Raymond Gosling (* 15. Juli 1926 in Wembley; † 18. Mai 2015) war ein britischer Physiker, der zusammen mit Rosalind Franklin in einem Artikel in der Fachzeitschrift Nature 1953 erstmals eine deutliche Röntgenabbildung einer DNA veröffentlichte. Er war die oftmals übersehene fünfte Person in der Geschichte der Entdeckung der Doppelhelix-Struktur der DNA, dem Schlüssel zum Geheimnis des Lebens. Üblicherweise werden die Namen von Francis Crick und James Watson von der University of Cambridge mit der Entdeckung verbunden, die 1962 gemeinsam mit Maurice Wilkins vom King’s College London den Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhielten, wohingegen andere Forscher die grundlegenden Daten erarbeiteten, die Crick und Watson benötigten, um das Gesamtbild der Entdeckung zu fertigen.

Gemeinsam mit Rosalind Franklin hatte er auf der Basis eigener geometrischer Überlegungen auch eine Näherungsformel zur Bestimmung des Faserkippwinkels β angegeben und damit auf dem Gebiet der Faserbeugung Grundlagen erarbeitet.

Leben

Studium und Mitarbeiter des Laboratoriums des KCL

Gosling, Sohn eines Künstlers und Möbeltischlers sowie einer Opernsängerin, begann nach dem Besuch der Preston Manor-Grammar School ein Physikstudium am University College London (UCL), das er 1947 abschloss. Ursprünglich beabsichtigte er dort sein postgraduales Studium fortzusetzen, wechselte dann aber zum King’s College London, an dem John Turton Randall die Charles-Wheatstone-Professur für Physik übernommen hatte. Dieser begann mit der Entwicklung neuer Lehrmethoden, die die Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachrichtungen förderte, die von anderen Hochschulmitarbeitern spöttisch als Randall’s Circus genannt wurden. Randall war jedoch der Ansicht, dass Gosling vor einer Mitarbeit in seinem Forschungsteam seine Kenntnisse in Biologie und Zoologie ausweiten müsste. Nach entsprechenden Abendstudien und einer Tätigkeit als Gastphysiker arbeitete er zusammen mit Maurice Wilkins an der Röntgenbeugung zur Analyse von DNA-Proben.

Gosling war zu der Zeit Student bei Maurice Wilkins, der 1950 als erster ein Röntgenbild von einer DNA-Faser erstellte und damit ein Bild, das den jungen James Watson inspirierte, nachdem er dieses bei einer Rede von Wilkins bei einer Konferenz in Neapel sah. Das wesentlich berühmtere Foto 51 wurde im Mai 1952 aufgenommen und üblicherweise Rosalind Franklin zugeschrieben, wenngleich es tatsächlich bereits von Gosling aufgenommen wurde. Als Crick und Watson ihren berühmten Artikel in der Ausgabe der Zeitschrift Nature vom 23. April 1953 veröffentlichten und darin die DNA-Struktur beschrieben, nahmen sie keinerlei Daten von Experimenten auf und würdigten nicht vollständig die Arbeit der Wissenschaftler des King’s College, obwohl diese Wissenschaftler ihre Daten in zwei Artikeln in der gleichen Ausgabe veröffentlichten. Der eine Artikel stammte von Wilkins, Alex Stokes und Herbert Wilson, während der andere Aufsatz über die Röntgenbeugung von Rosalind Franklin und Gosling verfasst wurde.

Wilkins hatte bei einem Vortrag von dem Schweizer Charles Signer eine Probe reiner DNA erhalten, die ihren eigenen Proben in der Qualität überlegen war. Die ersten Versuche zur Fotografie von DNA, die von Wilkins durch die Umwicklung von Fasern um eine Papierklammer vorbereitet wurden, die durch kleine Klebstofftropfen fixiert waren, erwiesen sich jedoch als unbefriedigend. Der Laborchef Randall war über den Misserfolg amüsiert und wies daraufhin, dass Luft eine zu ähnliche Zusammensetzung hatte wie die zu untersuchende DNA und so Störungen verursachte. In einem Versuch, die Kamera luftdicht zu halten, so dass die DNA in einer Atmosphäre von reinem Wasserstoff fotografiert werden konnte, experimentierte Gosling mit einer Reihe von Dichtungsmitteln. Allerdings konnte er keine Möglichkeit finden, um mit der schweren Messing-Kollimatorröhre zu arbeiten. Als er Wilkins aufzeigte, wie weit er gekommen war, war er überrascht und beunruhigt, als ihm Wilkins, ein eher schüchterner Mann, ein Kondom der Marke Durex gab und sagte: „Hier, kleiner Raymond, stülpe dies um dem Kollimator“ (‚Here, little Raymond, put this round the collimator‘).

Das Kondom erfüllte die Voraussetzungen. Außerdem musste der Wasserstoff durch Wasser geleitet werden, um die Gefahr einer Explosion in dem unterirdisch befindlichen Labor zu verhindern. Er nahm so Feuchtigkeit auf und Gosling hatte Glück, dass die Luftfeuchtigkeit mit 92 Prozent gerade richtig war, dass die die Luftfeuchtigkeit absorbierten DNA-Fasern unerwarteter Weise kristallisierten. Es war ihm möglich war, die Aufnahme zu produzieren, die die verräterischen Diffraktionsstellen erscheinen ließ, die James Watson so begeisterten. Gosling erinnerte sich wie folgt daran: „Ich kann mich lebendig an die Aufregung erinnern, als ich diese Sache WIlkins zeigte und seinen Sherry aus seinem Glas trank … in einem Schluck“ (‚I can still remember vividly the excitement of showing this thing to Wilkins and drinking his sherry by the glass… by the gulpful‘).

Entdeckung der Doppelhelix-Struktur der DNA

Gosling war damit die oftmals übersehene fünfte Person in der Geschichte der Entdeckung der Doppelhelix-Struktur der DNA, dem Schlüssel zum Geheimnis des Lebens. Üblicherweise werden die Namen von Francis Crick und James Watson von der University of Cambridge mit der Entdeckung verbunden, die 1962 gemeinsam mit Maurice Wilkins vom King’s College London den Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhielten, wohingegen andere Forscher die grundlegenden Daten erarbeiteten, die Crick und Watson benötigten, um das Gesamtbild der Entdeckung zu fertigen.

Gosling war aber zurückhaltend und drückte niemals eine Enttäuschung darüber aus, dass seine Rolle bei der Entdeckung der Doppelhelix-Struktur übersehen wurde und lenkte jede Anerkennung auf John Turton Randall, den Leiter des Laboratoriums des King’s College, dessen Ansicht, dass DNA ein Agent genetischen Erbes sein müsse und die konsequente Bestimmung zur Entdeckung seiner Struktur alle ihre Forschungen leitete.

Später richtete sich die Aufmerksamkeit auf die Biochemikerin Rosalind Franklin, eine Kollegin von Wilkins am King’s College London, die unter dem männlichen Chauvinismus der 1950er Jahre litt und 1958 zu früh verstarb, um einen Anteil am Nobelpreis zu haben. Es waren ihre Fähigkeiten bei der Röntgen-Kristallographie, die zum Foto 51 führten, dem Bild, das Crick und Watson die entscheidenden Anhaltspunkte für die Dimensionen und Winkel des DNA-Moleküls gab, die die beiden Forscher der University of Cambridge dazu brachten, ihr berühmtes Modell der Doppelhelix aufzustellen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Rosalind Franklins Rolle bedeutend war. Allerdings verdeckte ihr posthum erworbener Status als feministische Ikone, dass es tatsächlich Gosling war, der die entscheidenden Röntgenbilder erstellte, die den Schlüssel in der Entschlüsselung des Puzzles lieferten.

Spannungen zwischen den Forschern und Rolle Goslings

Gosling war allerdings unbeteiligt am Auseinanderbrechen der Beziehungen zwischen Wilkins und Rosalind Franklin, die 1951 am King’s College London eintraf, als Wilkins sich im Urlaub befand. Von der Etikette der britischen Wissenschaft wurde angenommen, dass nur Wilkins und sein Team am Problem der DNA-Struktur arbeiteten. Allerdings erinnerte sich Gosling: „Randall hat Rosalind geschrieben, dass sie die kristallografische Röntgenarbeit am DNA-Material leiten solle, aber ich habe davon nicht gewußt“ (‚Randall actually wrote to Rosalind saying that she would be asked to direct the X-ray crystallographic work on the DNA material, and I didn’t know that he’d done that‘). Dieses Einmischen nahm Wilkins allerdings übel, so dass Randall Gosling aus dem Team von Wilkins abzog, und ihn Rosalind Franklin als deren Techniker und Studenten zuwies.

Gosling glaubte, dass die Spannungen zwischen den beiden Wissenschaftlern vermutlich durch Randalls Zutun entstanden: „Er dachte, es würde sie wettbewerbsfähiger machen und ihre Arbeit verbessern“ (‚He thought it would make them competitive and improve their work‘). Er selbst fand sich in der Mitte zwischen den beiden gefangen: „Es war schrecklich, schrecklich. Ich verbrachte mein Leben damit, von einem zur anderen zu gehen, Botschaften zu übergeben, versuchte den Friedensstifter zu spielen“ (‘It was terrible, terrible,’ he recalled. ‘I spent my life going from one to the other, giving messages, trying to play the peacemaker’). Der Disput endete schließlich damit, dass Randall Rosalind Franklin riet, besser zu gehen, obwohl die DNA-Arbeit noch nicht abgeschlossen war und ihr 1953 eine Tätigkeit am Birkbeck College der Universität London vermittelte.

Promotion zum Ph.D. und Hochschullehrer

Aufgrund seiner Verbundenheit zu ihr verfasste Gosling seine Dissertation zum Erwerb des Doctor of Philosophy (Ph.D.) nicht am King’s College London, sondern bei Rosalind Franklin. Er hoffte, anschließend seine DNA-Forschungen fortsetzen zu können und war überzeugt davon, dass es rund ein Jahr dauern werde, bis Wissenschaftlern der Durchbruch gelingen würde, Wege zu finden, um Krebs zu heilen. Diese Hoffnung erwies sich jedoch als falsch und er selbst widmete sich anderen Themen.

Nach seiner Promotion wurde Gosling zunächst Lecturer für Physik am Queen’s College der University of Oxford, danach an der University of St Andrews sowie später an der University of the West Indies.

Nach seiner Rückkehr nach Großbritannien wurde er 1967 Lecturer an dem als medizinische Fakultät zum King’s College London gehörenden Guy’s Hospital und entwickelte dort Geräte zur Erforschung und Diagnose von Arteriosklerose. 1984 übernahm er schließlich eine Professur für Medizinische Physik am Guy’s Hospital.

Einzelnachweise

  1. Naomi Attar: Raymond Gosling: the man who crystallized genes, Genome Biology, Band 14, Nr. 402, 25. April, 2013
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