Sandra Hüller (* 30. April 1978 in Suhl) ist eine deutsche Schauspielerin.
Leben und Werk
Hüller wuchs in einer Pädagogenfamilie zunächst in Oberhof auf und zog als Kind mit ihrer Familie nach Friedrichroda. Während ihrer Schulzeit besuchte sie den Theaterkurs der Schule und nahm später an Theaterworkshops (z. B. Theatertreffen der Jugend 1996) teil. Nach dem Abitur in Friedrichroda studierte sie von 1996 bis 2000 an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin.
Nach Abschluss ihres Schauspielstudiums war sie von 1999 bis 2001 Ensemblemitglied am Theaterhaus Jena und dann 2001–2002 am Schauspiel Leipzig. Der Jenaer Dramaturg Oliver Held empfahl sie dem Theater Basel, wo sie ab der Spielzeit 2002/03 bis zum Sommer 2006 dem Ensemble angehörte. 2012–2015 gehörte sie zum Ensemble der Münchner Kammerspiele, 2018 wechselte sie ans Schauspielhaus Bochum. Gastengagements führten sie an die Volksbühne Berlin, das Staatsschauspiel Hannover, das Theater am Neumarkt Zürich, das Theater Freiburg und das Neue Theater Halle. Sie spielte außerdem 2008, 2015, 2016 und 2017 bei der Ruhrtriennale und 2018 bei den Salzburger Festspielen.
Seit 2016 gehört Hüller außerdem dem freien Theaterkollektiv FARN.collective an.
Auf der Theaterbühne verkörperte Hüller z. B. 2009 in dem Tanzschauspiel For Love (Regie: Tom Schneider) die Rocksängerin und Witwe von Kurt Cobain, Courtney Love. Im Prater der Volksbühne Berlin spielte sie im selben Jahr in Virgin Queen die Königin Elisabeth I. Das Stück unter der Regie von Claudia Bauer war ein Solo mit Hüller und drei Musikern sowie zahlreichen Puppen, die von den Musikern gespielt wurden.
Ihre erste bedeutende Filmrolle hatte Hüller 2006 als Michaela Klingler in Hans-Christian Schmids Film Requiem. Für ihre Darstellung der an Epilepsie erkrankten jungen Frau wurde sie mehrfach ausgezeichnet. 2008 stand sie für Max Färberböcks Verfilmung von Anonyma – Eine Frau in Berlin vor der Kamera. Weitere bedeutende Projekte waren unter anderem die Spielfilme Brownian Movement (2010) und Toni Erdmann, der im Wettbewerb der Internationale Filmfestspiele von Cannes 2016 vertreten war. Im selben Jahr wurde Hüller für den Part der Ines Conradi mit dem Europäischen Filmpreis als Beste Darstellerin ausgezeichnet.
Nachdem sie 2017 neu in die Akademie der Künste Berlin gewählt worden war und 2018 im mehrfach preisgekrönten Eröffnungsfilm der Berlinale, In den Gängen, die Hauptrolle Marion gespielt hatte, wurde sie 2019 in die Wettbewerbsjury der 69. Internationalen Filmfestspiele Berlin berufen.
Im Juli 2020 veröffentlichte Hüller das Mini-Album „Be Your Own Prince“, das aus selbst komponierten Songs besteht, die sie mit dem Berliner Musiker Daniel Freitag aufnahm.
Im Jahr 2023 war sie als Irma Sztáray in Sisi & Ich unter der Regie von Frauke Finsterwalder zu sehen. Diese Leistung brachte ihr erneut eine Nominierung für den Deutschen Filmpreis ein. Im selben Jahr bekleidete sie Rollen in Justine Triets Anatomie eines Falls und Jonathan Glazers The Zone of Interest, die beide Einladungen in den Wettbewerb um die Goldene Palme des 76. Filmfestivals von Cannes erhielten. Anatomie eines Falls gewann den Hauptpreis, während The Zone of Interest mit dem Großen Preis der Jury die zweitwichtigste Auszeichnung gewann.
Sandra Hüller lebt mit ihrem Lebensgefährten in Leipzig-Plagwitz und Bochum und hat eine Tochter.
Filmografie
- 1999: Midsommar Stories (Episodenfilm)
- 2003: Kleine Schwester (Kurzfilm) – Regie: Thomas Adamicka
- 2003: Nicht auf den Mund (Kurzfilm) – Regie: Kathrin Feistl
- 2004: Kühe lächeln mit den Augen (Kurzfilm) – Regie: Johanna Icks
- 2006: Requiem
- 2007: Madonnen
- 2008: Where in This World (Kurzfilm)
- 2008: Anonyma – Eine Frau in Berlin
- 2008: Der Architekt
- 2009: Fräulein Stinnes fährt um die Welt
- 2009: Roentgen (Kurzfilm) – Regie: Michael Venus
- 2009: Fliegen – Regie: Piotr J. Lewandowski
- 2009: Deutschland 09 - 13 kurze Filme zur Lage der Nation
- 2010: Henri 4
- 2010: Aghet – Ein Völkermord
- 2010: Brownian Movement
- 2011: Über uns das All
- 2011: Fluss (Kurzfilm) – Regie: Michael Venus
- 2011: Der Kriminalist (Fernsehserie; Folge: Sucht)
- 2012: Strings
- 2013: Finsterworld
- 2013: Pinocchio (Fernseh-Dreiteiler) – Regie: Anna Justice
- 2014: Vergiss mein Ich
- 2014: Polizeiruf 110 (Fernsehreihe, Folge Morgengrauen)
- 2014: Amour Fou
- 2016: Toni Erdmann
- 2016: Der Tatortreiniger (Fernsehserie, Folge Özgür)
- 2017: Don’t (Kurzfilm)
- 2017: Fack ju Göhte 3
- 2018: In den Gängen
- 2018: 25 km/h
- 2019: Sibyl – Therapie zwecklos (Sibyl)
- 2019: Proxima – Die Astronautin (Proxima)
- 2020: Exil
- 2020: Schlaf
- 2020: Hamlet (Fernsehfilm)
- 2021: Ich bin dein Mensch
- 2021: München – Im Angesicht des Krieges (Munich: The Edge of War)
- 2021: Das Schwarze Quadrat
- 2022: Alle reden übers Wetter
- 2023: Sisi & Ich
- 2023: The Zone of Interest
- 2023: Anatomie eines Falls (Anatomie d’une chute)
Musikvideos:
- 2008: The Notwist – Where in this World
- 2017: Daniel Freitag – Don’t
- 2020: The One (Video zur Singleauskopplung des Debüt-Albums Be Your Own Prince)
Theaterengagements
- 1999–2001: Ensemblemitglied Theaterhaus Jena
- 2001–2002: Ensemblemitglied Schauspiel Leipzig
- 2002–2006: Ensemblemitglied Theater Basel
- 2007–2011: Gastengagements Münchner Kammerspiele, Ruhrtriennale, Neues Theater Halle, Theater Freiburg, Volksbühne Berlin, Staatsschauspiel Hannover
- 2012–2015: Ensemblemitglied Münchner Kammerspiele
- 2015–2018: Gastengagements Ruhrtriennale, Salzburger Festspiele, Theater am Neumarkt Zürich
- seit 2018: Ensemblemitglied Schauspielhaus Bochum
Hörspiele
- 2013: Paul Plamper: Der Kauf – Realisation: Paul Plamper (WDR/BR/DLF/Schauspiel Köln)
- 2017: Paul Plamper: Dienstbare Geister – Realisation: Paul Plamper (WDR/BR/DLF (Kultur)/MDR/Ruhrtriennale/Maxim-Gorki-Theater)
- 2016: Franz Kafka, Das Schloss. Hörspiel in 12 Teilen, Rolle: Olga, Regie: Klaus Buhlert (BR Hörspiel und Medienkunst)
- 2021: Kirsten Becken: Ihre Geister sehen – Realisation: Judith Lorentz (Deutschlandfunk Kultur)
Hörbücher
- 2013: Finn-Ole Heinrich: Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt – Mein kaputtes Königreich. (Hörcompany)
- 2014: Finn-Ole Heinrich: Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt – Warten auf Wunder. (Hörcompany)
- 2015: Finn-Ole Heinrich: Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt – Ende des Universums (Hörcompany)
- 2015: Karen Köhler: Wir haben Raketen geangelt (tacheles!/Roof Music)
- 2017: Mariana Leky: Was man von hier aus sehen kann (tacheles!/Roof Music)
- 2018: Wolfgang Herrndorf: Bilder deiner großen Liebe: Ein großer Monolog mit Musik (tacheles!/Roof Music)
- 2019: Mariana Leky: Die Herrenausstatterin (tacheles!/Roof Music)
- 2019: Mariana Leky: Erste Hilfe (tacheles!/Roof Music)
Auszeichnungen
- 2003: „Nachwuchsschauspielerin des Jahres“ der Zeitschrift Theater heute für die Rolle der Julia in Romeo und Julia (Regie: Sebastian Nübling) und für die Rolle der Dora in Die sexuellen Neurosen unserer Eltern (Regie: Barbara Frey)
- 2005: Bayerischer Filmpreis – „Beste Nachwuchsdarstellerin“ für die Hauptrolle der Michaela in Requiem
- 2006: Preis der deutschen Filmkritik als „Beste Darstellerin“
- 2006: Silberner Bär der Berlinale als „Beste Darstellerin“ für ihre Hauptrolle in Requiem
- 2006: Deutscher Filmpreis in der Kategorie „Beste darstellerische Leistung – weibliche Hauptrolle“ für ihre Rolle in Requiem
- 2009: Ulrich-Wildgruber-Preis
- 2010: Schauspielerin des Jahres in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute für ihre Rollen in Parzival am Schauspiel Hannover und Virgin Queen an der Berliner Volksbühne
- 2011: „Jurypreis für Besondere Einzelleistung“ beim Festival des deutschen Films für Über uns das All und Brownian Movement
- 2011: Darstellerinnenpreis für Über uns das All, Festival du Cinema Europeen en Essonne
- 2011: Darstellerinnenpreis für Über uns das All, Festival du Film de Valenciennes
- 2011: „Chistera“ für die beste Darstellerin für Über uns das All, Festival du Film de Saint Jean de Luz
- 2011: Preis der deutschen Filmkritik als „Beste Darstellerin“ für Über uns das All
- 2012: Preis für Schauspielkunst beim Festival des deutschen Films
- 2013: 3sat-Preis beim Berliner Theatertreffen
- 2013: Schauspielerin des Jahres in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute
- 2014: Deutscher Filmpreis in der Kategorie „Beste darstellerische Leistung – weibliche Nebenrolle“ für ihre Rolle in Finsterworld
- 2016: Europäischer Filmpreis für Toni Erdmann (Beste Darstellerin)
- 2017: Bayerischer Filmpreis 2016 in der Kategorie „Beste Darstellerin“ für Toni Erdmann
- 2017: Deutscher Filmpreis in der Kategorie „Beste darstellerische Leistung – weibliche Hauptrolle“ für ihre Rolle in Toni Erdmann
- 2017: Aufnahme in die Berliner Akademie der Künste
- 2019: Schauspielerin des Jahres in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute für ihre Darstellung der Penthesilea
- 2019: Gertrud-Eysoldt-Ring für ihre Rolle als „Hamlet“ am Schauspielhaus Bochum
- 2020: Theaterpreis Berlin
- 2020: Schauspielerin des Jahres in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute für ihre Darstellung des Hamlet
- 2020: Bundesverdienstkreuz am Bande
- 2022: Fünf Seen Filmfestival – Hannelore-Elsner-Preis
- 2023: Douglas-Sirk-Preis
- 2023: Gilde-Filmpreis – Ehrenpreis
Weblinks
- Sandra Hüller in der Internet Movie Database (englisch)
- Sandra Hüller bei filmportal.de
- Sandra Hüller in castupload.com
- Sandra Hüller. Profil bei der Agentur Schneider Berlin.
- Stephan Elsemann: Schauspielerin Sandra Hüller: „Ich glaube nicht an Perfektion“. In: fudder.de. 15. Januar 2009 .
- Wolfgang Höbel: Theaterpremiere in München: Die Kindertotmacherin. In: Spiegel Online. 9. Dezember 2007 (Rezension von Mamma Medea).
Einzelnachweise
- ↑ Sandra Hüller im Munzinger-Archiv, abgerufen am 11. August 2022 (Artikelanfang frei abrufbar)
- ↑ Sandra Hüller bei filmportal.de, abgerufen am 22. Dezember 2021
- ↑ Sandra Hüller beim Schauspielhaus Bochum, abgerufen am 5. Mai 2023
- ↑ Christine Dössel: Sandra Hüller spricht in ihrer Theater-Performance mit Pflanzen. In: Süddeutsche Zeitung. 20. Juni 2021, abgerufen am 20. Juni 2021.
- ↑ Hartmut Krug: Puppenkrieg und blaues Blut. In: Deutschlandfunk. 14. Juni 2009, abgerufen am 20. Juni 2021.
- ↑ Jurys 2019. Abgerufen am 2. August 2022.
- ↑ Home. Abgerufen am 27. Juli 2020 (deutsch).
- ↑ Hüller in short: Where in this World? (The Notwist). In: Goethe-Institut Toronto. 6. Oktober 2020, abgerufen am 26. Juni 2022.
- ↑ Sandra Hüller spielt jetzt eine Lo-Fi-Superheldin – in Daniel Freitags neuem Video. In: musikexpress.de. 29. September 2017, abgerufen am 15. Februar 2019.
- ↑ Sandra Hüller – The One (Official Video). In: youtube.com. Abgerufen am 7. Mai 2020.
- ↑ Sandra Hüller beim Schauspielhaus Bochum, abgerufen am 11. August 2022
- ↑ Weltkino in Ludwigshafen (Memento vom 12. September 2012 im Webarchiv archive.today)
- ↑ Michael Kötz: Laudatio. (Nicht mehr online verfügbar.) 17. Juni 2012, archiviert vom am 5. März 2014 .
- ↑ Neue Mitglieder der Akademie der Künste. In: adk.de. Akademie der Künste, 7. Juli 2017, abgerufen am 15. Februar 2019.
- ↑ Deutsche Akademie der Darstellenden Künste. Abgerufen am 2. August 2022.
- ↑ Berliner Festspiele: Theaterpreis Berlin - Theatertreffen. Abgerufen am 2. August 2022.
- ↑ www.bundespraesident.de: Der Bundespräsident / Reisen und Termine / Ordensverleihung "Vereint und füreinander da". Abgerufen am 2. Oktober 2020.
- ↑ Sandra Hüller erhält Hannelore-Elsner-Preis 2022. In: DerStandard.at. 2. August 2022, abgerufen am 2. August 2022.
- ↑ Filmfest Hamburg: Douglas Sirk Preis für Sandra Hüller. In: szene-hamburg.com. 16. August 2023, abgerufen am 16. August 2023.
- ↑ Janick Nolting: Kinobetreiber küren besten Film 2023 – Ehrenpreis für Sandra Hüller=. In: digitalfernsehen.de. 22. September 2023, abgerufen am 22. September 2023.