Das Rauch’sche Palais in Heilbronn war das größte Gebäude am Heilbronner Marktplatz und das bedeutendste Beispiel des Klassizismus in der Stadt. Das 1804 bis 1807 erbaute Palais wurde in den Jahren 1877–1878 im Stil der Renaissance von Robert von Reinhardt restauriert und im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Geschichte
Das weiträumige, fast palastartige Gebäude wurde in den Jahren 1804 bis 1807 an der Ecke Kaiserstraße/Marktplatz nach Plänen Nikolas Alexandre de Salins de Montforts und Johann Jakob Atzels für die Großkaufleute Christian von Rauch (1752–1808) und Moriz von Rauch (1754–1819) errichtet. Das Gebäude sollte als Stammhaus des Handelsunternehmens sowie als Wohnhaus der Familien der Erbauer dienen. Das Palais im Stil des Klassizismus hatte vier Stockwerke, seine Fassade war in elf Achsen gegliedert. Die Inneneinrichtung des Hauses entwarf Gottlob Georg Barth. Im Rauch’schen Palais gastierte 1815 der russische Zar und 1840 der König von Württemberg. Hier soll sich die Freifrau Juliane von Krüdener mit dem Zaren getroffen haben, um ihn von der Heiligen Allianz zu überzeugen.
1877 wurde das Palais im Stil der Renaissance von Robert von Reinhardt umgebaut. Das Gebäude beherbergte in der Vorkriegszeit mehrere Geschäfte, wie das des Juweliers Ludwig Kaempff, der beim Luftangriff auf Heilbronn 1944 im Rauchschen Palais „ausgebombt“ wurde, und am 11. Dezember 1950 einen Neubau an der Allee 5 bezog.
Der Luftangriff hatte das Palais nicht vollständig zerstört, so sind auf einer Fotografie vor dem sog. „Endkampf“ März 1945 zu sehen, wie alle Außenwände des Palais vollständig erhalten geblieben waren.
In der Nachkriegszeit sahen Pläne des Stadtplaners Volkart dessen Rekonstruktion vor. Trotzdem wurden am 26. Februar 1948 die Innenmauern und am 1. September 1948 die erhalten gebliebene Fassade am Marktplatz abgebrochen. In der ersten Oktoberwoche 1948 wurde mit dem Bau eines eingeschossigen Ladenbaus für mehrere Geschäfte begonnen. Dies erfolgte durch die Firma Ensel. Dazu wurde eine Ladenbaugesellschaft gegründet mit dem Kaufmann Walter Glück als Geschäftsführer. Finanziert wurde diese Vorhaben durch einen Treuhänder, Alfred Freudenberger. Noch am 5. November wurde am Ladengebäude gebaut, bevor am 14. Dezember 1948 Richtfest gefeiert werden konnte. Die Räume der weiträumigen Ladenbauten auf dem Gelände des früheren Rauch’schen Palais wurden später vom Stoffhaus Model genutzt, dessen Stammhaus in der Sülmerstraße 39 bis 1951 wiederaufgebaut wurde. Ende 1968 wurden auch die Ladenbauten endgültig abgerissen.
In „großstädtischer Bauweise“ wurde an der Stelle des Rauch'schen Palais im Jahr 1972 das heutige LASPA-Haus nach Entwürfen des Architekten Alexander Kemper erbaut.
Beschreibung
Helmut Schmolz und Hubert Weckbach beschreiben das Gebäude wie folgt:
„Die Westfassade ist neunachsig und durch das Sockelgesims, zwei Gurtgesimse in Höhe der Fußböden des ersten und zweiten Obergeschosses sowie eine Reihe von Dreiecks- und Segmentgiebeln über den Fenstern des 2. Obergeschosses horizontal gegliedert. Unter dem unteren Gurtgesims läuft ein Fries um das Haus, Unter dem oberen (Anmerkung: Gurtgesims) sitzen in den freien Flächen zwischen den Fenstern je zwei miteinanderverbundene Konsolsteine. Im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss ist das in Quadersteinen ausgeführte Mauerwerk betont. Zwischen den Fenstern des zweiten und dritten Obergeschosses sind vom oberen Gurtgesims bis zum Architrav, über den ein Fries läuft, breite, fein gearbeitete, im oberen Teil des Schaftes kannelierte, ionisierende Pilaster aufgeführt, die die obere Haushälfte stark vertikal gliedern und hervorheben. Die Fenster der Obergeschosse sind mit breiter, profilierter Steinwandung einfaßt. Auf dem Dach sitzen kleine Dreiecksgauben.“
Kunstgeschichtliche Bedeutung
Laut Julius Fekete galt das Rauch’sche Palais als „eines der ersten bedeutenden Gesamtkunstwerke des Klassizismus in Württemberg“:
„Der Klassizismus des 19 Jhs. begann mit Innenausstattungen. […] Auf dem Gebiet des Profanbaus war dagegen Heilbronn führend. Bereits zu Beginn des 19. Jhs. dokumentierten mehrere herrschaftliche Wohnbauten die wirtschaftliche Prosperität der Stadt, so z. B. das 1804–07 am Marktplatz nach Entwürfen des Pariser Architekten N.A. de Salins de Montfort gebaute Rauchsche Palais […] Das Rauchsche Palais war eines der ersten bedeutenden Gesamtkunstwerke des Klassizismus in Württemberg, den Innenausbau von 1807 führte G. G. Barth aus.“
Einzelnachweise
- ↑ Julius Fekete: Kunst- und Kulturdenkmale in Stadt und Landkreis Heilbronn. 2. Auflage. Theiss, Stuttgart 2002, S. 16f.
- ↑ Helmut Schmolz/Hubert Weckbach: Heilbronn – Die alte Stadt in Wort und Bild (1. Band), Konrad-Verlag, Weißenhorn 1966, Nr. 10 „Kilianskirche nach dem Umbau vom Marktplatz aus, 1892“, Seite 18.
- ↑ Wilhelm Steinhilber: Das Haus im Feyerabendschen Park. In: Schwaben und Franken. Heimatgeschichtliche Beilage der Heilbronner Stimme. 9. Jahrgang, Nr. 3. Verlag Heilbronner Stimme, 30. März 1963, ZDB-ID 128017-X.
- ↑ Renz/Schlösser, Chronik Heilbronn … 1945–1951, S. 456 (Rauchsches Palais)
- ↑ (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven.)
- ↑ Die zweite Zerstörung auf stimme.de, 21. Februar 2008
- ↑ Renz/Schlösser, Chronik Heilbronn … 1945–1951, S. 228, S. 260, S. 271, S. 277, S. 288 (Rauchsches Palais bzw. Ladenbauten an Stelle des früheren Rauchschen Palais)
- ↑ Heilbronn – Junge Großstadt auf dem Weg in die Zukunft. Druckhaus Heilbronn GmbH, Heilbronn 1970, S. 95
- ↑ Werner Föll: Chronik der Stadt Heilbronn. Band X: 1970–1974 , Heilbronn 1999, [Einleitung ab XXXI].
- ↑ Helmut Schmolz/Hubert Weckbach: Heilbronn - Die alte Stadt in Wort und Bild (1. Band), Konrad-Verlag, Weißenhorn 1966, Nr. 10 „Kilianskirche nach dem Umbau vom Marktplatz aus, 1892“, Seite 18.
- ↑ Der Text folgt Julius Fekete, Kunst- und Kulturdenkmale in Stadt und Landkreis Heilbronn, Theiss, Stuttgart 2002, S. 16f.
Literatur
- Eberhard Gossenberger: Rauch'sches Haus. In: ders: Heilbronns Profanbauten aus dem 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte der Stadt Heilbronn, Stuttgart Technische Hochschule Dissertation v. 9. August 1917 [1923], S. 46–51.
Weblinks
Koordinaten: 49° 8′ 31,6″ N, 9° 13′ 9,1″ O