Radulfus Niger (* vor 1146; † um 1200) war ein englischer Theologe und Jurist. Er ist besonders für seine eigene und die historisch erste systematische Zusammenfassung der Einwände gegen die Kreuzzüge bekannt, die er in seinem Traktat De re militari et triplici via peregrinationis Ierosolimitane um 1188 niederschrieb und veröffentlichte.
Leben
Nach seinen Studien in Paris, bei Johannes von Salisbury und Gerardus Puella, erwarb Niger um 1166 den Titel eines magister. Er stand in Beziehung zum Erzbischof Thomas Beckett von Canterbury und trat dann in die Dienste Heinrichs II. von England, mit dem er allerdings nach der Ermordung des Thomas brach. Seit 1173 lebte er im Exil in Frankreich. Hier entstanden seine Bibelkommentare und sein Anti-Kreuzzugstraktat, die er verschiedenen Kardinälen, Bischöfen und Theologen zur Prüfung vorlegte.
Seine Chroniken verfasste er in England, wohin er nach dem Tode Heinrichs 1189 zurückgekehrt war, ebenso seine Abhandlung über die Deutung hebräischer Namen (Philippicus), für die er sich der Hilfe eines getauften Juden, wohl aus York, bedienen konnte. Seinen Lebensunterhalt finanzierte er durch ein Kanonikat in Lincoln. Er übte biblisch begründete Kritik an den Kreuzzügen. Unter anderem verfasste er 1188 eine Schrift De re militari, die stark von den herrschenden Lehrmeinungen abwich.
Im Jahr 1191 beauftragen die Päpste Clemens III. und Coelestin III., dessen Nachfolger, den Erzbischof Guido von Sens die Schriften Nigers zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren, um sie nach erfolgter Approbation in die Reihe der katholischen Werke (inter catholicorum virorum opuscula) aufzunehmen.
Ausgaben
- De re militari et triplici via peregrinationis Ierosolimitane. Einleitung und Edition (= Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters. Bd. 6). De Gruyter, Berlin u. a. 1977, ISBN 3-11-006827-3.
Literatur
- Hanna Krause: Radulfus Niger Chronica. Eine englische Weltchronik des 12. Jahrhunderts (= Europäische Hochschulschriften. Reihe III. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Band 265). Lang, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-8204-8440-X.
- Ludwig Schmugge: Radulfus Niger. In: Lexikon des Mittelalters. Bd. 7, Sp. 394.
- Ludwig Schmugge: Thomas Becket und König Heinrich II. in der Sicht des Radulfus Niger. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 32, 1976, S. 572–579.
- Ludwig Schmugge: Rechtsprobleme im Werk des Radulfus Niger. Ein Beitrag zur Verbindung von Theologie und Jurisprudenz im 12. Jahrhundert. In: Stephan Kuttner (Hrsg.): Proceedings of the Fourth International Congress of Medieval Canon Law, Toronto, 21–25 August 1972. Città del Vaticano 1976, Biblioteca Apostolica Vaticana, S. 495–509.
- Daniel Staub: Radulfus Nigers „Philippicus“. Univ. Diss., Zürich 1993.
- Philippe Buc: Exégèse et pensée politique: Radulphus Niger (vers 1190) et Nicolas de Lyre (vers 1330). In: Joël Blanchard (Hrsg.): Représentation, pouvoir et royauté à la fin du Moyen Age. Paris 1995, Picard, S. 145–164
Weblinks
- Literatur von und über Radulfus Niger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Veröffentlichungen zu Radulfus Niger im Opac der Regesta Imperii
Anmerkungen
- ↑ Ludwig Schmugge: De re militari et triplici via peregrinationis Ierosolimitane (1187/88). Einleitung und Edition. Berlin u. a. 1977, S. V–VI.
- ↑ Ludwig Schmugge: De re militari et triplici via peregrinationis Ierosolimitane (1187/88). Einleitung und Edition. Berlin u. a. 1977, S. 7.
- ↑ RI IV,4,4,4 n. 1028. In: Regesta Imperii Online, abgerufen am 16. April 2023; RI IV,4,4,5 n. 12. In: Regesta Imperii Online, abgerufen am 16. April 2023.