Der Rennbaum war eine sehr einfache Form eines Rammbocks.
Typischerweise handelte es sich um einen 4–6 m langen Baumstamm oder Balken von 20–30 cm Durchmesser, der insbesondere von Räuberbanden des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts bei deren gewaltsamen Einbrüchen zum Aufbrechen von Toren und Türen genutzt wurde. Dabei rannten mehrere Bandenmitglieder mit dem Rennbaum wiederholt gegen die Tür an, bis sie entweder durchbrochen oder aus Angeln und Schloss gefallen war.
Der Einsatz eines Rennbaums, in der damaligen Gaunersprache auch „Drong“, „Drohne“ oder „Jaddrohne“ genannt, war nicht nur bei den mittel- und niederrheinischen Räuberbanden des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts charakteristisch, z. B. bei der Bande des Mathias Weber, genannt Fetzer, sondern fand auch Gebrauch bei den Vogelsberger und Wetterauer Räuberbanden, den Banden des Maingebiets und im Odenwald, im Spessart und in Niedersachsen.
Der typische mittels Rennbaum durchgeführte Raubüberfall jener Zeit ist von Sonja Steiner-Welz treffend beschrieben:
- Beim Eintritt in ein Dorf wurde zuerst die Kirchentüre verkeilt, um die Bauern am Läuten der Sturmglocke zu hindern. War ein Nachtwächter da, wurde dieser gefesselt und beiseite gebracht. Dann erhoben die Räuber plötzlich ein furchtbares Geschrei. Oft sangen sie französische Soldatenlieder, um den Eindruck von französischen Marodeuren zu erwecken. Dann flammten die Fackeln und Wachslichter der Räuber auf, und schon krachte der Rennbalken gegen die Haustüre. War der Eingang freigemacht, stürzte die Bande ins Haus, klebte Wachslichter an die Wände, um alles übersehen zu können, fesselte die Bewohner und warf ihnen Bettzeug und Tücher über, damit sie sich die Gestalten der Eindringlinge nicht merken sollten.
Fußnoten
- ↑ Joseph Carl von Train: Chochemer Loschen. Wörterbuch der Gauner- und Diebs- vulgo Jenischen Sprache, Zweite Auflage, Regensburg, 1832, S. 72
- ↑ Franz-Ludwig-Adolph von Grolmann: Wörterbuch der in Teutschland üblichen Spitzbuben-Sprachen (etc.); Erster Band. Müller, Gießen, 1822, S. 116
- ↑ Caspar Dietrich Christensen: Alphabetisches Verzeichniss einer Anzahl von Räubern, Dieben und Vagabonden. Bohnsche Buchhandlung, Hamburg, 1814, S. 15
- ↑ Gustav Radbruch, bearb. von Ulfrid Neumann: Strafrechtsgeschichte, Gesamtausgabe, Band 11, Müller, Heidelberg, 2001, ISBN 3-8114-2147-6, S. 578
- ↑ Johann Nikolaus Becker: Actenmässige Geschichte der Räuberbanden an den beyden Ufern des Rheins, Zweyter Theil. Köln, 1804
- ↑ Friedrich Ludwig Adolf von Grolmann: Actenmässige Geschichte der Vogelsberger und Wetterauer Räuberbanden. Gießen, 1813, S. 96
- ↑ C. F. Brill: Actenmässige Nachrichten von dem Raubgesindel in den Maingegenden, dem Odenwald und den angrenzenden Ländern; Erste Abtheilung. Heyer und Leske, Darmstadt, 1814, S. 227, 364
- ↑ Sonja Steiner-Welz: 400 Jahre Mannheim: Von der Urzeit zur Kaiserzeit, Band 1. Reinhard Welz Vermittler Verlag, Mannheim, 2004, ISBN 3-936041-96-2, S. 213
Literatur
- Heiner Boehnke & Hans Sarkowicz: Die rheinischer Räuberbanden. Eichborn, Frankfurt, 1993, ISBN 3-8218-1175-7
- Joachim Lehrmann: Räuberbanden zwischen Harz und Weser. Lehrmann-Verlag, Lehrte, 2004, ISBN 978-3-9803642-4-9
- Hermann Bettenhäuser: Räuber- und Gaunerbanden in Hessen. Ein Beitrag zum Versuch einer historischen Kriminologie Hessens. In: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde, Band 75/67, 1964, S. 275–348 (S. 332, 334)
- A. F. Thiele: Die jüdischen Gauner in Deutschland, ihre Taktik, ihre Eigenthümlichkeiten und ihre Sprache. Erster Band. Zweite Auflage, Berlin, 1842, S. 239-240 (Stichwort “Chassne”)