Der Reichsjägerhof „Hermann Göring“ in Riddagshausen bei Braunschweig war einer von zwei forstwirtschaftlichen Großbetrieben, die in der Zeit des Nationalsozialismus errichtet wurden. Er sollte in erster Linie für Tagungen der Gaujägermeister sowie für Staatsjagden der nationalsozialistischen Führung, insbesondere des „Reichsjägermeisters“ Hermann Göring, dienen.
Geschichte
Der Riddagshäuser Reichsjägerhof entstand ab 1934 auf Betreiben des damaligen NSDAP-Ministerpräsidenten des Freistaates Braunschweig, Dietrich Klagges, der sich so – zusammen mit seinem Parteigenossen, dem Finanz- und Justizminister Friedrich Alpers – die Gunst der Reichsführung in Berlin sichern wollte. Zur Erreichung dieses Ziels suchte Klagges die Nähe Görings, dessen Jagdleidenschaft bekannt war. Klagges schuf dazu zunächst den „Jagdgau Braunschweig“ und ernannte dann Alpers 1934 zu dessen „Gaujägermeister“. Anschließend begannen in der Buchhorst die Bauarbeiten am Reichsjägerhof, dessen Planung der Braunschweiger Architekt Emil Herzig verantwortete. Das Kloster Riddagshausen wurde mit seinen ausgedehnten Teichen in die Anlage integriert. Daneben wurden eine Fasanenzucht, eine Falknerei und ein Wildpark eingerichtet.
Bei der Eröffnung am 5. Mai 1935 übergab Klagges den Betrieb Göring als persönliches Geschenk zu dessen Hochzeit mit der Schauspielerin Emmy Sonnemann. In seiner Dankesrede schuf Göring die Bezeichnung „Reichsjägerhof“. Göring hielt sich dort zweimal zu Staatsjagden für ausländische Diplomaten auf: zuerst am 4. November 1935 und zuletzt im November 1938.
Ein Projekt des Betriebes war die Erforschung und Ansiedlung des Gerfalken. Hierzu finanzierte die eigens für die Verwaltung des Hofes am 31. März 1935 gegründete Hermann-Göring-Stiftung 1938 die Herdemerten-Grönland-Expedition, die fünf dieser Greifvögel nach Deutschland brachte.
Dieser erste Reichsjägerhof, der – so war geplant – als Prototyp für weitere Anlagen dieser Art dienen sollte, wurde bis 1945 von der Hermann-Göring-Stiftung verwaltet.
Architektur
Architekt Herzig hat den Gebäudekomplex im Stile eines Niedersachsenhauses in Fachwerkbauweise konzipiert. Der Jägerhof bestand aus einem Hauptgebäude mit Gaujägermeisteramt, Tagungs- und Schulungsräumen sowie Arbeitsräumen und Wohnungen für Forstbeamte. Außerdem gab es einen eigenen Wohntrakt für Göring, den dieser aber nie benutzt hat. An das Gebäude schlossen sich Stallungen und Wirtschaftsgebäude an. Fasanerie und Falkenhof, der den Titel „Reichsfalkenhof“ erhielt, befanden sich etwas vom Gebäudekomplex entfernt.
Die nahe gelegene, 1740 erbaute Waldgaststätte Grüner Jäger wurde 1936 aufwändig umgebaut.
Verkehrsanbindung
Um für den Reichsjägermeister und die erwarteten zahlreichen Staatsgäste und Jagdteilnehmer gerüstet zu sein, wurde ab 1937 eine repräsentative und direkte Verbindung zwischen dem Braunschweiger Bahnhof und dem Reichsjägerhof in Form einer Prachtstraße geplant. Dazu sollte (ursprünglich) eine überbreite Straßenschneise direkt vom Bahnhof durch die Stadt sowie einen Teil des Riddagshäuser Waldes und des Prinzenparks angelegt werden, wobei gleichzeitig das nahe dem Nußberg gelegene Luftflottenkommando 2 sowie das „SA-Feld“ angeschlossen werden sollten. Der Gesamtplan wurde jedoch nie umgesetzt, lediglich die Verbindung durch den Prinzenpark bis zum Reichsjägerhof wurde bis zur Einweihung am 7. und 8. November 1937 fertiggestellt und „Hermann-Göring-Allee“ genannt.
Nachkriegszeit
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Stiftung in Jägerhof-Stiftung umbenannt. Die Liegenschaften des Reichsjägerhofes gingen am 29. März 1955, nach Auflösung der Stiftung, in den Besitz der Stadt Braunschweig über und sind heute Teil des Naturschutzgebietes Riddagshausen und des Landschaftsschutzgebietes Buchhorst. In den Gebäuden befand sich bis Ende 2012 ein integrativer Kindergarten der Braunschweiger Lebenshilfe. Der Grüne Jäger ist weiterhin ein Restaurant. Die Allee wurde 1945 erst in „Hindenburg-Allee“ umbenannt. 1950 erhielt sie den Namen „Ebertallee“, den sie heute noch trägt.
Zweiter Reichsjägerhof
Der Riddagshäuser Reichsjägerhof sollte nach dem Willen der Nationalsozialisten als Vorbild für weitere derartige Anlagen in allen Gauen dienen. Diese Idee konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Ein weiterer – und letzter – Reichsjägerhof wurde 1936 in der Rominter Heide, im nordöstlichen Ostpreußen, errichtet.
Literatur
- Kurt Herdemerten: Jukunguaq. Das Grönlandbuch der Hermann-Göring-Stiftung. Verlag Georg Westermann, Braunschweig 1939.
- Wolfgang Kimpflinger: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Baudenkmale in Niedersachsen. Band 1.2.: Stadt Braunschweig. Teil 2, Verlag CW Niemeyer, Hameln 1996, ISBN 3-8271-8256-5, S. 248.
- Uwe Neumärker, Volker Knopf: Görings Revier: Jagd und Politik in der Rominter Heide. Links, Berlin 2007, S. 61f. ISBN 978-3-86153-457-0.
- Hartmut Nickel: Reichsjägerhof. In: Luitgard Camerer, Manfred Garzmann, Wolf-Dieter Schuegraf (Hrsg.): Braunschweiger Stadtlexikon. Joh. Heinr. Meyer Verlag, Braunschweig 1992, ISBN 3-926701-14-5, S. 190.
- Helmut Weihsmann: Bauen unterm Hakenkreuz. Architektur des Untergangs. Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., Wien 1998, ISBN 3-85371-113-8, S. 312–313.
Einzelnachweise
Weblinks
- Informationen bei vernetztes Gedächtnis.de
- Hans-Martin Arnoldt: Der Reichsfalkenhof in Braunschweig-Riddagshausen – zur Geschichte von Falken und Falknerei in Braunschweig bei Braunschweigischer Geschichtsverein vom 20. Januar 2022
Koordinaten: 52° 15′ 46,6″ N, 10° 35′ 26,1″ O