Als Quorum Quenching (QQ; von engl. to quench, löschen) bezeichnet man die Hemmung der Quorum-Sensing-Erkennung, die durch unterschiedliche Mechanismen ausgelöst werden kann. Bakterien kommunizieren in ihrer Population über kleine Signalmoleküle und regulieren über Quorum Sensing die Bildung pathogener Phänotypen, wie beispielsweise die Bildung infektiöser Schleimschichten und die Synthese von Virulenzfaktoren. Chemische Hemmstoffe, die diese Kommunikation stören, können den Mechanismus des Quorum Quenchings induzieren und dann antimikrobiell wirken. Einige QQ induzierende Verbindungen sind in Pflanzen, Pilzen, Algen und Schwämmen gefunden und inzwischen synthetisch hergestellt worden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Antibiotika, die pathogene Mikroorganismen abtöten, verändern diese Wirkstoffe über Quorum Quenching nur den Phänotyp der Bakterien. Die gefürchtete Selektion zur Ausbildung bakterieller Antibiotikaresistenzen findet dabei nicht statt. QQ wird bereits erfolgreich in verschiedenen industriellen Branchen zur Bekämpfung pflanzenpathogener Mikroorganismen eingesetzt.

Quorum Quenching, QQ

Quorum Quenching, kann entweder durch enzymatische Zerstörung der bakteriellen Signalmoleküle oder durch Wechselwirkungen mit spezifisch wirkenden Hemmstoffen stattfinden. Eine Signalstörung in komplexen mikrobiellen Gemeinschaften führt zu Veränderungen der bakteriellen Verhaltensweisen und der Zusammensetzung der Population. Es können unterschiedliche Stoffwechselvorgänge, wie beispielsweise das Infektionsverhalten, die Pathogenität, die Motilität, die Toxinproduktion, die Biofilmbildung und die Populationsgröße von Bakterien beeinflusst und blockiert werden. Viele Bakterien haben die Eigenschaft, zwischen der planktonischen und der sessilen Lebensweise zu wechseln. Besiedeln Mikroorganismen Oberflächen, bilden sie ab einer bestimmten Populationsdichte Biofilme, in denen sie gut geschützt sind, da Biofilme gegenüber Antibiotika Diffusionsbarrieren bilden. Auch gegenüber dem Abwehrsystem des Wirtsorganismus sind sie abgeschirmt. QQ auslösende Wirkstoffe können Biofilme kontrollieren und somit therapeutischen Wirkstoffe der Zukunft sein.

Bakterien vermögen über Quorum Quenching ihre eigenen QS gesteuerten Prozesse zu regulieren, indem sie ihre Autoinduktoren bei Bedarf abbauen und recyceln. So verhindern sie die Anreicherung toxischer Metabolite. Bauen Mikroorganismen in einer gemischten Population über QQ fremde Signalmoleküle ab, verschaffen sie sich gegenüber Konkurrenten einen Vorteil. Sie sind in Bezug auf Nahrungsangebote und Platz begünstigt und erhalten dadurch einen wesentliche Wachstumsvorteile. Da viele pathogene Eigenschaften von Bakterien über QS reguliert werden, kann ein künstlich herbeigeführtes Quorum Quenching durch Verabreichung von Inhibitoren eine Alternative zur konventionellen Antibiotikatherapie oder eine synergistische Therapie darstellen.

Hemmung des Quorum Sensing Systems durch Quorum Quenching

Das QQ-System kann auf verschiedenen Ebenen ausgelöst werden:

  • Blockierung der Signalmolekülsynthese durch Inhibitoren oder Substratanaloga,
  • enzymatische Spaltung und Modifikation der Signalmoleküle,
  • Hemmung der Wechselwirkungen von Signalmolekülen mit Rezeptorproteinen,
  • Hemmung und Neutralisierung der freien Signalmoleküle durch freie Antikörper.

Blockierung der Signalmolekülsynthesen durch Inhibitoren

Acylhomoserinlactone (AHL) sind in gramnegativen Bakterien weit verbreitete intrazelluläre Signalmoleküle. Die Biosynthese verläuft ausgehend von einem Hauptaminosäuresubstrat dem S-Adenosylmethionin (SAM) und einem 6-Kohlenstoff-Acyl-Carrier-Protein, die durch die Acyl-Homoserinlactonsynthase zu einem Lactonring mit Acylseitenkette vereint werden. Eine Hemmung der Biosynthese kann zum einen durch fehlerhafte Bildung der Vorläufermoleküle erwirkt oder durch eine Blockierung der AHL-Synthase selbst bedingt werden.

Curcumin, der Hauptbestandteil des Gewürzes Kurkuma, ein Diarylheptanoid, hemmt die Synthese der Signalmoleküle in Pseudomonas aeruginosa, und vermindert dadurch die Pathogenität. Triclosan hemmt nur in subletalen Konzentrationen die SAM-Synthese. Natürliche Fimbrolide, halogenierte Furanone aus der marinen Rotalge Delisea pulchra können die Synthese der AHL-Autoinduktoren in Bakterien, oder auch die Synthese der AI-2 Signalmoleküle in Vibrio stören. Durch konvalente Bindung des Furanons wird das Enzym LuxS-Signalsynthase gehemmt. Zusätzlich blockieren bromierte Furanone in Vibrio die Luziferase-Aktivität, und verringern dadurch die Biolumineszenz. In Escherichia coli und in Bacillus subtilis haben Fimbrolide einen Einfluss auf das Schwarmverhalten, wodurch sie das koordinierte Verhalten von Bakterien innerhalb der Population beeinflussen. In einem Mausmodell konnte gezeigt werden, dass Furanone die Biofilmbildung und damit die Virulenz von Pseudomoas aeruginosa reduzierten und das Überleben der Versuchstiere verlängerten. Inzwischen wurden eine Reihe synthetischer Derivate dieser Verbindungen produziert, die jedoch eine deutlich geringere QQ-Wirkung aufweisen als die natürlichen Verbindungen.

Hemmung der Signalmolekülsynthese durch Substratanaloga

S-Adenosylmethionin und Acyl-Acyl-Carrier-Protein können durch strukturelle Analoga wie beispielsweise S-Adenosyl-L-homocystein, S-Adenosyl-L-cystein, Butyryl-S-Adenosylmethionin und Sinefungin substituiert werden und die Synthese der Signalmoleküle AI-1 blockieren. Das Substratanalogon Sinefungin, ein Nukleosid-Analogon, hemmt bei Streptococcus pneumoniae die Synthese des Signalmoleküls Al-2 und blockiert die S-Adenosylmethionin-abhängigen Methyltransferasen. Dadurch wird die Kolonisation der Erreger und die Bildung pathogener Biofilme in vivo reduziert. Bereits bestehende Biofilme werden jedoch in ihrer Matrixstruktur nicht verändert und abgebaut. Diese bakteriostatische Wirkung auf sich teilende Bakterien konnte auch in andere Bakterienkulturen nachgewiesen werden. Auch in dem QS-Systemen von dem gramnegativen Bakterium Burkholderia glumae, bei dem das Signalmolekül TofI mit dem Rezeptor TofR die Synthese von Toxoflavin, dem Toxin, reguliert, kann der Inhibitor J8-C8 kompetitiv das Acyl-ACP-Carriers-Molekül bei der Synthese hemmen. Die Toxinproduktion von Burkholderia glumae ist dann blockiert. Dieses pflanzenpathogene Bakterium verursacht in Tomaten und Paprikapflanzen Welksymptome und ruft Reiskornfäule hervor.

Enzymatische Spaltung der Signalmoleküle

Signalmoleküle können durch drei verschiedene natürlich vorkommende Enzymarten abgebaut oder chemisch modifiziert werden. Zu diesen Enzymen gehören Amidasen, Lactonasen, Deaminasen, Decarboxylasen und Oxidoreduktasen, die in verschiedenen Mikroorganismen, in Archaeen und in Eukaryoten gefunden worden sind. AHL-Lactonasen hydrolysieren in den AHL-Signalmolekülen den Lactonring. Amidasen spalten die Peptidbindung zwischen Acylkette und Lactonring. Oxidoreduktasen oxidieren oder reduzieren die Acylketten. Die Verminderung der spezifischen Ligand-Rezeport Wechselwirkungen führt zu einer Blockierung der QS-Signalübertragung. Einige Vertreter grampositiver Bakterien aus der Gattung Bacillus, die selbst keine Autoinduktoren vom AHL-Typ produzieren, reagieren trotzdem auf die Anwesenheit von externen AHL-Signalmolekülen im Umfeld. Mithilfe der auf dem Gen aiiA codierten β-Lactamasen, einer Hydrolase, können sie im alkalischen Milieu externe AHL-Moleküle von Konkurrenten spalten. So verschaffen sich Bacillusarten Selektionsvorteile innerhalb einer gemischten Bakterienpopulation.

Kompetitive Hemmung der Signal-Rezeptor-Interaktionen

Signalmoleküle des Quorum sensing Systems binden in Mikroorganismen an einen Rezeptor vom LuxR-Typ, der als Signal-Rezeptor-Komplex durch Bindung an den Promotor auf der DNA die QS-gesteuerten Genen aktiviert. Kompetitiv wirkende Substratanaloga können die Bindungen der Signalmoleküle an die Rezeptoren stören, wodurch diese nicht die Genexpression induzieren können. Inzwischen sind eine Reihe von natürlich vorkommenden Substratanaloga aus Pflanzen, Pilzen und Bakterien isoliert und auch chemisch synthetisiert worden. Pflanzliche Flavonoide, wie beispielsweise das Naringenin aus der Grapefruit beeinflussen vor allem die Biofilmbildung. Das Schwarmverhalten von Pseudomonas aeruginosa konnte nachweislich durch die Flavonoide Phloretin und 7,8-Dihydroxyflavon gehemmt werden.

In Studien konnte gezeigt werden, dass synthetische AI-2-Analoga wie beispielsweise Isobutyl-DPD oder Phenyl-DPD in Kombination mit Antibiotika QQ-Reaktionen auslösen. Bei den Bakterienstämmen von Escherichia coli und Pseudomonas aeruginosa konnte durch diese Kombinationstherapie eine vollständige Beseitigung bereits vorhandener Biofilme erreicht werden. Der Hemmstoff Savirin, abgeleitet vom Staphylococcus aureus Virulenzinhibitor, kann das QS-System von grampositiven Staphylococcus aureus in vitro blockieren. Der Wirkstoff hemmt sowohl das planktonische Wachstum als auch die Biofilmbildung.

Zimtaldehyde beeinträchtigen die durch den Autoinduktor Al-2 gesteuerten Wechselwirkungen der DNA mit dem Rezeptor LuxR, wodurch die Pathogenität von Vibrio spp deutlich reduziert wird. Da Zimtaldehyde zusätzlich die Matrixproduktion reduzieren, blockieren sie die Biofilmproduktion in Vibrio spp.

Hemmung und Neutralisierung von freien Signalmolekülen durch Antikörper

Signalmoleküle können entweder frei durch die Bakterienmembran diffundieren, aktiv über Transportproteine oder Transportvesikel wie beispielsweise bei P. aeruginosa aufgenommen oder abgegeben werden. Bei Pseudomonas aeruginosa werden die Autoinduktoren 2-Heptyl-3-hydroxy-4-chinolon in Membranvesikel verpackt und transportiert. Durch Inhibitoren kann dieser Vorgang gezielt blockiert werden. Durch den Einsatz spezifische Antikörper können freie Signalmoleküle neutralisiert und abgefangen werden, so dass sie für die QS vermittelnde Reaktionen nicht mehr zur Verfügung stehen. Der spezifische Antikörper AP4-24H11 bindet die Signalmoleküle AIP-4 aus Staphylococcus aureus. Aufgrund dieser Schlüsselrolle, die das QS System bei der Kommunikation und der Kolonisation von Bakterien einnimmt, bilden Hemmstoffe, die das QQ System gerade bei humanpathogen hervorgerufenen bakteriellen Infektionen bedienen, einen weiteren alternativen Therapieansatz neben der Verabreichung von herkömmlichen Antibiotika.

QQ vermittelnde Naturstoffe

Eine Reihe von Sekundärmetaboliten aus verschiedenen Pflanzen, aus der Rotalge Delisea pulchra und aus dem Meeresschwamm Agelas oroides vermögen QQ Reaktionen zu induzieren.

Naturstoffe mit QQ Wirkungen
Name der WirkstoffeVorkommenStrukturformeln der MetaboliteQQ Wirkungen auf verschiedene pathogene Mikroorganismen
NaringeninZitruspflanzen, GrapefruitNaringenin, Pseudomonas aeruginosa und Vibrio harveyi.
Knoblauchsulfide und AjoeneAllium sativum, Echter Knoblauch,Ajoene, Pseudomonas aeruginosa.
Iberin, ein IsothiocyanatArmoracia rusticana, MeerrettichGrundstruktur des Isothiocyanates, Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa, Listeria monocytogenes, Staphylococcus aureus, Enterococcus faecalis, Aggregatibacter actinomycetemcomitans und Candida albicans.
CurcuminCurcuma longa, KurkumaCurcumin, Aeromonas hydrophila, Pseudomonas aeruginosa.
ZimtaldehydeZimtZimtaldehyd, Vibrio spp.
Muskatnussextrakt, MyristicinMyristica fragransMyristicin, Chromobacterium violaceum, Pseudomonas aeruginosa.
Nelkenextrakt, EugenolSyzygium aromaticumEugenol, Chromobacterium violaceum und Pseudomonas aeruginosa.
Pflanzenextrakte, alpha-PinenPiper nigrum, Piper betle und Gnetum gnemonalpha-Pinen, Pseudomonas aeruginosa und Chromobacterium violaceum.
1,3,7-TrimethylxanthinKaffee1,3,7-Trimethylxanthin, Pseudomonas aeruginosa, Escherichia coli, Enterobacter aerogenes und Proteus vulgaris.
Pyrrol-Alkaloid, OroidinAgelas oroidesOroidin, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii und Bordetella bronchispetica.
Bromierte FuranoneDelisea pulchranichtbromiertes Furanol, Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa und Salmonella enterica Serovar Typhimurium .

Anwendungsbereiche

QQ wird bereits erfolgreich in verschiedenen industriellen Branchen, wie in der Abwasserkultur, in der Landwirtschaft, in der Umwelt und in der Medizin zur Bekämpfung pathogener oberflächenbesiedelnder Mikroorganismen eingesetzt. Allgemein besteht ein Interesse an der Entwicklung und Verwendung von exogenen Verfahren zur Manipulation und Verhinderung von bakteriell besiedelten Oberflächen. Quorum Quenching Enzyme oder Bakterien, die AHL-Signalmoleküle zerstören, können die Abwasserleistung effektiv verbessern, ohne jedoch das Überleben wichtiger Bakterien zu behindern. Hierbei wird das Membran-Biofouling in Kläranalgen reduziert. In der Aquakultur werden AHL-abbauende Bakterien eingesetzt wie beispielsweise Vertreter der Gattung Flaviramulus, um die Verbreitung von Krankheiten bei Meerestieren einzugrenzen. In der Implantatchirurgie werden verschiedene Implantate mit unterschiedlichen Oberflächeneigenschaften wie Herzklappen, Prothesen, Katheter, u. a. verwendet, die für pathogene Bakterien ideale Oberflächen darstellen und zur Bildung von festsitzenden Biofilmen führen. Die Folgen sind schwer behandelbare Infektionen. Prophylaktische Behandlung der Implantatoberflächen mit QQ wirkenden Enzymen reduzieren die krankheitsverursachende Biofilmbildung wesentlich. In tierischen Infektionsmodelle konnte gezeigt werden, dass verabreichte QQ Enzyme wie Lactonase und Acylasen die Virulenz zahlreicher pathogener Bakterien hemmten. Dazu gehörte auch eine Reduktion bakterieller Oberflächenbesiedlung.

Einzelnachweise

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