, 1996, Sp. 574; ISBN 978-3791080444
  4. Alexander Hars, Referenzdatenmodelle, 1994, S. 194
  5. Hartmut Kreikebaum, Umweltgerechte Produktion – Integrierter Umweltschutz als Aufgabe der Unternehmensführung im Industriebetrieb, 1992, S. 16; ISBN 978-3409233637
  6. Gabler Lexikon-Redaktion (Hrsg.), Gabler Kleines Lexikon Wirtschaft, 1989, S. 72 f.
  7. Reinhold Sellien (Hrsg.), Gablers Wirtschafts-Lexikon, Band 2, 1983, Sp. 1468 f.
  8. Paul Riebel, Industrielle Erzeugungsverfahren in betriebswirtschaftlicher Sicht, 1963, S. 117; ISBN 978-3-663-00673-2
  9. Siegfried G. Häberle, Das neue Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 422
  10. Günter Wöhe, Ulrich Döring, Gerrit Brösel: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 28. Auflage, Verlag Franz Vahlen München 2023, ISBN 978 3 8006 7200 4, S. 330.
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