Im 12. Jahrhundert gründete sich in Köln die Richerzeche als eine weltliche Bruderschaft oder ein Verband der Reichen und regierte durch selbsternannte Vertreter der eigenen Vereinigung die Stadt. Sie verloren ihre Macht in der Mitte des 14. Jahrhunderts kurzfristig an die mächtigen Kölner Weber, kehrten aber 1370/71 in ihre Ämter zurück. 1396 endete ihre Macht endgültig.
Geschichte
Entstehung
Die erste Verwaltung der Stadt war ein aus den Geschlechtern des Kölner Patriziats gebildetes Gremium, zu dem andere Gesellschaftsschichten keinen Zugang hatten. Nach der ersten Stadterweiterung 1106 (Niederich, Oversburg) und der im Jahre 1182 folgenden wurden die bis dahin noch selbstständigen Sondergemeinden der Stadt angegliedert. Dem Anliegen der dort ansässigen wohlhabenden Familien, nun einen Anteil an der Stadtverwaltung zu haben, kam das Schöffenkollegium nach, indem es sich mit diesen zu einer so bezeichneten Bruderschaft zusammenschloss, der Richerzeche. Die genaue Entstehungszeit ist umstritten; der erste urkundliche Beleg wird heute auf das Jahr 1183/1184 datiert.
Macht der Bruderschaft
Nach ihrer Entstehung hatte sich die Bruderschaft der Richerzeche nach und nach eine Anzahl kommunaler Befugnisse angeeignet, ohne eine städtische Behörde im eigentlichen Sinne zu sein. So übte sie die Marktaufsicht aus, sie verlieh das Zunftrecht (erstes Zunftrecht erhielten die Kaufleute der Gaffel Eysenmarkt) und vergab auch die Bürgerrechte. Die beiden Vorsteher der Richerzeche waren die aus ihren Mitgliedern auf ein Jahr gewählten Bürgermeister, von denen einer immer dem Schöffenkolleg angehörte und das Stadtsiegel führte. Somit waren sie die Exekutivbeamten der Stadt. Mit diesen gehörten zum obersten Gremium der Richerzeche auch die so genannten Amtleute, die ehemaligen Bürgermeister. Dieses Gremium regierte und repräsentierte, in engem Verbund mit dem Schöffenkolleg und dem Rat, die Stadt. Die Bürgermeister trugen als Zeichen ihrer Amtswürde einen weißen Stab und im Gegensatz zu den ganz schwarz gekleideten Ratsherren eine violett oder rot gestreifte Amtstracht. Ein Anrecht auf Mitgliedschaft in der Richerzeche gab es nicht. Voraussetzung für eine Aufnahme war die Zugehörigkeit zu den wohlhabenden angesehenen Familien der Stadt. Im 14. Jahrhundert verlor die Bruderschaft zunehmend an Einfluss im Rat.
Verfall der Macht
Ausgelöst durch Fehlverhalten ihrer Spitzenkräfte in Amt und Würden, also der amtierenden und ehemaligen Bürgermeister, schwand ihr Ansehen. So wurde der turnusmäßig ausgeschiedene, nun als Beisitzer der städtischen Kölner Rentkammer bestallte, Rudger Hirzelin von Grine beschuldigt, städtische Gelder veruntreut zu haben. Er wurde noch im selben Jahr hingerichtet.
Nach ständig anwachsendem politischem Druck fiel es den Beteiligten des Weberaufstandes nicht schwer, die Auflösung des unbeliebten herrschenden Gremiums durchzusetzen. So hieß es in der Erklärung der Amtleute Mitte 1370, dass
„das Amt der Richerzeche aus eigenem, freien, guten Willen, ungedrängt und ungezwungen und zum gemeinen Besten der Stadt Köln seine Rechte und Besitztümer mit allem Zubehör auf ewige Zeiten in die Hände des Rates übergebe.“
Dieses Abkommen hat jedoch nur kurzen Bestand. Die kurze Herrschaft der in der mächtigsten Zunft der Stadt, dem Wollenamt, organisierten Weber endete im Jahr 1371. Die gedemütigten Patrizier verbündeten sich mit den Kaufleuten und Gaffeln und nahmen im Lauf einer eskalierenden Straßenschlacht, dem Kölner Weberaufstand, in der Nähe des Waidmarktes Rache an ihren politischen Widersachern. Selbst schon Besiegte wurden noch erschlagen, andere mit ihren Familien aus der Stadt vertrieben und ihre Vermögen beschlagnahmt. Das Regime der Richerzeche übernahm erneut die Macht in Köln, hatte aber nicht mehr die anfängliche Machtfülle und verlor ihre Ämter endgültig im Jahr 1396.
Ende der Richerzeche
Die Richerzeche bildete die Vorstufe eines gewählten städtischen Rates. Nach dem erzwungenen Machtwechsel von 1396 durch die Zünfte wurde die Zweiteilung des engen und des weiten Rates ersetzt durch die Bildung eines einheitlichen Magistrates. Dieses Kollegium bestand aus 36 Herren, die den einzelnen Gaffeln vorstanden und von diesen berufen wurden. Die so Erwählten ernannten ergänzend noch 13 Herren (Gebrech) aus den Gaffeln. So befreiten sich Köln und seine Bürger von dem Machtanspruch der Geschlechter und gaben sich 1396 mit dem Verbundbrief ihre erste ständische Verfassung.
Novellierung des Verbundbriefes
Mangelnde Transparenz im Wirken des Rates, seine Vetternwirtschaft und Rechtsbrüche mehrten sich derart, dass es 1512/13 zum Aufstand der Gaffeln kam. Der amtierende Rat wurde entmachtet, korrumpierte Mitglieder desselben wurden ausgestoßen. Die Aufständischen wählten 178 Vertrauensleute, die sogenannte Große Schickung, welche die Macht in der Stadt übernahm. Zehn der führenden Ratsherren wurden auf dem Heumarkt öffentlich enthauptet, unter ihnen der Ratsherr Diederich Spitz und die Bürgermeister Johann von Berchem, Johann Rheidt und Johann Oldendorp. Mit diesem rigorosen Vorgehen und den dann folgenden Ergänzungen des Verbundbriefes durch den sogenannten Transfixbrief verhinderte der Aufstand einen Rückfall in ähnliche Eigenmächtigkeiten wie die der Geschlechter vor 1396.
Verbund- und Transfixbrief bildeten über Jahrhunderte das „Grundgesetz“ der Freien Reichsstadt Köln und gelten als die erste bürgerliche Verfassung.
Siehe auch
Literatur
- Klaus Dreesmann: Verfassung und Verfahren der Kölner Ratsgerichte. Hochschulschrift, Essen 1959. (Dissertation; Universität zu Köln, Rechtswissenschaftliche Fakultät)
- Carl Dietmar: Die Chronik Kölns. Chronik-Verl., Dortmund 1991, ISBN 3-611-00193-7.
Einzelnachweise
- ↑ Peter Fuchs, "Chronik zur Geschichte der Stadt Köln, Band I", 1990, S. 122
- ↑ Bürgermeister hatten eine Amtszeit von einem Jahr und mussten dann zwei Jahre pausieren. Danach konnten sie erneut gewählt werden.
- ↑ Carl Dietmar: Die Chronik Kölns, 1991, S, 119
- ↑ Carl Dietmar: Die Chronik Kölns, 1991, S. 121
- ↑ Klaus Dreesmann: Verfassung und Verfahren der Kölner Ratsgerichte, 1959, S. 11, 14
- ↑ Carl Dietmar: Die Chronik Kölns, 1991, S. 154